ARD-DeutschlandTrend August 2008 SPD - respektiert, aber chancenlos
Es ist ein trostloser Sommer für die SPD. Nicht nur die Umfragewerte stagnieren auf niedrigem Niveau, auch das Image als Partei der sozialen Gerechtigkeit geht verloren. Als politische Kraft ist die Partei respektiert, für wählbar halten sie derzeit aber die wenigsten.
Von Jörg Schönenborn, WDR
Die Lage der SPD ist trostlos. In der Sonntagsfrage verharrt sie bei 24 Prozent – nur im Hartz-IV-Sommer 2004 waren die Werte mit 23 Prozent schon einmal noch niedriger. Und dabei hat die Auseinandersetzung um Wolfgang Clement nicht einmal messbar geschadet: Schon Mitte Juli – vor der Debatte um seinen Parteiausschluss – hatte Infratest dimap die SPD mit 24 Prozent gemessen. Von der anhaltenden Schwäche der Sozialdemokraten kann die Union nicht profitieren, dafür die Linkspartei. Sie erreicht mit 14 Prozent erneut ihren bisherigen Höchstwert. CDU/CSU hingegen kommen nicht über 36 Prozent hinaus. Die FDP mit 12 Prozent und die Grünen mit 11 Prozent bleiben stabil zweistellig.
Problematischer Image-Verlust
Viel problematischer als der schlechte Wert in der Sonntagsfrage, der ja nur eine Momentaufnahme der politischen Stimmung ist, ist für die SPD das Image, das sie bei den Wählern mittlerweile hat – oder eben nicht mehr hat. Nur noch 20 Prozent meinen, dass die SPD "gutes Führungspersonal" habe. Selbst bei den SPD-Anhängern sieht das nur gut jeder Dritte so (37 Prozent). Und während sich die Partei noch immer nicht offiziell entschieden hat, wen sie gegen Angela Merkel ins Rennen schickt, sagen 76 Prozent der Befragten, die SPD habe gar keine Chancen, den nächsten Bundeskanzler zu stellen. Bei den SPD-Anhängern sieht es mit 58 Prozent eine Mehrheit genauso, nur 36 Prozent der SPD-Wähler sehen Chancen, dass ihr Kandidat Angela Merkel ablöst.
Wunsch nach wichtiger Rolle
Solche Zahlen machen sicher nicht gerade Mut für den bevorstehenden Wahlkampf. Trösten könnte da wenigstens ein Ergebnis der Umfrage: 62 Prozent der Befragten wünschen, "dass die SPD künftig wieder eine wichtigere Rolle spielt als zur Zeit". Besonders stark ist dieser Wunsch unter den Wählern der Linkspartei und der Grünen. Aber selbst bei Unions- und FDP-Wählern möchte jeweils rund die Hälfte, dass die Sozialdemokraten wieder stärker werden. Aus diesen Zahlen spricht beinahe schon so etwas wie Mitleid: Die SPD genießt als politische Kraft zwar großen Respekt, aber in ihrem gegenwärtigen Zustand wollen die meisten sie nicht wählen.
Ruf als Partei der Schwachen verloren
Auch die Gründe dafür legt dieser DeutschlandTrend offen: Die SPD hat in den Augen vieler ihren Ruf als Partei der Schwachen in der Gesellschaft verloren. So sehen sie nur noch 30 Prozent als die "Partei der sozialen Gerechtigkeit", die sich mehr als andere um die Interessen der kleinen Leute kümmert.
Überhaupt scheint in der Frage der sozialen Gerechtigkeit das wichtigste inhaltliche Motiv zu liegen, die SPD zu wählen. Wir haben in der Studie eine getrennte Auswertung durchgeführt für diejenigen, die im Moment angeben, SPD wählen zu wollen, und denen, die das 2005 getan haben, sich jetzt aber von der SPD abwenden. Die Unerschütterlichen, die der SPD die Treue gehalten haben, sagen zu 65 Prozent, die SPD stehe nach wie vor für soziale Gerechtigkeit. Unter den Ex-SPD-Wählern ist es genau umgekehrt: 73 Prozent halten sie nicht mehr für die "Partei der sozialen Gerechtigkeit". Die statistische Basis ist bei dieser Auswertung zwar relativ gering, der Trend aber hinreichend deutlich.
Causa Clement kostet keine Punkte
Warum die Causa Clement die SPD nicht weitere Punkte gekostet hat, ist leicht zu erklären. Einerseits genießt Clement große Wertschätzung – in der SPD und darüber hinaus. 61 Prozent sind mit seiner politischen Arbeit in den vergangenen Jahren zufrieden. Deshalb sehen ihm die Befragten nach, dass er der SPD mit seinen Äußerungen zur Energiepolitik der hessischen SPD möglicherweise geschadet hat. Im Ergebnis wünschen sich 76 Prozent der Befragten (ebenso viele unter den SPD-Anhängern), dass Wolfgang Clement nicht ausgeschlossen wird. Und genau darum bemüht sich derzeit ja die Parteiführung in Berlin.
Steinmeier ist gut fürs Partei-Ego
Gut fürs Partei-Ego ist in dieser Situation sicher der Blick auf die Hitliste der Spitzenpolitiker. Im August hat Frank-Walter Steinmeier mit 69 Prozent Zustimmung erneut den ersten Platz erobert – wobei er aber in der Öffentlichkeit weiterhin eher als Außenminister denn als SPD-Politiker wahrgenommen wird. Er rangiert vor Angela Merkel mit 67 Prozent Zustimmung. Das Bild wendet sich allerdings bei der Direktwahlfrage: Wenn die Deutschen den Bundeskanzler oder die Kanzlerin direkt wählen könnten, entschieden sich 49 Prozent für Angela Merkel (-8) und 35 Prozent für Frank-Walter Steinmeier (+6). Immerhin ist der Abstand zwischen den beiden mit 14 Punkten der geringste, seit wir die Frage mit dieser Paarung im Dezember 2007 in den DeutschlandTrend aufgenommen haben.
Vor der Wahl in Bayern
Sieben Wochen vor der dortigen Landtagswahl lohnt sich ein kurzer Blick nach Bayern: Im vergangene Woche veröffentlichten Bayern-Trend des BR rangierte die CSU bei 48 Prozent (SPD 22, Grüne 9, FDP 8, Freie Wähler 5, Linke 4 Prozent). Vor diesem Hintergrund haben wir die Bürger gefragt, ob sie sich in München künftig weiterhin eine Alleinregierung der CSU oder lieber eine Regierungskoalition wünschen. Das Ergebnis: Von allen Befragten ziehen 62 Prozent eine Koalition vor, von den in Bayern Befragten 61 Prozent.
Olympia in Peking - ein Fehler?
Von Freitag an verschiebt sich der Fokus des Interesses nach Peking zu den Olympischen Spielen. Die deutschen Fernsehzuschauer werden mit gemischten Gefühlen dabei sein. Angesichts der Ereignisse der letzten Monate halten es 56 Prozent für einen Fehler, dass das IOC die Spiele nach China vergeben hat – 38 Prozent halten die Entscheidung für richtig. Allerdings geht eine Mehrheit (53 Prozent) davon aus, dass sich die Menschenrechtslage im Land trotz aller Repressionen mittelfristig durch Olympia eher verbessern wird. Und 61 Prozent vermuten, dass die Spiele dem Image des Landes unter dem Strich eher nützen als schaden. Bleibt das Thema, das bei allen großen Sportereignissen im Hinterkopf mitspielt: Doping. Die Mehrheit der Befragten (55 Prozent) setzt darauf, dass es „bei den meisten Wettkämpfen“ fair zugeht. Eine starke Minderheit von 41 Prozent ist allerdings überzeugt: „Bei den meisten Wettkämpfen sind die erfolgreichen Sportler gedopt.“
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews
Fallzahl: 1001 Befragte (701 West / 300 Ost)
Sonntagsfrage: 1501 Befragte
Erhebungszeitraum: 04. bis 05. August 2008
Sonntagsfrage: 4. bis 6. August 2008
Fehlertoleranz: 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte