Franziska Giffey

Mögliche Neuwahl in Berlin Giffey unter Druck

Stand: 15.10.2022 08:17 Uhr

Nach der Pannenwahl in Berlin steht wahrscheinlich eine Wiederholung an. Die Beliebtheitswerte von Bürgermeisterin Giffey sind auf Talfahrt, in Umfragen führen die Grünen. Droht Giffey die Abwahl?

Von Von Viktoria Kleber, rbb

Zurück auf Start, alles nochmals auf neu. Ein kräftezehrender Wahlkampf, eine nur knapp gewonnene Wahl und dann die Koalitionsverhandlungen, in denen sich Rot-Grün-Rot auf vieles einigt, was in den nächsten Jahren in Berlin folgen soll. Alles umsonst. Man mag sich schwer vorstellen, was in Franziska Giffey vorgeht, als das Berliner Verfassungsgericht Ende September in Aussicht stellt, dass in Berlin wohl nochmals gewählt wird. Ihr Job als Regierende Bürgermeisterin steht nach nur einem Jahr im Amt wieder zur Wahl.

Dass es in Berlin zu einer Wiederholung der Wahl 2021 kommt, ist noch nicht endgültig entschieden. Doch der Berliner Verfassungsgerichtshof hat in einer öffentlichen Verhandlung klargemacht, dass die Berlinerinnen und Berliner nochmals an die Urne sollen.

"Nur eine vollständige Wiederholung der Wahl kann einen verfassungskonformen Zustand herbeiführen", so die Gerichtspräsidentin Ludgera Selting während der Verhandlung. Ein Urteil des Gerichts wird am 16. November 2022 erwartet. Die Wahl müsste dann innerhalb von 90 Tagen wiederholt werden. Der letztmögliche Wahltermin wäre dann der 12. Februar 2023, Berlins Landeswahlleiter hält diesen Tag für einen guten Termin.

Regieren und Wahlkampf

Franziska Giffey ist nun in einer schwierigen Situation. Sie muss Entscheidungen treffen, die nicht immer beliebt sind. Denn die Probleme sind groß: Die Energiepreise steigen, die Inflation nimmt zu und für Geflüchtete reichen in Berlin die Betten immer noch nicht. Als Regierende Bürgermeisterin muss sie zeitgleich auch ihre Partei auf den Wahlkampf einstimmen. "Das wird ein Spagat", sagt Thorsten Faas, Professor für Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin im Gespräch mit tagesschau.de.

Und der Wahlkampf hat längst begonnen. Nach rbb24-Informationen wird Kampagnenmaterial hinter verschlossenen Türen bereits umgeschrieben, Plakate werden wieder herausgeholt. In der Öffentlichkeit wird auch mal gegeneinander gearbeitet. So verkündete Giffey eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket, als diese im Senat noch nicht abgesprochen war. Sie überrumpelte damit ihre grüne Verkehrssenatorin Bettina Jarasch in der Öffentlichkeit.

Doch in Worten zeigt sich der Senat einig. "Mein Fokus als Regierende Bürgermeisterin ist es, die Berlinerinnen und Berliner gut durch diesen Herbst und Winter zu bringen und die Energiekrise, die Pandemie und die steigenden Flüchtlingszahlen in unserer Stadt zu bewältigen", so Giffey zu tagesschau.de. Auch Bettina Jarasch, Giffeys Stellvertreterin im Senat will offiziell noch nichts vom Wahlkampf wissen. "Das Letzte, was die Berlinerinnen und Berliner jetzt brauchen, ist gegenseitige Wahlkampfblockade", sagt Jarasch. Wenn wieder gewählt wird, hätte Jarasch gute Chancen, das Amt von Giffey zu übernehmen.

Nur ein knappes Drittel mit Bürgermeisterin zufrieden

Denn Giffeys Umfragewerte sind auf Talfahrt. Laut dem Berlin-Trend der rbb24-Abendschau und der "Berliner Morgenpost" sind nur ein knappes Drittel der Berlinerinnen und Berliner mit der Arbeit ihrer Regierenden Bürgermeisterin zufrieden oder sehr zufrieden - so wenige wie noch nie in ihrer Amtszeit. Die Berliner und Berlinerinnen sind bekannt dafür, dass sie ihre Regierenden oft kritisch bewerten. Doch Giffey ist sogar noch unbeliebter als ihr Vorgänger Michael Müller.

Schlechte Umfragewerte hat nicht nur Giffey, sondern auch die Berliner SPD. Der Berlin-Trend von Ende September ermittelte die Grünen als stärkste Kraft - mit 22 Prozent. Die CDU lag mit 21 Prozent nur knapp dahinter. Die SPD kam in der Umfrage mit 17 Prozent nur auf Platz drei. Das würde bedeuten: Giffey muss Platz machen für eine Grüne als Bürgermeisterin.

Thorsten Faas warnt davor, sich bereits jetzt auf die Umfragen zu verlassen. "Da ist noch viel Bewegung drin", sagt er. "Das haben wir in anderen Landtagswahlen gesehen.'' 

Berlin ist in einer besonderen Situation. Denn die Wahlkampfkassen der Parteien sind leer. Das Budget wird üblicherweise im Laufe der Legislaturperiode zurückgelegt. Davon profitieren könnten die Regierenden, allen voran Giffey. "Wir werden eine sehr große Sichtbarkeit vor Ort bei Veranstaltungen in diesem Wahlkampf erleben. Da Giffey qua Amt viele Termine wahrnehmen wird, wird sie sehr präsent sein", sagt der Politikwissenschaftler.

Kurzer und spannender Wahlkampf erwartet

Spannend wird auch zu beobachten sein, welche Bündnis-Zusagen es bereits im Wahlkampf gibt. Giffey wird nachgesagt, dass ihr die CDU und auch die FDP als Partner in der Regierung lieber gewesen wären. Zeitgleich wurde Giffey selbst nicht müde zu betonen, wie zufrieden sie mit dem Koalitionsvertrag ihrer rot-grün-roten Regierung sei.

"Giffey muss sich nun wieder alle Türen offenhalten, ohne die eigene Regierung zu verprellen", sagt Faas. Für die Regierende Bürgermeisterin steht viel auf dem Spiel. Bei den letzten Wahlen hat sie das Ruder auf der Zielgeraden herumgerissen. Darauf hofft man in der SPD nun erneut.