Debatte über Arbeitnehmerfreizügigkeit CSU provoziert Koalitionskrach

Stand: 02.01.2014 15:54 Uhr

Die von der CSU angestoßene Diskussion über die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Zuwanderung von Osteuropäern wird zur Belastung für die Koalition. Die SPD verschärfte deutlich den Ton und warf der CSU "dumme Parolen" vor. Selbst die CDU geht nun auf Distanz.

In der Debatte über die angebliche Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien hat sich der Ton in der Koalition verschärft. Aus der SPD kam deutliche Kritik an der CSU. Diese hatte zuvor gefordert, die seit Mittwoch geltende volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Menschen aus Bulgarien und Rumänien einzuschränken.

"Stimmungsmache" und "dumme Parolen"

Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD) warf der Unionspartei in der "Süddeutschen Zeitung" vor, mit "dummen Parolen" Stimmung zu machen. "Die CSU hat Europa nicht verstanden - und offenkundig will sie es auch nicht", sagte er der Zeitung. Das habe sich bereits in den Koalitionsverhandlungen gezeigt. Die CSU beherrsche "noch nicht einmal die Faktenlage", das sei "äußerst gefährlich". Deutschland profitiere als Exportnation von offenen Märkten und Freizügigkeit, so Roth.

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich in der "Süddeutschen Zeitung". Wer die Arbeitnehmerfreizügigkeit infrage stelle, schade Europa und Deutschland, sagte er mit Blick auf die CSU-Forderungen.

"Die europäischen Freiheiten sind der Kern unserer Idee von Europa, die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein unverzichtbarer Teil der europäischen Integration. Deutschland hat davon ungemein und sicher viel mehr als andere profitiert", so Steinmeier.

CDU-Vize geht auf Distanz zur CSU

Unverständnis kommt nun auch vom Unionspartner CDU: Parteivize Armin Laschet sagte im ARD-Mittagsmagazin, er verstehe die derzeitige Diskussion nicht. "Die Einwanderer, die jetzt kommen, brauchen wir", betonte Laschet. Vor allem bei IT-Ingenieuren und im Handwerk gäbe es Nachwuchsbedarf. Arbeitskräfte aus Bulgarien und Rumänien, die jetzt nach Deutschland kommen, könnten den akuten Fachkräftemangel beheben helfen.

"Die Regelung gilt nur für Menschen mit Berufsausbildung, sie zahlen Steuern und Sozialabgaben", so Laschet. Er betonte: "Keiner kann das Sozialsystem missbrauchen." Er reagierte damit auf die Angst der CSU vor einem "Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung".

CSU weist alle Vorwürfe zurück

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, warf der CSU "Quartalsrassismus" vor. Seehofer wies dagegen in der "Bild"-Zeitung den Vorwurf, die CSU fische am rechten Rand, als "absurd" zurück. Zugleich betonte er, dass Maßnahmen gegen EU-Bürger, die zu Unrecht Sozialleistungen in Anspruch nähmen, Bestandteil des Koalitionsvertrags seien.

Auch der Vorsitzende der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, wies die Kritik an seiner Partei zurück: "Es geht darum, Probleme zu lösen, die offenkundig bei der Armutszuwanderung vorhanden sind", sagte er im Bayerischen Rundfunk. Es könne nicht sein, dass man in die rechte Ecke gestellt werde, wenn man das anspreche.

Kritik auch aus der Wirtschaft

Zuvor hatten bereits Wirtschaftsvertreter die CSU-Pläne kritisiert. "Die Unternehmen haben in vielen Bereichen weiterhin Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden - da sind Zuwanderer sehr willkommen", sagte der Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, der "Rheinischen Post". Das gelte nicht nur für Akademiker und hoch qualifizierte Fachkräfte, sondern zunehmend auch für normale berufliche Qualifikationen.

Bundesregierung reagiert zurückhaltend

Die Bundesregierung hatte zurückhaltend auf die CSU-Forderungen reagiert. Das sozialdemokratisch geführte Arbeitsministerium verweist dagegen darauf, dass es keine größeren Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt durch die Freizügigkeit für Bürger aus Rumänien und Bulgarien erwarte.

Nach EU-Recht haben Zuwanderer in den ersten drei Monaten der Arbeitssuche keinen Anspruch auf Unterstützung des Aufnahmelandes. Zuwanderer, die keine Arbeit finden und deren Integration nach einer Einzelfallprüfung aussichtslos erscheint, können innerhalb der ersten fünf Aufenthaltsjahre wieder abgeschoben werden.

CSU-Papier

In dem umstrittenen CSU-Papier heißt es unter der Überschrift "Keine Armutsmigration in die Kommunen begünstigen" wörtlich:

"Wir stehen zur Freizügigkeit in der EU. Eine Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme lehnen wir jedoch ab. Der fortgesetzte Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung gefährdet nicht nur die Akzeptanz der Freizügigkeit bei den Bürgern, sondern bringt auch Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Wir werden falsche Anreize zur Zuwanderung verringern und streben nationale und europäische Lösungen zur Verhinderung von Missbrauch an. In diesem Zusammenhang prüfen wir eine generelle Aussetzung des Bezuges von Sozialleistungen für die ersten drei Monate des Aufenthaltes in Deutschland. Darüber hinaus werden wir die Kommunen dabei unterstützen, Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit zu bekämpfen sowie die Verhängung von Wiedereinreisesperren ermöglichen. Wenn beispielsweise Dokumente gefälscht wurden oder Sozialleistungsbetrug nachgewiesen wurde, muss es eine Möglichkeit geben, die betroffenen Personen nicht nur auszuweisen, sondern auch an der Wiedereinreise zu hindern. Hier muss gelten: 'Wer betrügt, der fliegt.' Gleichzeitig sind die Kommunen aber auch selbst gefordert, ihren Verwaltungsvollzug und die Zusammenarbeit mit dem Zoll zu verbessern."