Parteitag in Hannover Christdemokraten beschließen Grundwertecharta
Die CDU hat auf ihrem Parteitag eine Grundwertecharta verabschiedet, mit der sich die Partei auf ihre Grundüberzeugungen besinnen will. Außerdem beschlossen die Delegierten die Forderung nach einem verpflichtenden Gesellschaftsjahr.
Die CDU hat auf ihrem 35. Parteitag in Hannover eine Grundwertecharta beschlossen. Der Vorsitzende der Programm- und Grundsatzkommission, Carsten Linnemann, betonte, dass sie die Partei nicht neu erfinden solle, sondern eine Besinnung auf die Grundüberzeugungen darstelle. Das Papier soll die Leitlinien für das Grundsatzprogramm vorgeben, dass zehn Fachkommissionen bis Anfang 2024 erarbeiten sollen.
Nach der Wahlniederlage bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr will sich die Partei künftig ein klareres Profil geben. Das letzte Grundsatzprogramm der CDU stammt aus dem Jahr 2007.
Laut dem Vorsitzenden der federführenden Fachkommission, dem Mainzer Historiker Andreas Rödder, halte die Charta am Dreiklang von "christlich, sozial und konservativ" fest. Entsprechend sei sie geprägt von den Kerngedanken der katholischen Soziallehre von Personalität, Subsidiarität und Solidarität sowie von der "anti-ideologischen Feststellung, dass Politik immer nur vorletzte Antworten gebe". Gleichzeitig sehe sich die CDU "den Traditionen der Aufklärung verpflichtet und steht allen Menschen offen, die - unabhängig von der eigenen religiösen Überzeugung - ihre Grundwerte teilen".
Neuer Zusatz "bürgerlich" und Bekenntnis zum "C"
Neu hinzugekommen ist demnach der Zusatz "- und im besten Sinne bürgerlich". Rödder fügte hinzu, die Kommission habe das "C" neu ausbuchstabiert. Dabei habe man entdeckt, "welche Substanz das 'C' hat und welche Unterscheidungskraft dem innewohnt". Christdemokratische Politik denke von der Person her und nicht von Gruppenzugehörigkeiten. Das unterscheide die CDU "von einer identitären Politik von Rechts wie von linker Identitätspolitik", so der Historiker.
Rödder verteidigte zudem den Begriff "bürgerlich". Er markiere keinen Gegensatz zum "C", sondern beide ergänzten sich. Ein Antrag, ihn durch "christdemokratisch" zu ersetzen, fand keine Mehrheit.
Debatte über Begriff "Gleichstellung"
Lange Diskussionen gab es vor der Verabschiedung über eine Passage, in der die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau gefordert wird. Mehrere Anträge schlugen vor, das Wort durch "Gleichberechtigung" oder "Chancengleichheit" zu ersetzen. Redner stellten das Wort "Gleichstellung" in den Kontext einer linken Politik, die Vorgaben für gesellschaftliche Fragen mache und nicht dem Profil der CDU entspreche.
Der Parteitag entschied sich schließlich für die Beibehaltung des Begriffs mit einer Mehrheit von 434 gegen 356 Stimmen bei 15 Enthaltungen.
CDU für verpflichtendes Gesellschaftsjahr
Weiterhin sprachen sich die Delegierten für die bundesweite Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahrs aus und lehnten eine freiwillige Variante ab. Als Gesellschaftsjahr verstehe man einen Dienst, "der es allen jungen Menschen ermöglicht, sich zeitweilig und konkret für unser Land und für unsere Gesellschaft zu engagieren", heißt es in dem Antrag, den unter anderem die stellvertretenden Bundesvorsitzenden Carsten Linnemann und Silvia Breher sowie Junge-Union-Chef Tilman Kuban initiiert hatten.
Dieser hatte aber zunächst offen gelassen, ob es sich um eine Pflicht oder einen Freiwilligendienst handeln solle. In der Begründung heißt es: "Viele Menschen bewegen sich nur noch in digitalen und sozialen Echokammern. Für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft ist eine solche Entwicklung Gift." Außerdem fördere ein Gesellschaftsjahr die Persönlichkeitsentwicklung und mache den Staat widerstandsfähiger.
Weite Auswahl und "attraktives Dienstgeld"
Wo die jungen Menschen den Dienst absolvieren können, solle möglichst flexibel ausgelegt werden, "sei es bei sozialen Einrichtungen, in Krankenhäusern, bei der Bundeswehr, im Zivilschutz beim THW oder bei der Feuerwehr, über anerkannte Hilfsorganisationen im Ausland oder im Sport und in der Kultur oder bei Natur- und Umweltschutzverbänden".
Entlohnt werden solle der Dienst durch ein "attraktives Dienstgeld". Der Antrag sieht vor, dass das Dienstjahr "in der Regel unmittelbar nach dem Schulabschluss" absolviert werden soll, eine entsprechende Rechtspflicht solle mit Vollendung des 18. Lebensjahrs eintreten, wobei auch ein früheres Absolvieren möglich sein solle.
Parteitag stimmt für Einführung von Frauenquote
Gestern hatte die CDU nach jahrzehntelangem Streit zudem eine abgestufte Frauenquote bei der Vergabe von Parteiämtern beschlossen. Die Delegierten stimmten mit 559 Stimmen gegen 409 Stimmen für einen Kompromissvorschlag des Bundesvorstands.
Von 2023 an müssen damit bei Vorständen ab der Kreisebene ein Drittel der Posten mit Frauen besetzt werden, ab 2024 sind es 40 Prozent und ab Mitte 2025 dann 50 Prozent. Die Regelung soll bis 2029 befristet sein.