Medienvertreter vor dem Kanzleramt

Ampel in der Krise Alle Augen auf den Koalitionsausschuss

Stand: 05.11.2024 17:33 Uhr

Steht die Ampel vor dem vorzeitigen Aus? Der morgige Koalitionsausschuss könnte über den Fortbestand des Dreierbündnisses entscheiden. Oppositionsführer Merz fordert Klarheit - und schließt eine Option aus.

SPD, Grüne und FDP ringen weiter um Auswege aus der schweren Koalitionskrise. Bei einem Treffen der Parteispitzen am Mittwochabend könnte es um den Fortbestand des Regierungsbündnisses gehen. Strittig ist angesichts der Konjunkturflaute in Deutschland der Kurs vor allem in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Außerdem müssen im Bundeshaushalt für das kommende Jahr noch Milliardenlücken geschlossen werden.

Vor dem Koalitionsausschuss sind am Vormittag und Nachmittag zwei weitere Treffen von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit Staatssekretären geplant, wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Koalitionskreise berichtet. Scholz, Lindner und Habeck könnten sich demnach auf ein Papier einigen, über das der Koalitionsausschuss berät. Gelingt dies nicht, könnte die Ampel vor dem Aus stehen.

Die FDP drängt auf eine Kursänderung in der Wirtschaftspolitik. FDP-Politiker machten die Erwartung deutlich, dass von Lindner vorgeschlagene Maßnahmen für eine "Wirtschaftswende" umgesetzt werden müssen. In dem Papier wird etwa als Sofortmaßnahme die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener gefordert, ein sofortiger Stopp aller neuen Regulierungen sowie ein Kurswechsel in der Klimapolitik. Dagegen gibt es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen.

Merz verlangt Klarheit

Oppositionsführer Friedrich Merz verlangte von den Regierungsparteien Klarheit über die Zukunft ihrer Koalition. "Die Bevölkerung ist völlig fassungslos, was da in der deutschen Bundesregierung passiert", sagte der CDU-Chef vor einer Sitzung der Unionsfraktion. "Wir hoffen, dass die Koalition jetzt möglichst bald zu einer Entscheidung kommt: Entweder rauft sie sich zusammen und versucht, wenigstens die letzten zehn Monate dieser Wahlperiode anständig zu regieren. Oder sie geht auseinander und macht den Weg anständig frei für Neuwahlen." Das Hin und Her und Streitereien könne sich Deutschland nicht mehr leisten.

Mit Blick auf das mögliche Szenario einer Minderheitsregierung von SPD und Grünen bei einem Ausscheiden der FDP sagte Merz, er schließe ausdrücklich aus, dass "wir in den Rest einer solchen Regierung eintreten". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, er könne die SPD nur davor warnen, über eine Minderheitsregierung nachzudenken. Sie hätte "schlichtweg keine Mehrheit im Parlament". 

Die AfD und das BSW machten sich für ein Vorziehen der Bundestagswahl stark. "Je eher es Neuwahlen gibt, desto besser für unser Land", sagte die AfD-Vorsitzende Alice Weidel. "Jeder Tag, den diese Ampel länger im Amt ist, schadet unserem Land und seinen Bürgern." Die BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht erklärte, angesichts der wirtschaftlichen Lage brauche es eine handlungsfähige Regierung. "Ein Jahr Vorwahlkampf" könne man der Republik nicht zumuten.

Scholz: "Klar ist, es ginge"

Am Vormittag waren Scholz, Lindner und Habeck erneut im Kanzleramt zusammengekommen. Ein Stand der Verhandlungen drang nicht nach außen. Scholz sagte später, bei den Gesprächen müsse im Vordergrund stehen, dass man das "Miteinander" voranbringe. "Was die Situation betrifft der weiteren Arbeit der Regierung geht es darum, dass man sich dem Land verpflichtet fühlt, dass es nicht um Ideologie geht", sagte der Kanzler. "Und klar ist, es ginge. Insofern ist die Frage nicht, ob man es überhaupt hinkriegen kann, sondern es ist möglich, und da müssen jetzt alle arbeiten."

Habeck sieht nun SPD und FDP am Zug, um ein vorzeitiges Aus des Bündnisses abzuwenden. Er hatte sich am Montag bereit erklärt, frei werdende Intel-Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden. "Nun erwarte ich allerdings auch, dass die anderen auch im eigenen Bereich mal Vorschläge machen und nicht immer nur - und das ist ja das schlechteste Spiel immer den anderen sagen, was sie von ihnen erwarten", sagte der Minister in den tagesthemen. Er habe jetzt vorgelegt. 

FDP fordert "Wirtschaftswende"

FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der Nachrichtenagentur dpa, es sei folgerichtig, dass die Intel-Milliarden in den Haushalt gingen. "Ich bin froh, dass auch Robert Habeck zu dieser Einsicht gekommen ist. Vom Wirtschaftsminister würde ich mir in dieser Situation aber substanzielle Ideen zur Stärkung unseres Wachstums wünschen. Wir brauchen eine echte Wirtschaftswende." Dürr machte die Erwartung der FDP deutlich, dass im Lindner-Papier vorgeschlagene Maßnahmen umgesetzt werden. "Große Reformen erfordern auch große Kraft. Die Frage ist, ob die Koalition dazu bereit ist, diese Kraft gemeinsam aufzubringen."

Für FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer ist Habecks Angebot nichts anderes als eine "Mogelpackung". "Die Intel-Milliarden hat er nicht und kann sie deshalb auch nicht verdealen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Zudem würde die Summe nicht ansatzweise genügen, um die nach wie vor bestehende Milliardenlücke im Haushaltsentwurf der Ampelkoalition zu stopfen.

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge mahnte die Koalitionäre, jeder müsse sich nun bewegen, man müsse mehr miteinander reden. Habeck habe hierbei vorgelegt, sagte sie im Morgenmagazin.

Hart ging Dröge mit Lindners Papier ins Gericht. Dies sei eine "gezielte Provokation" und ein "hartes Papier" mit Sicht der FDP gewesen. Wie Habeck bekannte sich auch Dröge ausdrücklich zum Fortbestand der Ampel. "Wir wollen in dieser Koalition Verantwortung übernehmen", sagte sie vor einer Fraktionssitzung.

Christoph Mestmacher, ARD Berlin, zum Krisentreffen im Kanzleramt

tagesschau24, 04.11.2024 17:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 05. November 2024 um 17:08 Uhr.