Durchsuchungen bei Ditib Der Imam - ein Spion?
Der Vorwurf wiegt schwer: Imame sollen Gläubige, die der Gülen-Bewegung angehören, ausgehorcht und beim türkischen Staat angeschwärzt haben. Die Wohnungen von vier Geistlichen wurden heute durchsucht. Was steckt hinter dem Vorwurf? Und was droht den Bespitzelten?
Jeden Tag führt Osman Esen viele Gespräche - mit Menschen, die Angst haben. Esen ist Vorsitzender des Verbandes engagierter Zivilgesellschaft, einem Verein, der der Gülen-Bewegung nahe steht und sich um die Interessen der Gläubigen kümmert, die dem in den USA im Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen folgen.
Die Menschen melden sich bei Esen, weil sie offenbar von Imamen ihrer Gemeinde ausgehorcht und bespitzelt wurden. Inhalte vertraulicher Gespräche gingen dann an den türkischen Staat. Aus Sicht des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sind Gülen-Anhänger Unterstützer einer terroristischen Vereinigung, denn die türkische Regierung vermutet hinter Gülen den Drahtzieher des gescheiterten Putsches am 15. und 16. Juli 2016.
Die Folgen der Bespitzelungen seien gravierend, sagt Esen. "Die mildeste Form der Bestrafung ist, dass die Pässe bei der Einreise in die Türkei abgenommen werden und man nicht mehr ausreisen kann. In vielen Fällen werden aber die Personen verhaftet und nicht selten auch später enteignet." Bei denjenigen, die nicht mehr in die Türkei reisen, gehe der türkische Staat gegen Verwandte vor, so Esen. "Ein Mitglied meiner Familie wurde zum Beispiel aus dem Staatsdienst entlassen - ohne Begründung und ohne fairen Prozess". Das liege wohl an ihm und seiner Nähe zu Gülen, so seine Vermutung.
Hat die Bundesregierung kein Interesse an der Aufklärung?
Ausgehorcht, bespitzelt, vertrauliche Informationen weitergegeben - das komme Spionage gleich, sagt der Grünen-Politiker Volker Beck. Das sei illegal. Deshalb hat er Klage bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Das war im Dezember. Seitdem sei viel zu wenig passiert, kritisiert er. Die Ermittlungen seien so langsam vorangegangen, dass sich Beschuldigte durch ihre Ausreise in die Türkei einem Verfahren entziehen konnten. "Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier von Seiten der Bundesregierung kein großes Interesse an einer Aufklärung besteht, weil man das Klima nicht vergiften möchte."
Durchsuchungen in NRW und Rheinland-Pfalz
Nun aber hat die Bundesanwaltschaft zugeschlagen. Bei Durchsuchungen der Wohnungen von vier islamischen Geistlichen sind Beweismittel sichergestellt worden. Das gab eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft heute bekannt. Darunter seien Kommunikationsmittel, Datenträger und schriftliche Unterlagen, die nun ausgewertet würden. Festnahmen habe es keine gegeben. Die Durchsuchungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wurden von Beamten des Bundeskriminalamts mit Unterstützung der Polizei der beiden Bundesländer durchgeführt.
Gegen die vier Männer werde ermittelt, weil sie Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt und diese an das türkische Generalkonsulat in Köln weitergegeben haben sollen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit (§ 99 StGB). Es werde nun geprüft, inwieweit sich der Tatverdacht erhärten lasse.
Verfassungsschutz: Mindestens 33 Bespitzelte
Nach Erkenntnissen des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes haben allein in dem Bundesland mindestens 13 Imame Informationen über Gülen-Anhänger nach Ankara gemeldet. Die Namen von 33 bespitzelten Personen und elf Institutionen aus dem Bildungsbereich seien an die staatliche Diyanet geliefert worden, hatte NRW-Verfassungsschutzpräsident Burkhard Freier vor einer Woche im Innenausschuss des Düsseldorfer Landtags gesagt. Für die Berichte an den türkischen Staat hätten auch Imame aus drei rheinland-pfälzischen Moscheegemeinden Informationen gesammelt.
Die Ditib-Moschee in Fürthen. Auch in diesem rheinland-pflälzischen Ort gab es nach Angaben aus Ermittlerkreisen eine Durchsuchung.
Die Ditib hatte hingegen erklärt, das Diyanet-Anschreiben habe sich gar nicht an Deutschland und die dortigem Imane gerichtet. Es handele sich um eine "Panne", die der Verband bedauere. Heute wies Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga die Vorwürfe von sich. "Die Ermittlungen richten sich nicht gegen Ditib, sie richten sich gegen vier Geistliche als Einzelpersonen", so Alboga.
Eng mit türkischer Religionsbehörde verbunden
Die Ditib tritt nach eigener Darstellung für einen weltoffenen und liberalen Islam ein und verfolgt gemeinnützige religiöse, wohltätige, kulturelle und sportliche Zwecke. In ihren Grundsätzen ist verankert, dass sie als überparteiliche Organisation "jede Art von parteipolitischer Aktivität in den Vereinsräumen" verbietet.
Organisatorisch ist die Ditib allerdings eng mit der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet verbunden. Die meisten der rund 900 Imame, die in Ditib-Moscheen in Deutschland arbeiten, sind türkische Beamte, die von der türkischen Behörde ausgewählt und bezahlt werden. Daran wurde wiederholt Kritik laut - insbesondere in der aktuellen Spitzelaffäre um Ditib-Imame.