Digitalisierung im Gesundheitswesen Weiterer Rückschlag fürs E-Rezept
Mit einem E-Rezept Medikamente in der Apotheke abholen: Seit Langem kommt dieses Vorhaben nur schleppend voran - und nun gibt es den nächsten Rückschlag. In der bundesweit einzigen Pilotregion haben die Kassen den Test gestoppt.
Die Einführung des E-Rezepts hat einen weiteren Dämpfer erlitten. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) gab bekannt, das bundesweit einzige Pilotverfahren zur Nutzung der digitalen Verschreibung in Arztpraxen auszusetzen. Seit September bieten dort 250 Praxen das E-Rezept an, schrittweise sollten es mehr werden - dies wird nun aber nicht geschehen.
Grund dafür ist, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) sein Veto eingelegt hatte gegen die dort geplante Nutzung von Versichertenkarten.
Bisher kann man das E-Rezept nur über sein Handy beziehungsweise über einen Ausdruck abrufen. Für eine App braucht man eine PIN von seiner Krankenkasse - die bekommt man nur nach einer persönlichen Verifizierung vor Ort bei seiner Kasse oder in der Post. Offenbar ist vielen das Prozedere zu mühsam, Anträge für die PIN gab es nur wenige.
Ärzteschaft skeptisch
Bei der schleppenden Einführung kommt erschwerend hinzu, dass die Skepsis in der Ärzteschaft groß ist. In diesem Jahr wurden bisher nur rund 525.000 Digitalverschreibungen eingelöst. Zum Vergleich: Pro Jahr werden in Deutschland circa 500 Millionen Verschreibungen als rosa Zettelchen ausgestellt - der Anteil der Digitalverschreibung ist also verschwindend gering.
Auf freiwilliger Basis können in Deutschland zwar alle Praxen das E-Rezept anbieten, von einer flächendeckenden Anwendung ist das Produkt aber weit entfernt. Mit der Pilotregion Westfalen-Lippe sollte die Digitalverschreibung neuen Schwung bekommen - die dortige Kassenärztliche Vereinigung hatte sich bereiterklärt, die Einführung aktiv zu begleiten und Schritt für Schritt mehr Praxen einzubinden.
Schleswig-Holstein sollte ebenfalls voranschreiten, brach dies Praxen-Vorhaben aber ab, weil die dortige Landesdatenschutzbeauftragte Bedenken zur geplanten Nutzung von SMS und E-Mails geäußert hatte.
Datenschutzrechtliche Bedenken
Der Bundesdatenschutzbeauftragte hatte im Falle von Westfalen-Lippe befürchtet, dass es in der geplanten Form Datenmissbrauch in Apotheken geben könnte. Er erkannte eine Sicherheitsschwachstelle, die "Angreifern den unberechtigten Zugang zum E-Rezept-Fachdienst mit den dort gespeicherten E-Rezepten ermöglichen" könnte, wie es in seiner Entscheidung von September heißt. Notwendige technische Nachrüstungen mit Updates für Konnektoren - also Routern - und die Apotheken-Software dauern wohl bis Mitte 2023. So lange wollte die KVWL nicht warten und zog nun die Reißleine.
"Die Entscheidung des Datenschützers ist eine Bankrotterklärung für die Digitalisierung im Gesundheitswesen generell und speziell in der ambulanten Versorgung", sagte KVWL-Vorstand Thomas Müller. Das Ziel, dass 25 Prozent aller Verschreibungen von gesetzlich Versicherten elektronisch erfolgen, könne nicht erreicht werden.
Durch die Entscheidung des Datenschutzbeauftragten sei der angestrebte Fortschritt für Patienten, Ärzte und alle weiteren Beteiligten in Frage gestellt. "Wir fordern erneut eine rein digitale Lösung - nur dann kann eine Fortsetzung des Rollouts durch die KVWL erfolgen."
Gesundheitsministerium verspricht Lösung für Mitte 2023
Die Bundesregierung hat in ihrer Digitalisierungsstrategie das Ziel ausgegeben, dass das E-Rezept bis 2025 "als Standard etabliert" ist. Angesichts der gravierenden Startschwierigkeiten ist es unsicher, ob dieses Ziel erreicht wird. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums sagte, dass man die Entscheidung der KVWL bedauere. Die Einführung des E-Rezepts gehe aber weiter und es könne weiterhin bundesweit eingesetzt werden. "Mitte kommenden Jahres werden wir die Nutzung des E-Rezeptes mit einer einfacheren und sicheren Lösung ermöglichen."