Corona-Pandemie Was der Expertenrat für den Herbst empfiehlt
Noch ist unklar, was der Corona-Herbst bringt. Der Expertenrat der Bundesregierung hat seine Stellungnahme über nötige Vorbereitungen vorgelegt. Welche Maßnahmen notwendig werden, hängt demnach von verschiedenen Szenarien ab.
Wie ist die Ausgangslage?
Die Corona-Lage in Deutschland scheint stabil. Doch ab dem Herbst ist mit steigenden Infektionszahlen zu rechnen. Klar ist, dass sich das Gesundheitswesen darauf vorbereiten muss.
Vergleichbar mit den vorherigen Pandemiejahren ist die Lage allerdings nicht. Der Expertinnen-Rat der Bundesregierung spricht in seiner Stellungnahme von einem aktuell hohen Immunisierungsgrad in der Bevölkerung, "gleichzeitig treten Virusvarianten mit verringerter Krankheitsschwere auf". Allerdings bestehe durch nachlassenden Schutz gegen eine Infektion und der weiterhin bestehenden Impflücke eine "relevante Immunitätslücke".
Was sind mögliche Szenarien?
Der Expertinnenrat hat in seiner Stellungnahme drei Szenarien entworfen. Der "günstigste" Fall geht von einer im Vergleich zu Omikron harmloseren Variante aus. Dann wären keine stärker eingreifenden Schutzmechanismen notwendig. Der Schutz könnte sich auf Risikopersonen beschränken. Durch mehr Infektionen (auch durch andere Viren wie Influenza) käme es aber trotzdem zu Belastungen im Gesundheitswesen vor allem im Kinderbereich und zu vermehrten Arbeitsausfällen.
Das sogenannte "Basisszenario" geht von gleichbleibender Corona-Krankheitslast und gehäuften Infektionen und Arbeitsausfällen aus. Trotz angenommener moderater Belastung könnten dann erneut "flächendeckende Maßnahmen" wie Masken und Abstand in Innenräumen und nach regionaler Maßgabe Kontaktbeschränkungen erforderlich werden.
Das "ungünstigste Szenario" ist eines, in dem eine neue Virusvariante dominiert, die sowohl ansteckender als auch krankmachender ist. Auch vollständig Geimpfte wären dann ohne Zusatzimpfung von schweren Verläufen nicht verschont. Intensiv- und Normalstationen der Krankenhäuser wären stark belastet. Allgemeine Schutzmaßnahmen wie Maskenpflicht und Abstandsgebot wären notwendig und könnten erst im Frühjahr 2023 zurückgenommen werden.
Was wird im Herbst und Winter wichtig?
Eine generelle und vorausschauende Vorbereitung auf alle genannten Szenarien sei unerlässlich, so das Gremium. "Besonders wenn eine Überlastung des Gesundheitswesens droht und eine neue besorgniserregende Variante auftritt, ist eine schnelle Reaktion notwendig." Dafür braucht es aus Sicht der Expertinnen und Experten:
- Solide rechtliche Grundlage für Infektionsschutzmaßnahmen
- Zentrale Koordination der Pandemiemaßnahmen zwischen Bund und Ländern
- Bundesweit möglichst einheitliche und schnelle Kommunikation
- Deutliche Verbesserung des frühzeitigen Patientenzugangs zu antiviraler Medikation
- Verstetigung des bundesweiten Kleeblattkonzeptes zur strategischen Patientenverlegung
- Festlegung des Umgangs neuen besorgniserregenden Varianten insbesondere im Reisekontext
Welche Rolle spielen Impfungen und Maßnahmen?
Weiterhin bleiben Impfung und Infektionsschutzmaßnahmen die wichtigsten Maßnahmen zur Prävention. Laut Expertinnenrat besonders wichtig dabei: Einheitliche, klare und verbindliche Kriterien. "Spezifische Maßnahmen", insbesondere bei Risikopersonen, sollen die Erkrankungen eindämmen, etwa durch frühzeitiges Verabreichen antiviraler Medikamente. Auch die Förderungen von Therapiemöglichkeiten und Studien wird genannt.
Schutzmaßnahmen sollen mittels eines Werkzeugkastens schnell und ausgewogen eingesetzt werden können. Hygienemaßnahmen für Einrichtungen und Betriebe sollen weiterentwickelt werden.
Der Zugang zu Informationen, aber auch zu Impfungen soll erleichtert werden und die Impfkampagne dadurch intensiviert werden. Genannt werden etwa mobile Impfteams, Impfaufklärung an Schulen und reaktivierbare Impfzentren. Denn: Der weiteren Erhöhung der Impfquote, aber auch den Auffrischungsimpfungen komme eine zentrale Bedeutung zu.
Was gilt für Kinder und vulnerable Gruppen?
Sehr betagte beziehungsweise vorerkrankte Menschen sowie Kinder und Jugendliche müssen besonders geschützt werden. Der Expertenrat betont aber auch: "Die Sicherung der sozialen Teilhabe durch Schul- und Kitabesuch sowie sportliche und kulturelle Aktivitäten muss weiterhin Priorität genießen".
Da bei einer starken Infektionswelle ab dem Herbst mit Engpässen vor allem in Kinderkliniken zu rechnen sei, fordert das Gremium dort mit Personal gezielt zu unterstützen. Außerdem soll es etwa mehr gezielte Impfaufklärung und -angebote geben, verpflichtende CO2-Messung an Schulen, angepasste Hygiene- und Schutzmaßnahmen sowie eine verstärkte Erforschung und Versorgung der psychischen Auswirkungen der Pandemie.
Wie soll weiter getestet werden?
Bei einer stabilen Infektionslage könne die Zahl der Tests beschränkt werden auf symptomatische Fälle, bei begründetem Verdacht oder zum Schutz von Risikogruppen. Die Testinfrastuktur soll aber bei Bedarf im Herbst und Winter schnell wieder reaktiviert werden können. In Krankenhäusern und anderen Einrichtungen soll es ein regelmäßiges Screening auf Corona- und Influenzaviren geben. Der Rat betont die Wichtigkeit einer systematischen Datenerhebung und eines digitales Echtzeitlagebildes.
Auch Analyse und Bewertung der Daten sehen die Expertinnen und Experten als entscheidend an. Die Daten sollten weiterhin kontinuierlich und systematisch analysiert, aufbereitet und bewertet werden. "Ein niedrigschwelliger Zugang zu allen relevanten Daten sollte für die Wissenschaft maschinenlesbar hergestellt und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden". Dazu gehört etwa eine Prognose der Krankenhausbelastung, eine kontinuierliche Bewertung von Teststrategie und Schutzmaßnahmen sowie ein Monitoring von Impfverhaltens und der Schutzmaßnahmen.
Wie geht es weiter?
Bundesjustizminister Marco Buschmann will erst nach der geplanten wissenschaftlichen Beurteilung der Corona-Schutzmaßnahmen über die Regeln für den Herbst entscheiden. Ende Juni soll ein Expertengremium eine Evaluierung der Maßnahmen vorlegen. "Zwischen dem 30. Juni und dem Ende der Sommerpause werden wir gemeinsam mit den Ländern beraten, was zu tun ist", sagte Buschmann. Das habe die Bundesregierung auch mit der Ministerpräsidentenkonferenz besprochen. Die derzeit geltende Fassung des Infektionsschutzgesetzes läuft am 23. September aus.