Reaktionen auf Söder-Vorstoß Am Kreuz scheiden sich die Geister
In jeder staatlichen Behörde in Bayern soll ab Juni ein Kreuz hängen - als Spiegelbild kultureller Werte, sagt Ministerpräsident Söder. Kritiker fürchten, das Kreuz könne zur banalen Folklore abgestempelt werden.
Das Kreuz ist mehr als Christentum - davon ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder überzeugt. Es stehe für die kulturellen Werte der Deutschen und gehöre damit auch in die deutschen Behörden. Bisher schreibt die Bayerische Staatsregierung Kreuze nur in Klassenzimmern und Gerichtssälen vor. Der Beschluss des bayerischen Kabinetts, diese Pflicht auszuweiten, stößt nicht überall auf Gegenliebe.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, knüpft die Präsenz des Symbols in Amtsgebäuden an eine Bedingung: Die "Werte des Kreuzes" zu achten - Menschenwürde, Nächstenliebe, Humanität. Das Kreuz dürfe keinesfalls "für politische Zwecke missbraucht werden".
Keine "Folklore", kein "Etikett"
Genau diese Befürchtung haben einige Kirchenvertreter. Mit deutlichen Worten kanzelt der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose den Vorstoß der bayerischen Regierung ab: Das Kreuz tauge nicht "als verlängerter Arm einer Politik der Ausgrenzung oder des nationalistischen Egoismus" und dürfe nicht zu "bayerischer Folklore" herabgestuft werden. "Das Kreuz ist nicht nur Etikett oder Ausweis einer bestimmten Identität, sondern Erinnerung an den Lebensweg Jesu", wettert Hose und greift Söder auch direkt an: "Viele empfinden es zunehmend als eine Provokation und als Heuchelei, wie Sie über das Christentum öffentlich reden. In unserer Wahrnehmung wird das Christentum zunehmend von Ihnen dazu missbraucht, um die Ausgrenzung von Menschen anderen Glaubens zu betreiben."
Experte sieht rechtlichen Grenzfall
Vor einer "Banalisierung" warnte auch Michael Heinig, Leiter des Kirchenrechtlichen Institutes der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zwar sei die Söder-Entscheidung aus seiner Sicht nicht verfassungswidrig. Doch immerhin habe das Bundesverfassungsgericht 1995 bereits festgelegt, dass das Kreuz auf den Kern des christlichen Glaubens verweise und nicht nur für kulturelle Prägungen stehe. Der Beschluss des bayerischen Kabinetts sei demnach ein "heikler Grenzfall".
Doch gerade die Werte, für die das Kruzifix stehe, führt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick zur Verteidigung der neuen Regelung ins Feld. Das Kreuz sei ein Zeichen der Versöhnung, des Friedens und der Solidarität, sagte Schick dem Bayerischen Rundfunk: "Alle Menschen, die das Kreuz anschauen, verpflichten sich, das zu leben und voranzubringen."
Das Netz spottet über Söder
Im Netz fängt sich Söders Vorstoß reichlich Häme und Kritik ein. Auf Twitter spotten Nutzer, wenn es Söder nur um bayerische Identität ginge, würde er Brezen statt Kreuze aufhängen. Andere schlagen ernstere Töne an, fürchten einen immer stärker werdenden Rechtsruck in Bayern.
Im Kabinett hatte die Opposition am Dienstag scharfe Kritik geübt. Die SPD verwies auf das Grundgesetz, welches zur Religionsfreiheit und Neutralität verpflichte. Und die Grünen warfen Söder vor, das Kreuz lediglich für seinen Wahlkampf zu missbrauchen.