Forderung der Unionsinnenminister Burkaverbot - neuer Streit in der Koalition
In wenigen Tagen treffen sich die Unionsinnenminister, um die "Berliner Erklärung" zu verabschieden, die ein Burkaverbot fordert. Das Thema ist allerdings nicht neu. Die SPD reagierte erneut ablehnend - aber auch die Union ist uneins.
Die Terrorangriffe in Würzburg und Ansbach sowie der Amoklauf in München haben die Sicherheitsdebatte in Deutschland angeheizt. Bundeskanzlerin Angela Merkel präsentierte Ende Juli einen Neun-Punkte-Plan für mehr Sicherheit, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nutzte die Chance, um die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inland auszuweiten, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière legte ein neues Sicherheitspaket vor.
Die Debatte über die innere Sicherheit wird von Unionspolitikern nun mit einem möglichen Burkaverbot vermengt. Die Forderung danach findet sich ebenso in der "Berliner Erklärung" der Unionsinnenminister, wie Forderungen nach der Einschränkung der doppelten Staatsbürgerschaft.
In der gestrigen CDU-Vorstandssitzung, an der erstmals nach ihrem Urlaub auch Merkel wieder teilnahm, gab es nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters eine längere Debatte über ein solches Verbot. "Wenn die Innenminister keinen ausreichend guten Vorschlag machen, werden wir einen Antrag zum Bundesparteitag im Dezember vorlegen", zitiert die Agentur daraus unter Berufung auf die Befürworter eines Vollverschleierungsverbots. Dazu zählen CDU-Vize Julia Klöckner und Präsidiumsmitglied Jens Spahn sowie der Berliner Innensenator Frank Henkel und Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier - in beiden Ländern wird im September ein neues Parlament gewählt.
"Vollverschleierung passt nicht in unsere Gesellschaft"
Auch Sachsens-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) kann sich ein Burkaverbot vorstellen. Dies sei aber keine Frage der inneren Sicherheit, sondern der Integration, sagte er dem Deutschlandfunk. "Eine Vollverschleierung passt nicht in unsere Gesellschaft."
Ähnlich begründete Klöckner ihre Haltung. "Ich bin für ein Vollverschleierungsverbot aus frauenpolitischen und integrationspolitischen Gründen." Man könne nicht einerseits die Gleichberechtigung von Frauen etwa in Vorständen von Unternehmen verlangen, aber die von Männern angeordnete Vollverschleierung als "kulturelle Vielfalt" abtun.
De Maizière lehnt Burkaverbot ab
Dagegen hält Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wenig von einem Verbot. Nach Reuters-Informationen soll er erneut auf die rechtlichen Probleme eines Verbots hingewiesen haben. Zudem liege die Zuständigkeit wohl eher bei den Ländern, nicht beim Bund. Bereits am Wochenende hatte er den Forderungen im "Tagesspiegel am Sonntag" mit den Worten eine Absage erteilt: "Man kann nicht alles verbieten, was einem nicht gefällt."
Tatsächlich ist im Grundgesetz die freie Religionsausübung garantiert - für Einschränkungen gelten hohe Hürden. Bereits 2012 befasste sich der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages mit dem Verbot - die Burka ist schließlich nicht zum ersten Mal ins Visier von Politikern geraten. In seinem Gutachten schrieb er damals: "Ein generelles Verbot der Burka im öffentlichen Raum verstößt gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes und lässt sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen." Zudem habe eine Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, der einzelne Bürger kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen verschont zu bleiben.
SPD warnt vor "Anbiederung" an rechte Klientel
In der SPD hält man sehr wenig vom aufgewärmten Thema Burkaverbot. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger nannte die Unions-Vorschlag in der "Neuen Westfälischen" am Montag eine "plumpe Anbiederungen an die rechte Klientel".
NRW-Innenminister Jäger lehnt ein Burkaverbot ab.
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius kritisierte, die Forderungen aus der Union trügen nicht zur Verbesserung der inneren Sicherheit bei, sondern seien "Beiträge zur Verunsicherung bei den Bürgern". Er empfinde ebenfalls Unbehagen, wenn er einer Frau in einer Burka begegne, räumte Pistorius in der "Neuen Presse" ein. "Das Problem ist, es gibt kein Recht darauf, im öffentlichen Raum in das Gesicht eines anderen Menschen schauen zu dürfen." Mit einem Burkaverbot würde der Staat die subjektiven, teilweise irrationalen Ängste vor dieser religiösen Ausprägung noch verstärken.
Burka? Burkini? Oder?
Mehr Differenzierung wünscht sich auch die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor. So unterscheide die Gesellschaft nicht zwischen dem Schwimmanzug Burkini, der von Frauen mit Kopftuch in öffentlichen Bädern getragen werde, und der Burka. "Der Burkini ist nicht mit der Burka gleichzusetzen", sagte sie im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Die Gesellschaft müsse sich überlegen, ob Mädchen im Burkini vom Schwimmunterricht ausgeschlossen werden sollten, oder ob es wichtiger sei, diese Mädchen zu unterrichten.
Die Burka ist ein Vollschleier, der den Körper von Frauen komplett bedeckt. Die Augen werden von einem engmaschigen Gitter verborgen. Diese Form der Verschleierung wird vor allem in Afghanistan getragen, in Deutschland ist sie extrem selten.
Etwas häufiger hierzulande ist das Tragen eines langen Gewandes in Kombination mit dem Gesichtsschleier (Nikab). Er bedeckt das ganze Gesicht, ist meist schwarz und lässt nur einen kleinen Sehschlitz frei. Ganzkörperschleier sind die strengste Form der Verhüllung des weiblichen Körpers im Islam.
Der Hidschab bedeckt je nach Land und Auslegung Haare und Hals komplett oder wird als dünner Schal leger um den Kopf getragen. Im Iran ist er den Frauen in er Öffentlichkeit vorgeschrieben.
Der Burkini ist ein Ganzkörperbadeanzug, den muslimische Frauen beim Baden und Schwimmen tragen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte 2013 in einem Urteil festgeschrieben, dass muslimischen Mädchen im Burkini die Teilnahme am gemeinsamen Schwimmunterricht zugemutet werden könne.
Unter langen weiten Gewändern könnten auch Gegenstände verborgen werden. Dies befürchten möglicherweise die Politiker, die die Burka und innere Sicherheit in einem Atemzug nennen. Andererseits verhüllten sich weder die Terroristen von Paris, Brüssel oder Nizza, noch die Attentäter von Würzburg oder Ansbach mit einer Burka. Außerdem eint alle Täter ihr Geschlecht: Es waren Männer.