Hintergrund

Parteitag soll Profil schärfen Der Balanceakt der CDU

Stand: 13.11.2010 16:29 Uhr

Mit einer inhaltlichen Profilierung soll der Parteitag der CDU in den kommenden Tagen den Weg aus dem Umfragetief weisen. Doch wie konservativ muss die Partei sein und wie modern darf sie sein? Denn sie will neue Wähler binden und verlorene Stammwähler zurückgewinnen.

Von Anita Fünffinger, BR, ARD-Hauptstadtstudio

Wer wissen will, wo die CDU steht, der muss einfach auf die Internetseite der Partei schauen. "Die Mitte - CDU" ist da zu lesen. Somit ist doch alles klar - wären da nicht die Flügel der Partei. "Eine Volkspartei wie die CDU muss natürlich stark ausgeprägte Flügel haben", sagt Wahlforscher Richard Hilmer, der Chef von Infratest dimap. "Sie sollte ein Zentrum haben, das dirigiert und die Richtung angibt. Sie sollte aber auch zwei möglichst gleich starke Flügel haben - ansonsten, das kennt man aus der Vogelwelt, wird das ganze unrund und eigentlich nicht lebensfähig."

Verluste bei konservativen Wählern

Hilmer beobachtet den Flügelkampf der CDU schon länger mit großer Aufmerksamkeit. Der linke Flügel schlägt mittlerweile kräftiger, der rechte Flügel lahmt etwas, der Vogel gerät ins Trudeln. Das hat auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach bemerkt und gleich eine Warnung hinterhergeschickt: "Vielleicht gibt es in der CDU hier und da die Überlegung, die konservative Klientel müsste man nicht besonders ansprechen, die würde ja ohnehin CDU wählen." Aber diese Rechnung könne auch danebengehen. "Denn man hat ja auch die Alternative, zu Hause zu bleiben oder FDP zu wählen", sagt Bosbach.

Genau das ist passiert. Viele konservative Wähler wanderten bei der Bundestagswahl 2009 zur FDP ab, weil ihnen die Angebote der CDU nicht mehr gefielen. Die Partei war ihnen in der Großen Koalition schlicht zu links geworden. Staatlich geförderte Kurzarbeit wurde ständig verlängert. Die Finanz- und Wirtschaftskrise zwang insgesamt zu milliardenschweren staatlichen Programmen, und plötzlich sollten auch Väter per Elterngeld zu Hause beim Kind bleiben. Das habe bei anderen Wählergruppen aber gefruchtet, sagt Wahlforscher Hilmer. Die Partei habe Personen gefunden, die es geschafft hätten, bestimmte Gruppen anzusprechen: Für junge, beruftstätige Frauen zum Beispiel Ministerin Ursula von der Leyen und für die Ostdeutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere. Das habe sich bei der Bundestagswahl 2009 ausgezahlt. "Denn tatsächlich schnitt die Union bei diesen beiden Bevölkerungsgruppen - jungen berufstätigen Frauen und bei den Ostdeutschen - gut ab. Zum Teil besser als bei der vorherigen Wahl", erläutert Hilmer.

CDU punktet bei jungen Frauen

Die jungen Frauen sind ihm zufolge der größte Gewinn, den sich die moderne CDU auf die Fahnen schreiben kann. Die berufstätige siebenfache Mutter von der Leyen ist das beste Beispiel dafür. Ihre Nachfolgerin im Amt der Familienministerin, Kristina Schröder, 20 Jahre jünger, soll von der Leyens Weg weitergehen. "Wir halten an unseren konservativen Zielen fest: Wir sehen die Familie als Basis der Gesellschaft, wir sehen die Ehe als Leitbild, und wir wollen, dass möglichst viele Kinder geboren werden, Familie gelebt wird", sagt Schröder. "Aber um diese konservativen Ziele zu erreichen, brauchen wir neue Mittel. Und bei diesen neuen Mitteln, da sind wir modern, da sind wir meinetwegen auch progressiv."

Wie das geht, muss Schröder nun ausgerechnet bei der Weiterentwicklung des Elterngelds beweisen. Denn schließlich soll es ab 2013 neben der Lohnersatzleistung Elterngeld auch das Betreuungsgeld geben - für die Mütter und Väter, die bewusst zu Hause erziehen. Eigentlich prima, könnten sich die Strategen in der CDU denken. Für die moderneren Berufstätigen das Elterngeld, für das alte klassische Rollenmodell das Betreuungsgeld. Aber das ist - laut Wahlforscher Hilmer - falsch gedacht. Es seien Spannungen erkennbar. "Dieses Betreuungsgeld soll ja dazu führen, dass gesellschaftliches Potenzial, die Bildung, stärker genutzt werden kann. Aber die gesellschaftlichen Probleme liegen eher an anderer Stelle: dort, wo Defizite im erzieherischen Bereich, im Bildungsbereich, herrschen", sagt Hilmer. Soll heißen: Die CDU darf beim Betreuungsgeld eben nicht nur die fürsorgliche Mama im Blick haben, sondern auch die bildungsfernen Eltern, die das Geld vom Staat in die eigene Tasche stecken statt in die Kinder.

Den einen zu konservativ, den anderen nicht konservativ genug

Familie, Bildung, Umwelt - es sind so viele Themen, bei denen die CDU in den vergangenen Jahren auch jüngere Wähler angesprochen hat - und dabei ein paar alte verloren hat. Das ist ganz deutlich zu sehen an einer speziellen Frage, die Infratest dimap erst kürzlich gestellt hat. "Ist die CDU alles in allem zu konservativ, zu wenig konservativ oder genau richtig aufgestellt?", lautete die Frage. Die meisten, nämlich 37 Prozent, antworteten: genau richtig. Es passt, wie es ist. Jeder Fünfte sagte, die CDU sei zu konservativ. Und jeder Dritte fand die Partei zu wenig konservativ. Das zeigt das Dilemma. Für ein Drittel ihrer Wähler müsste die CDU wieder konservativer werden. Schaut man aber auf die Antworten der Jungen, torpedierte ein solcher Plan die Absicht, auch weiterhin bei den 18- bis 29-Jährigen für sich zu werben. In dieser Altersgruppe sagt nämlich die Hälfte, die CDU sei zu konservativ.

Genau das wird die Herausforderung für die kommenden Jahre, sagt Hilmer voraus. Denn eigentlich kann die CDU weder auf die alten Konservativen, aber schon gar nicht auf die jungen Modernen verzichten: "Wenn sie diese Wähler dauerhaft halten oder wieder zurückgewinnen will, dann muss sie auch weiterhin dieses breite Angebot bereithalten", so der Wahlforscher. "Sie kann sich da nicht zurückziehen auf das Konservative. Aber sie muss es natürlich auch im Programmangebot unbedingt behalten. Denn das ist immer noch eher der Kern, der mit der CDU verbunden wird. Das ist das, was sie im Wesentlichen unterscheidet von der SPD, von der FDP, von anderen Parteien."