Vorausberechnung für Deutschland Statistikamt sagt starke Überalterung voraus
Die Zahl der alten Menschen in Deutschland wächst immer weiter. In gut zehn Jahren wird die Zahl der Rentnerinnen und Rentner deutlich zunehmen. Zu diesem Ergebnis kommen Expertenberechnungen, die bis ins Jahr 2070 blicken.
In den kommenden Jahrzehnten wird in Deutschland eine zunehmend alternde Gesellschaft leben. Zu dieser Prognose kommt das Statistische Bundesamt in seiner sogenannten koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, die auf den Einschätzungen eines Expertenkreises beruht.
Die Zukunftsmodelle der Berechnung basieren auf den Bevölkerungszahlen vom Stichtag des 31. Dezembers 2021 und beinhalten mehrere Szenarien mit verschiedenen Entwicklungen beispielsweise der Geburtenrate oder der Zuwanderung nach Deutschland.
Altersdurchschnitt bereits angestiegen
Die Vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes erstreckt sich teils über 50 Jahre bis zum Jahr 2070. Ende des vergangenen Jahres lebten in Deutschland rund 83,2 Millionen Menschen. Das Durchschnittsalter in der Bevölkerung lag laut Statistischem Bundesamt bei 45 Jahren. Zum Vergleich: Im Jahr 1990 hatte der bundesweite Altersdurchschnitt noch bei 39 Jahren gelegen. Die größte Bevölkerungsgruppe bildete damals die sogenannten Babyboom-Generation im Alter zwischen 20 und 35 Jahren. Mit Babybommern sind die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1970 gemeint.
Auch heute bilden die Babyboomer die größte Altersgruppe in der Bevölkerung, mittlerweile "im höheren Erwerbsalter". Ab Mitte der 2030er-Jahre werden diese Jahrgänge dann in die Altersgruppe ab 80 Jahren aufrücken, heißt es in der Vorausberechnung. Die Vorausberechnung geht zudem davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt mindestens 20 Millionen Menschen in Deutschland 67 Jahre oder älter sein werden - etwa vier Millionen Menschen mehr als derzeit. Bereits im Zeitraum zwischen 1990 und 2021 ist die Anzahl der in Deutschland lebenden Menschen ab 70 Jahren von 8,0 Millionen auf 13,5 Millionen Personen gestiegen.
Ab Mitte der 2030er-Jahre werde die Zahl der als hochaltrig geltenden Einwohnerinnen und Einwohner im Alter ab 80 Jahren weiter zunehmen: In den 2050er- und 2060er-Jahren könnte sie von aktuell etwa sechs Millionen auf sieben bis zehn Millionen Menschen steigen.
Westliche Bundesländer und Stadtstaaten besonders betroffen
Von dem Alterungsprozess besonders betroffen werden die westdeutschen Flächenländer und die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sein. Aktuell sind in den westdeutschen Flächenländern 19 Prozent der dort lebenden Menschen 67 Jahre oder älter. Bis zum Jahr 2040 könnte dieser Anteil um bis zu 35 Prozent steigen und sich anschließend stabilisieren. In den Stadtstaaten wird die Zahl der Seniorinnen und Senioren im Jahr 2040 im Vergleich zum jetzigen Zeitpunkt um bis zu 24 Prozent höher liegen. Im Jahr 2070 könnte die Zahl um bis zu 65 Prozent angestiegen sein. Aktuell haben in den Stadtstaaten 17 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner ein Alter ab 67 Jahren.
In den ostdeutschen Flächenländern ist bereits heute mit etwa 24 Prozent ein Viertel der Bevölkerung 67 Jahre oder älter. Hier wird mit einem weiteren Anstieg von zehn bis 17 Prozent gerechnet.
Lebenserwartung wird wohl weiter zunehmen
Einen Grund für den immer größer werdenden Anteil an älteren Menschen in der gesamtdeutschen Bevölkerung sehen die Experten in der über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich angestiegenen Lebenserwartung. Auch für die Zukunft geht die Vorausberechnung von einer wahrscheinlich höher werdenden Lebenserwartung aus, dank verbesserter Lebensumstände, zurückgehendem Tabak- und Alkoholkonsum sowie medizinischem Fortschritt.
Derzeit liegt die durchschnittliche Lebenserwatung bei der Geburt einer Frau bei 83,38 Jahren. Bei Männern sind es 78,54 Jahre. Ausgehend von verschiedenen Szenarien könnten diese Durchschnittswerte im Jahr 2070 bei Frauen zwischen 86,1 Jahren und 90,1 Jahren liegen, bei Männern zwischen 82,6 und 86,4 Jahren.
Sinkende Zahl an Erwerbstätigen
Trotz des zunehmenden Alters der Gesellschaft droht die Zahl der Personen im erwerbstätigen Alter von 20 bis 66 Jahre in Deutschland zu sinken. Aktuell gehören bundesweit 51,4 Millionen Menschen dieser Altersgruppe an. Entscheidende Faktoren bei der künftigen Entwicklung sind unter anderem die Geburtenrate und die Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland.
Die Szenarien der Vorausberechnung kommen zu dem Ergebnis, dass selbst bei hoher Nettozuwanderung bis Mitte der 2030er-Jahre die Zahl der potenziell Erwerbstätigen um mindestens 1,6 Millionen zurückgehen wird. Bei niedriger Nettozuwanderung könnte die Zahl um 4,8 Millionen Personen sinken. Dabei sei in den Flächenländern im Westen Deutschlands mit einer tendenziell schrumpfenden und dann stagnierenden Bevölkerung im Erwerbsalter zu rechnen. In den ostdeutschen Bundesländern werde deren Zahl aus Expertensicht in jedem Fall zurückgehen.
Schrumpfende oder wachsende Bevölkerung?
Auch die gesamte Bevölkerungszahl in Deutschland könnte den Modellen der Experten zufolge künftig deutlich abnehmen. Auch hier ist die Zuwanderung ein entscheidendes Kriterium. So hat sich die Einwohnerzahl allein in diesem Jahr laut Statistischem Bundesamt um rund eine Million auf mehr als 84 Millionen Menschen erhöht, vor allem durch die Zuwanderung infolge des Ukraine-Krieges.
Bei einer moderaten Entwicklung der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung sowie einer moderaten Nettozuwanderung ab dem kommenden Jahr von durchschnittlich etwa 290.000 Menschen jährlich würde die Bevölkerung bis 2031 auf 85 Millionen Menschen anwachsen und dann bis 2070 auf 83 Millionen zurückgehen.
Fällt die Nettozuwanderung niedriger aus - laut Vorausberechnung mit etwa 180.000 Personen pro Jahr -, würde die Bevölkerungszahl auf 75 Millionen Menschen im Jahr 2070 sinken. Bei einem dauerhaft hohen Wanderungssaldo von durchschnittlich 400.000 könnte sie aber auch auf 90 Millionen anwachsen.