Verteidigungsminister treibt Bundeswehrreform voran "Zu viel Stäbe, Generäle und Vorschriften"
Von "gravierenden Mängeln" spricht der Verteidigungsminister und rügt "zu viele Stäbe, Generäle und Vorschriften" - mit einer schonungslosen Analyse des Zustands der Bundeswehr begründet de Maizière den Radikalumbau. In den Tagesthemen betonte er zudem die Verantwortung Deutschlands bei internationalen Einsätzen.
Die Bundeswehr soll um etwa ein Fünftel schrumpfen und deutlich straffere Führungsstrukturen bekommen: Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat seine Vorstellungen von der Bundeswehr der Zukunft präsentiert. Den geplanten Radikalumbau begründete der CDU-Politiker damit, dass die Bundeswehr zu unbeweglich geworden sei. Er sprach von "gravierenden Mängeln" und übte deutliche Kritik an den Entscheidungsstrukturen und der Aufstellung der Bundeswehr. "Wir haben für die Zahl unserer Aufgaben zu viele Stäbe" und zu viele Führungspositionen. Es gebe zu viel Aufsicht über zu wenig Arbeit. Verantwortung werde zu oft geteilt, zwischen den Hierarchien verschoben oder verweigert.
Reform "von Grund auf"
Wer die Schuld am gegenwärtigen Zustand der Bundeswehr trägt, beantwortete de Maizière nicht. Um die Schuldfrage habe er sich nie gekümmert. Er wolle nun eine Reform "von Grund auf". De Maizière hatte das Mammutprojekt von seinem Amtsvorgänger, Karl-Theodor zu Guttenberg, Anfang März übernommen, nachdem der CSU-Politiker wegen der Affäre um seine in weiten Teilen abgeschriebene Doktorarbeit zurückgetreten war. Kritik an seinem Amtsvorgänger vermied de Maizière. In den Tagesthemen sagte er, sein Vorgänger habe "große Verdienste, eine große Reform angestoßen zu haben". In den vergangenen Wochen soll de Maizière sich aber deutlich unzufrieden über die Arbeit Guttenbergs geäußert haben.
"Ich hätte gerne mehr Vorbereitungszeit gehabt"
In den Tagesthemen antwortete der Minister auf die Frage, ob die Wehrpflicht zu hastig abgeschafft worden sei: "Nein, die Entscheidung ist richtig. Ich hätte gerne mehr Vorbereitungszeit gehabt, aber es ist, wie es ist." Auf die künftigen Auslandseinsätze der Bundeswehr angesprochen sagte de Maizière: "Wir bleiben zurückhaltend, wir bleiben verantwortungsvoll." Doch Deutschland "als reiches Land in der Welt, als gewichtiges Land" müsse sich auch die Frage gefallen lassen, "ob wir nicht, wie andere Staaten auch, einen Beitrag dann leisten müssen, wenn es der internationalen Verantwortung entspricht und wir nicht unmittelbar nationale deutsche Interessen bedroht sehen".
Der Verteidigungsminister sagte zudem, es gebe "genug Bewerber für den Rekrutierungsbedarf von Zeit- und Berufssoldaten". Der Bedarf liege auch nach der neuen Planung bei 15.000 pro Jahr, so de Maizière.
Konsens mit Opposition?
Die Bundeswehrreform soll in sechs bis acht Jahren umgesetzt werden, der Großteil aber schon in den kommenden zwei Jahren. "Wir haben uns viel vorgenommen. Die Neuausrichtung der Bundeswehr und des Ministeriums gleichzeitig ähnelt einer Operation am offenen Herzen, während der Patient weiter auf der Straße spazieren geht", umriss er das Projekt. De Maizière warb um Zustimmung: Er werde den Prozess so anlegen, dass er auch für die Opposition zustimmungsfähig sei. Schließlich werde sich die Neuregelung über zwei Legislaturperioden erstrecken. Daher strebe er einen möglichst weitreichenden Konsens an.
Das dürfte nicht ganz einfach werden. Die Opposition reagierte bereits skeptisch auf die Pläne. Zwar gehe de Maizière in seinen Planungen seriöser und substanzieller vor als sein Vorgänger zu Guttenberg, erklärten Verteidigungsexperten von SPD und Grünen. Es blieben jedoch entscheidende Schwachpunkte. So seien die Pläne zur Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr "mutlos und uninspiriert", bemängelte SPD-Politiker Rainer Arnold. "So, wie es im Augenblick gemacht wird, droht ein Scheitern des Freiwilligenmodells."
"Was kostet das?"
Auch bei der Finanzierung der Bundeswehr sei de Maizière nicht vorangekommen. "Das Spardiktat von 8,3 Milliarden Euro war von Anfang an unrealistisch", sagte Arnold. Auch der Grünen-Verteidigungspolitiker Omid Nouripour bemängelte, die Finanzierung der Bundeswehr sei nach wie vor unklar. "Was kostet das? Das war der Ausgangspunkt von allem." In der Tat war die Reform der Bundeswehr zunächst mit dringend nötigen Kostensenkungen gerechtfertigt worden.
Warnende Worte kommen auch aus Bayern. "Es ist unvermeidbar, dass die Bundesregierung den bisher vorgesehenen Sparumfang von über acht Milliarden Euro sehr deutlich verringert", sagte Innenminister Joachim Hermann (CSU). Die FDP sieht ebenfalls noch Gesprächsbedarf: "Insbesondere über eine solide Finanzierung muss in den kommenden Wochen gesprochen werden, denn es gilt, die Bundeswehr als Freiwilligenarmee für die nächsten Jahre auf ein seriöses finanzielles Fundament zu stellen", sagte Verteidigungsexpertin Elke Hoff.
Die Linkspartei übte grundsätzliche Kritik: Mit der Reform werde die Bundeswehr "endgültig zur Kriegsführungsarmee umgebaut", kritisierte der Verteidigungsexperte der Linkspartei, Wolfgang Gehrcke. Er bekräftigte die Forderung seiner Partei, Auslandseinsätze der Bundeswehr zu beenden und sich auf die Landesverteidigung zu beschränken. Das Geld für die Streitkräfte sei "in der Entwicklungs- und Bildungspolitik besser aufgehoben".
Auch der Bundeswehrverband reagierte skeptisch auf die Reformpläne. De Maiziere bleibe konkrete Angebote schuldig, wie der Dienst in den Streitkräften attraktiver werden solle, sagte Verbandschef Ulrich Kirsch. Der Verband der Beamten der Bundeswehr vermisst klare Aussagen zur Struktur der Bundeswehrverwaltung. Es bleibe die Sorge, dass es Reform geben solle, die dem Diktat des Haushaltes unterworfen ist.