Corona-Infizierte Lauterbach gegen Ende der Isolationspflicht
"Infizierte müssen zu Hause bleiben" - mit deutlichen Worten stellt sich Gesundheitsminister Lauterbach gegen die Forderung von Kassenärztechef Gassen. Dieser hatte dafür plädiert, alle Corona-Isolationspflichten aufzuheben.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat Forderungen nach einem Ende der Isolationspflicht für Corona-Infizierte abgelehnt. "Infizierte müssen zu Hause bleiben", schrieb der SPD-Politiker auf Twitter. "Sonst steigen nicht nur die Fallzahlen noch mehr, sondern der Arbeitsplatz selbst wird zum Sicherheitsrisiko."
Kassenärztechef Andreas Gassen hatte zuvor eine Aufhebung aller Corona-Isolations- und Quarantänevorgaben gefordert. "Dadurch würde die Personalnot vielerorts gelindert", sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). "Wir müssen zurück zur Normalität. Wer krank ist, bleibt zu Hause. Wer sich gesund fühlt, geht zur Arbeit." "So halten wir es mit anderen Infektionskrankheiten wie der Grippe auch", betonte Gassen.
Gassen: Personalengpässe entschärfen
Die Infektionszahlen seien zwar seit Monaten sehr hoch. Und da gleichzeitig weniger getestet werde, "können wir zusätzlich von Hunderttausenden von nicht erkannten Ansteckungen pro Tag ausgehen", sagte der KBV-Chef. "Aber: Die Verläufe sind fast immer milde." Problem seien damit "nicht die vielen Infektionen, sondern, dass positiv Getestete auch ohne Symptome mehrere Tage zu Hause bleiben, in Isolation geschickt werden", sagte Gassen. Dadurch entstünden "Personalengpässe in den Kliniken und anderswo".
Gassen plädierte in der "NOZ" dafür, die Omikron-Mutante "fast als 'Friedensangebot des Virus'" zu sehen. Wer sich nach Dreifachimpfung anstecke, profitiere "sogar von einer Infektion, indem er oder sie eine Schleimhautimmunität erwirbt". Gegen schwere Verläufe seien Geimpfte gut geschützt. Niemand sollte sich deshalb aber aktiv anstecken, sagte der KBV-Chef. "Aber wir können uns nicht dauerhaft vor dem Virus verstecken. Und wir sind das letzte Land in Europa, das noch derart aufgeregt über einen Corona-Notstand diskutiert."
Brysch: "Gassen spielt mit Gesundheit der Menschen"
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hielt Gassen "Opportunismus" vor. "Die Isolation schützt. Denn so wird verhindert, dass sich andere anstecken. Long- und Post-Covid sind die Folgen. Schon über fünf Millionen Genesene leiden darunter." Gassen spiele mit der Gesundheit der Menschen, so Brysch.
Gassen warf Lauterbach in der NOZ außerdem eine "falsche" Impfstrategie vor, bei der bis zu hundert Millionen Euro verschwendet würden. Lauterbach plane bis zu 60 Millionen Impfungen im Herbst und Winter, so Gassen.
Nur 30 Millionen Impfungen - statt 60
Nach einer Kalkulation seiner Vereinigung sei jedoch nur mit höchstens 30 Millionen Impfungen zu rechnen. Dabei seien ein zweiter Booster für alle ab 60, ein erster Booster für alle Jüngeren und ein üppiges Kontingent für Ungeimpfte großzügig eingerechnet.
Das Ziel der Bundesregierung von 50 bis 60 Millionen Impfungen "ist unseres Erachtens unrealistisch", sagte Gassen. Sollte Lauterbach wie von Medien berichtet mehr als 200 Millionen Dosen bestellt haben, "ist zu erwarten, dass Impfstoff im Wert von möglicherweise hundert Millionen Euro oder mehr weggeworfen werden muss".
Gassen gegen pauschale vierte Impfung
Der Kassenärztechef kritisierte außerdem den Rat des Gesundheitsministers an unter 60-Jährige, sich rasch eine zweite Boosterimpfung zu holen. "Unter anderem aus israelischen Studien wissen wir, dass ein zweiter Booster bei jüngeren Gesunden nicht sinnvoll ist", betonte Gassen.
Auch im kommenden Herbst sehe er dafür aktuell keine Notwendigkeit, solange es nicht neue und deutlich gefährlichere Varianten gebe, ergänzte Gassen.
Auch STIKO-Chef widerspricht Lauterbach
Vor einer Woche hatte sich bereits auch der Chef der Ständigen Impfkommission (STIKO) gegen breite Viertimpfungen auch für jüngere Menschen ausgesprochen - und sich damit gegen die jüngste Empfehlung des Gesundheitsministers gewandt. Er kenne keine Daten, die einen solchen Ratschlag rechtfertigten, sagte Thomas Mertens der "Welt am Sonntag" und fügte hinzu: "Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto 'Viel hilft viel' auszusprechen."
Kritik an der Empfehlung gab es daraufhin auch von der mitregierenden FDP. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem Portal "t-online": "Herr Lauterbach tut meiner Meinung nach gut daran, der STIKO bei Impfempfehlungen nicht vorauszugreifen."