Frühdiagnose von Trisomien Einfacher Test, schwierige Debatte
Ein Bluttest kann mit hoher Wahrscheinlichkeit klären, ob ein ungeborenes Kind Trisomie hat. Künftig könnte er Kassenleistung werden - doch das wirft Grundsatzfragen auf.
Worüber wird diskutiert?
Im Bundestag kann es heute sehr emotional werden: Viele befürchten, dass mit den Tests mehr Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben werden als bisher. Da der Test zu einem relativ frühen Zeitpunkt in der Schwangerschaft die Wahrscheinlichkeit einer Trisomie bestimmen kann, könnte die Hemmschwelle für eine Abtreibung sinken, so die Kritik.
Auf der anderen Seite hat das entscheidende Gremium des Gesundheitswesens - der Gemeinsame Bundesausschuss - bereits Kosten und Nutzen des Tests geprüft. Die Zeichen stehen auf grünes Licht für die Kostenerstattung. Das wesentliche Argument: mehr soziale Gerechtigkeit für die Eltern, die sich bisher den Test nicht leisten konnten.
Auf Initiative des Gemeinsamen Bundesausschusses führen die Abgeordneten eine Orientierungsdebatte ganz ohne Fraktionszwang, an deren Ende nichts beschlossen wird. Und dabei wird es auch um die Frage gehen, welche Stellung Behinderte und Kranke in unserer Gesellschaft haben. Denn der Bluttest steht für den Anfang einer medizinischen Neuerung: In Kürze soll ein weiterer Test auf den Markt kommen, der nicht Chromosomen, sondern die Anlagen für "monogene Erkrankungen" - sprich seltene Erbkrankheiten - identifiziert, wie etwa vererbbare Herzfehler, Krebserkrankungen oder Seh- und Hörschwächen.
Was prüft der Test?
Der "nicht invasive Pränatal-Test" - kurz NIPT - kann mit hoher Wahrscheinlichkeit Klarheit darüber geben, ob das Kind im Leib der Mutter Trisomie 13,18 oder 21 hat. Eigentlich können Ärzte das mit einer Fruchtwasseruntersuchung und Ultraschall auch jetzt schon mit großer Wahrscheinlichkeit erkennen. Der Vorteil des Tests: Er kann schon ab der vollendeten neunten Schwangerschaftswoche gemacht werden - Ärzte empfehlen ab der zwölften Woche. Außerdem ist dafür nur eine Blutprobe der Mutter nötig, das Leben des Kindes wird nicht gefährdet.
Bei einer Fruchtwasseruntersuchung dagegen liegt das Risiko einer Fehlgeburt bei 0,5 Prozent bis 1 Prozent, da die Fruchtblase dabei punktiert wird. Beim Bluttest werden in der Blutprobe der Mutter frei zirkulierende Chromosomenteile des Kindes darauf untersucht, ob sie etwa mit dem Chromosom 21 übereinstimmen. Die Treffergenauigkeit, Trisomie 21, zu erkennen, liegt laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen bei mehr als 99 Prozent.
Was wird damit erkannt?
Neben dem Down-Syndrom können auch andere Chromosomendefekte wie Trisomie 13 und 18 identifiziert werden. Damit sind deutlich schwerwiegendere Behinderungen verbunden wie Hirnfehlbildungen oder komplexe Herzfehler. Die meisten betroffenen Kinder überleben die Schwangerschaft nicht; viele, die mit diesen Behinderungen auf die Welt kommen, sterben im ersten Lebensjahr.
Da anders als beim Down-Syndrom die Defekte bei Trisomie 13 und 18 sehr groß sind, werden diese Fehlbildungen aber auch im Ultraschall erkannt.
Wann zahlt die Krankenkasse?
Auch jetzt schon übernehmen in Einzelfällen private und gesetzliche Krankversicherungen die Kosten. Dabei werden die Laborkosten von etwa 200 bis 300 Euro und die Beratungskosten gezahlt. Tatsächlich planen der Gemeinsame Bundesausschuss und die Krankenkassen ab voraussichtlich kommenden Jahr, die Kosten zu übernehmen, allerdings nur bei bestehendem Risiko einer Trisomie. Wie groß das ist, soll der Arzt bestimmen.
Grundsätzlich steigt das Risiko mit dem Alter der Schwangeren. Das sollte aber nicht das alleinige Kriterium für den Bluttest sein, mahnt der Gemeinsame Bundesausschuss. In der Praxis werde es aber tatsächlich schwierig, etwa mit der Nackenfaltenmessung das Risiko genauer einzuschätzen, bemerkt der Gynäkologe Ulrich Gembruch von der Uniklinik Bonn. Denn das Ergebnis der Ultraschalluntersuchung sei deutlich unzuverlässiger als der Bluttest.
Gäbe es bei kostenfreien Tests mehr Schwangerschaftsabbrüche?
Diese Frage ist nur schwer zu beantworten - selbst mit Statistiken, wenn es sie gäbe. Tatsächlich kann man schon jetzt sagen, dass viele Frauen in Deutschland und im europäischen Ausland den Test nutzen: Allein der Anbieter Lifecodexx hat seit Markteinführung 2012 rund 150.000 Tests verkauft. In den Niederlanden und in Belgien ist der Test bereits kostenfrei - und nach Expertenmeinung lässt sich tatsächlich der überwiegende Teil der Schwangeren testen
Dass dadurch Frauen wesentlich häufiger abtreiben als zuvor, ist unwahrscheinlich, glaubt der Humangenetiker Christian Netzer von der Uniklinik Köln. Entscheidend sei vielmehr, dass vor dem Test und nach Vorliegen eines auffälligen Ergebnisses die Eltern vom Arzt kompetent aufgeklärt werden, was die Trisomie des Kindes tatsächlich für sie bedeutet.
Eine Veränderung lässt sich aber schon jetzt statistisch klar ablesen: Seit der Markteinführung des Bluttests hat sich die Zahl der invasiven Fruchtwasseruntersuchungen mehr als halbiert. Damit ist hier das Risiko für das ungeborene Kind gesunken.