Reichstagsgebäude "Ich möchte das Parlament nicht verbarrikadieren"
Nachdem Demonstrierende gegen die Corona-Politik am Wochenende Absperrungen am Reichstagsgebäude überwanden, soll dessen Sicherheit Thema im Ältestenrat werden. Das kündigte SPD-Generalsekretär Klingbeil an.
Nach der Eskalation der rechtsextremen Kundgebung vor dem Berliner Reichstagsgebäude während der Corona-Proteste soll sich der Ältestensrat des Bundestags mit der Angelegenheit befassen. Es sei eine "Sondersitzung des Gremiums" einberufen worden, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im ARD-Morgenmagazin. Es müsse mit dem Berliner Senat geredet werden, wie das Parlament zu schützen sei. "Ich möchte das Parlament nicht verbarrikadieren", so Klingbeil. Doch "diese Bilder schaden Deutschland im internationalen Ansehen", sagte er mit Blick auf die Ereignisse vom Samstagabend.
Demonstrierende gegen die Corona-Politik der Bundesregierung - unter ihnen viele Rechtsextreme - hatten Absperrgitter am Reichstag in Berlin überwunden. Nach Schätzungen der Polizei handelte es sich um 300 bis 400 Menschen. Sie stiegen danach die Treppe des Gebäudes hoch, wobei schwarz-weiß-rote Reichsflaggen und andere Fahnen zu sehen waren: Ein "Bild, von dem die gesamte rechtsextremistische Szene seit Tagen phantasiert" habe, so RBB-Reporter Olaf Sundermeyer in den tagesthemen. Anfangs stellten sich nur drei Polizisten der grölenden Menge entgegen, wie aus Videoaufnahmen hervorgeht. Nach einer Weile kam Verstärkung, die Polizei drängte die Menschen auch mit Hilfe von Pfefferspray zurück.
Auch die Union plädierte nach den Vorfällen für eine Sitzung des Ältestenrats. Der Parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer sagte, dort müsse der Vorfall und die daraus notwendigen Schritte aus Parlamentssicht beraten werden.
Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sprach sich in der Sicherheitsdebatte für einen weiterhin offenen Reichstag aus. "Wir sind kein Hochsicherheitstrakt", sagte sie im Deutschlandfunk. "Der Bundestag ist und bleibt ein offenes Haus, das Bürgerinnen und Bürger, das Gäste aus der ganzen Welt empfängt, einlädt, unsere Demokratie zu erleben." Um dennoch Situationen wie am Wochenende zu verhindern, brauche es ein Sicherheitskonzept. Das müsse man auf der Berliner Ebene und im Haus diskutieren, so Roth.
Klingbeil kritisiert Verfassungsschutz
SPD-Generalsekretär Klingbeil kritisierte im ARD-Morgenmagazin den Verfassungsschutz dafür, dass dieser im Vorfeld der Demonstrationen mitgeteilt hatte, er sehe keine Anzeichen für eine Unterwanderung der Proteste durch Rechtsextreme. Man dürfe aber nicht nur empört sein, so Klingbeil, "sondern wir müssen uns jetzt ganz klar damit auseinandersetzen, dass wir ein wachsendes Problem mit Rechtsextremismus in Deutschland haben - seit Jahren". Klingbeil stellte sich außerdem hinter Berlins Innensenator Andreas Geisel, der ursprünglich ein Verbot der Proteste angestrebt hatte.
Geisel verteidigte im RBB die Vorkehrungen der Berliner Polizei am Reichstagsgebäude. Bezogen auf die Überwindung der Absperrungen durch die Demonstranten sagte Geisel, das sei "ein Moment von ein, zwei Minuten" gewesen und das sei auszuwerten. "Aber es war nicht so, dass der Deutsche Bundestag nicht geschützt gewesen sei." Aufgrund von weiteren Ausschreitungen nahe der russischen Botschaft unweit des Parlaments hätten Einsatzkräfte dort aushelfen müssen.
Zuvor hatten Politiker von CSU und Grünen angeregt, die Beschränkungen für Demonstrationen in unmittelbarer Nähe des Bundestags zu erweitern - etwa durch eine strengere Bannmeilen-Regelung. Mit Ausnahme der AfD, die auch zur Teilnahme an den Protesten aufgerufen hatte, verurteilten alle im Bundestag vertretenen Parteien die Eskalation der Demonstrationen am Wochenende. Auch die fehlende Distanz der Teilnehmer zu Rechtsextremen wurde scharf kritisiert.