ARD-DeutschlandTrend Mehrheit sieht von der Leyen kritisch
Nicht nur viele Politiker haben gegenüber der EU-Personalie von der Leyen Vorbehalte: Laut DeutschlandTrend bezweifelt mehr als die Hälfte der Befragten, dass die CDU-Politikerin eine gute Kommissionschefin wäre.
Die deutsche Verteidigungsministerium Ursula von der Leyen soll Präsidentin der EU-Kommission werden - am Dienstag hatten die EU-Staats- und Regierungschefs sie überraschend für das Amt nominiert. Doch die Mehrheit der Bürger beurteilt die CDU-Politikerin aktuell kritisch: 56 Prozent sagen, dass sie keine gute Kommissionspräsidentin wäre. 33 Prozent meinen hingegen, dass sie eine gute Kommissionspräsidentin abgeben würde. Das hat eine Umfrage von Infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend ergeben.
Allerdings muss man dabei berücksichtigen, dass dies einen deutschen Blick auf eine deutsche Politikerin darstellt. Ursula von der Leyen steht innenpolitisch unter Druck, zum Beispiel wegen der Kostenexplosion bei der Sanierung der "Gorch Fock" oder wegen des Einsatzes externer Berater bei der Modernisierung der Bundeswehr unter Umgehung des Vergaberechts. Zuletzt waren im Mai 2019 nur ein Viertel der Bürger mit ihrer Arbeit zufrieden, zwei Drittel hingegen waren unzufrieden.
Das Verfahren zur Wahl des Kommissionspräsidenten ist im EU-Vertrag geregelt - letztendlich müssen Europäischer Rat und Europäisches Parlament gemeinsam einen Kompromiss finden. Wenn man die Bürger fragt, wer ihrer Meinung nach das letzte Wort haben sollte, so sagen 71 Prozent: das EU-Parlament. Nur 21 Prozent sagen, dass die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer das letzte Wort haben sollten. Auch hier muss aber zum Beispiel berücksichtigt werden, dass sich vor der EU-Wahl längst nicht alle Bürger ein Bild von den europäischen Spitzenkandidaten machen konnten: Fast zwei Drittel der Deutschen sagten in der ARD-Vorwahlbefragung, dass sie den Spitzenkandidaten der EVP, Manfred Weber, oder den Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten, Frans Timmermanns, nicht beurteilen können.
Grüne weiterhin knapp stärkste Kraft bei der Sonntagsfrage
Die bundespolitische Stimmung ist zurzeit relativ stabil: Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, bliebe die Union unverändert bei 25 Prozent. Die SPD verbessert sich um einen Punkt und kommt auf 13 Prozent. Die AfD liegt unverändert bei 13 Prozent, die FDP unverändert bei 8. Die Linke verbessert sich um einen Punkt und kommt auf 8 Prozent. Die Grünen bleiben stärkste Kraft, unverändert bei 26 Prozent.
Zwei Drittel besorgt wegen Rechtsextremismus
Nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wird auch vermehrt über den Umgang mit Rechtsextremismus in Deutschland diskutiert. In diesem Zusammenhang stimmen 67 Prozent der Bürger der Aussage zu: "Ich mache mir Sorgen, dass Rechtsextremisten unseren Staat verändern könnten." 31 Prozent stimmen dieser Aussage nicht zu. Interessant ist es hier nach Partei-Anhängerschaft zu unterscheiden: Von den Anhängern der AfD machen sich nur 17 Prozent Sorgen, dass Rechtsextremisten den deutschen Staat verändern könnten; von den Anhängern der Grünen sind das 75 Prozent.
Zwei Drittel der Bürger sind der Ansicht, die Sicherheitsdienste sollten zusätzliche Befugnisse bekommen, um die Kommunikation im Internet und in den sozialen Medien stärker zu überwachen. Hier liegen die Anhänger der AfD (54 Prozent) und der Grünen (57 Prozent) nah beieinander.
71 Prozent der Befragten erachten die Gefahr von rechtsextremen Übergriffen oder Anschlägen zur als sehr groß oder eher groß; 27 Prozent als eher gering oder sehr gering. Das sind 13 Punkte weniger im Vergleich zu Oktober 2016. Die Gefahr von islamistischen Anschlägen wird von 60 Prozent (-8) als groß erachtet, von 37 Prozent als gering. Und was linksextreme Anschläge angeht, so sieht nur eine Minderheit eine große oder eher große Gefahr: 41 Prozent - 11 Punkte weniger im Vergleich zu Oktober 2016. 56 Prozent hingegen sehen diese Gefahr als eher gering oder sehr gering an.
Deutliche Mehrheit steht hinter Seenotrettung
In den letzten Tagen wurde aufgrund der Ereignisse rund um die "Sea Watch 3" in Italien erneut über die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer diskutiert. Die Kapitänin Carola Rackete war festgenommen und unter Hausarrest gestellt worden, nachdem sie das Rettungsschiff mit mehr als 40 Migranten an Bord unerlaubt in den Hafen von Lampedusa gesteuert hatte. Drei Viertel der Bürger (73 Prozent) sind der Ansicht, dass die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot grundsätzlich nicht juristisch verfolgt werden sollte.
Gleichzeitig finden 70 Prozent der Deutschen es nicht richtig, dass Italien Rettungsschiffen, die Flüchtlinge aufgenommen haben, den Zugang zu seinen Häfen verweigert. Genauso falsch findet die Mehrheit (64 Prozent), dass die Europäische Union die Seenotrettung für Flüchtlinge auf dem Mittelmeer ausgesetzt hat. 72 Prozent aller Befragten finden es gut, dass private Initiativen Flüchtlinge aus Seenot im Mittelmeer retten.
Eine deutliche Mehrheit (88 Prozent) ist zudem der Ansicht, das europäische Asylrecht sollte so geändert werden, dass die EU-Staaten an den Außengrenzen entlastet und die Flüchtlinge möglichst gleichmäßig auf alle Mitgliedsländer verteilt werden.
Klimaschutz: Mehrheit befürwortet Kerosin-Steuer
Aktuell wird in Deutschland über verschiedene Maßnahmen diskutiert, die zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen könnten. 92 Prozent der Befragten befürworten den Ausbau erneuerbarer Energien (+/-0 im Vgl. zu Dezember 2018). Zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) fänden höhere Preise für Flugreisen durch die Einführung einer Kerosin-Steuer sinnvoll. Einen schnelleren Ausstieg aus der Kohle bei der Stromerzeugung sehen 64 Prozent (-5) der Befragten als sinnvoll an. Dies alles sind Maßnahmen, die den einzelnen nicht direkt betreffen - zum Beispiel benutzt nicht jeder das Flugzeug.
Wenn man aber nach Maßnahmen fragt, die die Bürger direkt treffen würden, zum Beispiel weil sie Auto fahren, ergibt sich ein kritischeres Bild: Die mögliche Einführung einer CO2-Steuer halten 57 Prozent für nicht sinnvoll; 39 Prozent der Befragten finden sie sinnvoll. Und 72 Prozent der Befragten halten es nicht für sinnvoll, die Anschaffung und den Unterhalt von Autos mit Verbrennungsmotoren teurer zu machen. Nur 24 Prozent der Befragten (-2) halten diese Maßnahme für sinnvoll
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl/ Dual Frame
(Relation Festnetz-/Mobilfunknummern 60:40)
Disproportionaler Ansatz (West/Ost 70:30)
Erhebungsverfahren: Telefoninterviews (CATI)***
Fallzahl: 1006 Befragte
Fragen zur Aussetzung der Seenotrettung durch die EU und zur juristischen Verfolgung von Seenotrettung: rund 500 Befragte
Erhebungszeitraum: 01. bis 02. Juli 2019
Sonntagsfrage:
Fallzahl: 1506 Befragte
Erhebungszeitraum: 01. bis 03. Juli 2019
Zusatzfragen EU-Kommissionspräsidentschaft: 789 Befragte
Erhebungszeitraum: 03. Juli 2019
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen;
Sonntagsfrage mit separater Gewichtung
Schwankungsbreite: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
Durchführendes Institut: Infratest dimap
* bei einem Anteilswert von fünf Prozent ** bei einem Anteilswert von 50 Prozent
*** Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird deshalb keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.