Rechtsextremisten bei der Bundeswehr Sorge vor enger Vernetzung
Zwei Jahre lang sichtete das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags Akten der Nachrichtendienste zu rechtsextremen Vorgängen rund um die Bundeswehr. Jetzt liegt das Ergebnis vor.
Seit Franco A., ein Oberleutnant der Bundeswehr, im Februar 2017 am Flughafen Wien festgenommen wurde, weil er dort eine Waffe versteckt hatte, wird die Bundeswehr das Thema nicht mehr los. Franco A. hatte sich als syrischer Flüchtling registrieren lassen. Der Generalbundesanwalt hält ihn für einen Rechtsterroristen und will ihm den Prozess machen.
Über den Fall Franco A. geriet ein Verein namens Uniter ins Visier, ein Netzwerk aus Soldaten, Polizisten und Beschäftigten der Sicherheitsbranche, bis hinein in Sicherheitsbehörden. Elitesoldaten, beispielsweise aus dem Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr, gehören dazu. Von hier aus gibt es Verbindungslinien zu einer Gruppe namens Nordkreuz in Mecklenburg-Vorpommern, in der sich unter anderem Polizisten und Bundeswehr-Reservisten auf Bürgerkriegsszenarien vorbereiteten. Darunter Rechtsextremisten und auch hier - nach Einschätzung des Generalbundesanwalts - mutmaßliche Rechtsterroristen.
"Einzelne Beschäftigte mit rechtsextremistischem Gedankengut"
Genau zwei Jahre lang untersuchte das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages Hunderte Akten der Nachrichtendienste des Bundes, vor allem des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), aber auch des Bundesamts für Verfassungsschutz zu diesen Vorgängen und führte Befragungen durch. Eine Tiefenprüfung, wie es sie in diesem Umfang im Parlamentarischen Kontrollgremium noch nicht gab.
Der Befund: In der Bundeswehr und in unterschiedlichen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern sind "einzelne Beschäftigte mit rechtsextremistischem - auch gewaltorientiertem - Gedankengut tätig", teilweise trotz bestehender Sicherheitsüberprüfungen, heißt es nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios in einer Beschlussvorlage für das Parlamentarische Kontrollgremium. Diese stünden in den untersuchten Sachverhalten in unterschiedlich intensiven Verbindungen zueinander, vernetzt vor allem über die Sozialen Medien, mutmaßlich auch durch Treffen bei Waffenbörsen und Schießtrainings und durch berufliche Kontakte. Der Spiegel hatte bereits darüber berichtet.
Gibt es Netzwerke oder eine Schattenarmee?
Die zentrale Frage dabei: Gibt es ein Netzwerk oder gar eine "Schattenarmee", die womöglich einen Umsturz plant? Nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz und des MAD "liegen derzeit keine Hinweise darauf vor, wonach es eine Schattenarmee oder ein gewaltbereites rechtsextremistisches Netzwerk" gäbe, das "einen politischen Umsturz plant", heißt es in der Beschlussvorlage, die in der geheim tagenden Sitzung heute beraten werden soll.
Allerdings, so heißt es weiter, gebe es "besorgniserregende digitale Vernetzungen und auch personelle Überschneidungen von bisher eher isolierten Personengeflechten und einzelnen Personen zu bestimmten politischen Parteien". So stehe eine Vielzahl der Akteure in Verbindung zu rechtsextremistischen Bestrebungen wie der Identitären Bewegung, dem "Flügel" der AfD, der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative", der NPD, sowie zu Burschenschaften und Kameradschaften und in die Reichsbürgerszene, oftmals verbunden mit einer antisemitischen Gesinnung.
Kein gutes Zeugnis für Militärischen Abschirmdienst
Untersucht haben die Geheimdienstkontrolleure des Bundestages auch die Arbeit der Sicherheitsbehörden in diesem Zusammenhang. Vor allem mit Blick auf den Militärischen Abschirmdienst kommen sie dabei zu einem für den MAD wenig schmeichelhaften Ergebnis: So habe der Nachrichtendienst der Bundeswehr seine Aufgabe bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht in hinreichendem Maße wahrgenommen. Die Informationsübermittlung an den Verfassungsschutz sei "zurückhaltend" erfolgt, heißt es in der Beschlussvorlage, und müsse einem "durchgängigen Informationsaustausch weichen".
Außerdem sei bei einigen Beschäftigten ein "Mangel in der professionellen Distanz" zu Tage getreten. Tatsächlich war bekannt geworden, dass ein leitender Mitarbeiter des MAD Fotos von der Durchsuchung auf dem Grundstück eines KSK-Soldaten an einen anderen KSK-Soldaten weitergegeben hatte. Auch die Zusammenarbeit zwischen MAD und Verfassungsschutz bei rechtsextremistischen Verdachtsfällen unter Bundeswehr-Reservisten halten die Geheimdienstkontrolleure in der gegenwärtigen Form nicht für ausreichend.
Wirksame Reformen auf den Weg gebracht
Anerkannt wird, dass im Zuge der Untersuchung bereits Reformen auf den Weg gebracht wurden, die auch Wirkung zeigten. So wurde der MAD im Oktober vergangenen Jahres umstrukturiert. Eine Reform, die tatsächlich maßgeblich durch die Erkenntnisse angeschoben wurde, die die Untersuchung des Parlamentarischen Kotrollgremiums in einem Zwischenbericht zutage gefördert hatte. Der Waffen- und Sprengstofffund auf dem Grundstück eines KSK-Soldaten im sächsischen Collm im Mai dieses Jahres galt als großer operativer Erfolg für den MAD.
Ende Oktober wurde zudem Christoph Gramm als MAD-Präsident abgelöst - ihm folgte Martina Rosenberg, die bis dahin Bundeswehrdisziplinaranwältin war. Beim KSK wurde eine ganze Kompanie aufgelöst, in der es besonder viele rechtsextremistische Verdachtsfälle gab. Die Geheimdienstkontrolleure bemängeln insgesamt, dass die Nachrichtendienste eigene Ermittlungen offenbar einstellen, sobald der Generalbundesanwalt Verfahren übernimmt. Kritisiert wird außerdem ein "sorgloser" Umgang der Bundeswehr mit Waffen und Munition, was dazu führe, dass diese in erheblichem Umfang entwendet würden.
Erkenntnisse sollen öffentlich gemacht werden
Die Untersuchung der Geheimdienstkontrolleure umfasst mehrere hundert Seiten und erreicht damit den Umfang eines Abschlussberichts eines Untersuchungsausschusses. Der Bericht ist geheim. Eine Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse soll jedoch öffentlich gemacht werden. Das Parlamentarische Kontrollgremium stellt damit auch unter Beweis, in welchem Umfang es selbst die Arbeit bei der Kontrolle der Nachrichtendienste in den vergangenen Jahren professionalisiert hat.
So hat das Gremium seit dieser Legislaturperiode einen Arbeitsstab mit 25 Beschäftigten, um Kontrollaufträge wahrnehmen zu können - geleitet von einem Ständigen Bevollmächtigen. In der heutigen Sitzung des Gremiums soll auch ein neuer Vorsitzender gewählt werden: einziger Kandidat ist der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter. Er soll Armin Schuster nachfolgen, der den Bundestag verlassen hat und Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe geworden ist.