Nach Tötung von Polizisten Bundesweite Razzien nach Hasskommentaren
Nach Hass-Äußerungen im Internet haben Ermittler die Wohnungen von 75 Verdächtigen in 15 Bundesländern durchsucht. Insgesamt wird gegen 150 Beschuldigte in 172 strafrechtlich relevanten Fällen ermittelt.
Einen Tag vor Beginn des Prozesses um die Morde an zwei Polizeibeamten im rheinland-pfälzischen Landkreis Kusel haben bundesweite Durchsuchungen wegen Hass- und Gewaltaufrufen im Internet stattgefunden. Laut der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz wurden bei der Aktion deutschlandweit die Wohnungen von 75 Verdächtigen in 15 Bundesländern durchsucht. Federführend koordinierte das Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz die Einsätze, in die zahlreiche Polizeibehörden sowie Staatsanwaltschaften ebenso eingebunden waren, wie das Bundeskriminalamt in Wiesbaden.
Nach Angaben der Behörden richten sich die Ermittlungen bislang gegen 150 Beschuldigte und 172 strafrechtlich relevanter Äußerungen. 180 Datenträger wie Smartphones und Computer wurden als mögliche Beweismittel beschlagnahmt, wie der Vizepräsident des rheinland-pfälzischen LKAs, Achim Füssel, mitteilte.
Elf Durchsuchungen fanden Behörden zufolge in Rheinland-Pfalz statt, die nordrhein-westfälischen Behörden nannten eine zweistellige Zahl an Durchsuchungen, die sich etwa gegen 34 Beschuldigte richteten. Es geht um Vorwürfe wie die Störung des öffentlichen Friedens durch Billigen von Straftaten, das Verunglimpfen des Andenkens Verstorbener oder Beleidigung.
Weitere Durchsuchungen angekündigt
"Hass und Hetze haben in unserer Gesellschaft keinen Platz", erklärte der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (SPD), zu den Razzien, die in den Morgenstunden begonnen hatten. "Wenn Worte wie Waffen gebraucht werden, ist konsequentes staatliches Handeln gefordert", sagte er weiter.
Der rheinland-pfälzische Minister sprach von Worten, die "fassungslos" machten und betonte, dass derartige "widerliche Verunglimpfungen" vom Staat nicht geduldet werden würden. "Wir reagieren mit aller Deutlichkeit - in der realen Welt und in der virtuellen." Lewentz kündigte an, dass die Durchsuchungen "nicht die letzten gewesen sein" sollen.
Ermittlungsgruppe "Hate-Speech"
Als Reaktion auf die Verbreitung von Hasskommentaren kurz nach der Tötung einer Polizistin und eines Polizisten am 31. Januar hatte das LKA die Ermittlungsgruppe "Hate-Speech" eingerichtet. Laut Polizei und Staatsanwaltschaft ging die Ermittlungsgruppe bislang mehr als 1700 Hinweisen auf Hass und Hetze im Internet im Zusammenhang mit der Tat nach, wovon am Ende knapp 540 Onlinebeiträge und etwa 310 sogenannte Likes als strafrechtlich relevant eingestuft wurden.
Das 14-köpfige Ermittlerteam durchsuche gezielt soziale Medien auf Hass-Postings, gehe aber auch zahlreichen Anzeigen aus der Bevölkerung und von Polizeidienststellen anderer Bundesländer nach. Eine Festnahme habe es in dem Zusammenhang bereits gegeben. Ein 55-Jähriger soll in seinem öffentlichen Facebook-Profil zwei Videos hochgeladen haben, in denen er unter anderem eine Anleitung dazu gab, Polizeibeamte auf einen Feldweg zu locken und aus dem Hinterhalt zu beschießen. LKA-Präsident Johannes Kunz sagte, es gebe Hinweise, "die für eine Zuordnung zum Reichsbürgerspektrum sprechen".
Prozessbeginn wegen Tötung von Polizisten
Ab Dienstag beginnt der Prozess gegen einen 39-jährigen mutmaßlichen Wilderer. Er soll bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle eine 24 Jahre alte Polizeianwärterin und einen 29 Jahre alten Oberkommissar erschossen haben, um die mögliche Enttarnung seiner illegalen Jagdtätigkeiten zu verhindern.