Corona-Warn-App Risikobegegnung - und dann?
Viele Nutzer der Corona-Warn-App sind verunsichert: Sie bekommen die Begegnung mit einer positiv getesteten Person angezeigt - und zugleich "Niedriges Risiko". Wie kommt es dazu?
Mit steigenden Infektionszahlen bekommen auch immer mehr Nutzerinnen und Nutzer der Corona-Warn-App angezeigt, dass sie in den zurückliegenden Tagen in Kontakt mit einem positiv Getesteten gekommen sind. Doch meist wird das Risiko, sich dabei infiziert zu haben, als "niedrig" angegeben. Das verunsichert viele, weil sie nicht erkennen können, ab wann eine Risikobegegnung als gefährlich eingestuft wird.
Wie also wird das Risiko einer Infektion ermittelt? Denn natürlich macht es einen Unterschied, ob man nur mal kurz an einem Infizierten vorbeigehuscht ist oder sich länger intensiv mit einem unterhalten hat. Auch die Entfernung spielt eine Rolle, denn die verwendete Technologie kann auch Begegnungen von über zehn Metern erfassen, die aber unbedenklich sind.
Begegnungen unter zehn Minuten gelten als unbedenklich
Das Robert Koch-Institut (RKI) als Herausgeber der App hat einen komplizierten Berechnungsschlüssel entworfen. Bei ordnungsgemäßer Nutzung der App wird zunächst erfasst, ob das eigene Smartphone in den vergangenen 14 Tagen einem anderen Smartphone begegnet ist, dessen Nutzer ein positives Testergebnis in die App eingetragen hat. Im nächsten Schritt wird abgeschätzt, wie groß die Ansteckungsgefahr dabei war.
Dabei werden Begegnungen, die weniger als zehn Minuten gedauert haben, als unbedenklich eingestuft - egal, wie nahe sich die Smartphones dabei gekommen sind. Das gleiche gilt für Begegnungen, bei denen die Smartphones im Durchschnitt mehr als acht Meter voneinander entfernt waren - unabhängig davon, wie lange die Begegnung insgesamt dauerte. In solchen Fällen wird das Risiko als niedrig angezeigt, auch wenn die Kontaktperson positiv getestet wurde.
Berechnung erfolgt aufgrund vieler Kriterien
Dauerte hingegen der Kontakt mindestens zehn Minuten bei einer Entfernung von unter 1,5 Metern, ist das Risiko, sich infiziert zu haben, recht hoch. Auf der App wird dann "erhöhtes Risiko" angezeigt und erklärt, was man als nächstes tun sollte. Kompliziert wird es, wenn Begegnungen zwischen diesen klar definierten Bereichen stattfanden - wenn man beispielsweise im Bus 15 Minuten lang drei Meter von einer Person entfernt saß, die später positiv getestet wurde.
Dann fließen noch weitere Faktoren in die Berechnung mit ein, etwa wie viele Tage seit der Begegnung vergangen sind - entsprechend unterschiedlich ist die Infektiosität - oder ob es an einem Tag mehrere solcher vagen Begegnungen mit positiv Getesteten gegeben hat. Die App-Entwickler haben die genaue Risikoermittlung auf dem Online-Dienst "GitHub", wo sie auch den Quellcode der App offengelegt haben, veröffentlicht. Die Kriterien - etwa was Abstand oder Entfernung angeht - wurden "anhand von Erfahrungswerten unter Berücksichtigung der aktuell vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse" festgelegt. Auch dieses mathematischen Verfahren ist - auf englisch - einsehbar.
Ungenauigkeit durch Bluetooth-Technologie
Dennoch bleibt bei aller Wissenschaft auch eine gewissen Ungenauigkeit - zum Beispiel aufgrund der Technik. Denn die Smartphones sind nicht dafür ausgelegt, exakte Entfernungen im Nahbereich zu ermitteln. Das geschieht aufgrund der gemessenen Abschwächung des Bluetooth-Signals, das vom Handy ausgesendet wird. Wenn es Hindernisse zwischen zwei Smartphones gibt - beispielsweise durch Körper oder wenn Handys in Handtaschen liegen - wirkt sich das negativ auf die Signalstärke und somit auf die berechnete Entfernung aus.
Ebenso wird nicht erfasst, ob ein Mund-Nasen-Schutz getragen wurde. Oder ob Begegnungen im Freien oder in geschlossenen Räumen stattfanden, was bei der Übertragung durch Aerosole eine große Rolle spielt. Zudem findet der Austausch zwischen zwei Handys nur in Intervallen statt, die bis zu fünf Minuten auseinanderliegen können.
Darüber hinaus kann es zu weiteren zeitlichen Verzögerungen kommen, etwa wenn ein positiv Getesteter das Testergebnis nicht sofort in die App einträgt. Und auch die Kontaktüberprüfung, die darüber informieren soll, ob man Kontakt zu Infizierten hatte, findet nur alle 24 Stunden statt.
Zahl der Positivkennungen hat sich mehr als verdreifacht
Bislang wurde die Corona-Warn-App in Deutschland 17,2 Millionen Mal heruntergeladen. Wie viele Personen durch sie gewarnt wurden, ist nicht bekannt, da die Kontaktüberprüfung aus Datenschutzgründen anonym nur auf dem Smartphone und nicht auf einem zentraler Server erfolgt.
Ebenso ist unklar, wie viele Nutzer ein positives Testergebnis in die App eingetragen haben. Das RKI teilte lediglich mit, dass seit dem 16. Juni insgesamt 1679 sogenannte "teleTANs" ausgegeben wurden. Diese waren in den ersten Wochen nötig, um ein positives Testergebnis in die App einzutragen und Missbrauch zu verhindern. Allerdings kann mittlerweile auch ein positives Testergebnis anhand eines QR-Codes - ohne teleTAN - eingegeben werden.
Nach Berechnungen von tagesschau.de hat die Zahl der Positivkennungen in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen. Demnach hatten vor einem Monat im Schnitt rund zwanzig Personen pro Tag einen positiven Corona-Test per App gemeldet. In den vergangenen 14 Tagen waren es im Schnitt mehr als 70 pro Tag.
Hintergrundprobleme noch nicht ganz behoben
Die Probleme mit der Hintergrundaktualisierung, die Ende Juli von tagesschau.de aufgedeckt wurden, sind noch nicht ganz behoben. Bundesregierung und Entwickler empfehlen daher, die App einmal täglich zu öffnen, um die Kontaktüberprüfung sicherzustellen. Außerdem sollten Nutzerinnen und Nutzer darauf achten, die aktuellste Version des Smartphone-Betriebssystems und der App installiert zu haben.
Die App ist in den Stores von Google und Apple erhältlich und soll helfen, Infektionsketten nachzuverfolgen und zu unterbrechen. Außerdem kann sie dazu beitragen, dass Menschen nach einem Coronavirus-Test möglichst schnell ihr Testergebnis digital erhalten und über die App anonym mögliche Kontaktpersonen warnen können, wenn diese auch die App installiert haben.