Krieg in Syrien Söldner, über die keiner spricht
In Syrien sind russische und US-Truppen aufeinandergestoßen. Dabei gab es mehrere Tote, darunter wohl russische Söldner. Die Regierungen in Washington und Moskau wollen aber lieber nicht über den Vorfall sprechen.
Bei der Sicherheitskonferenz in München war oft die Rede von Spannungen zwischen den USA und Russland. Doch keine Seite sprach einen Vorfall an, der sich vom 7. auf den 8. Februar in Syrien ereignet hatte, obwohl hier eine rote Linie überschritten worden war: eine direkte militärische Konfrontation zwischen Amerikanern und Russen.
Dies sei seit dem Vietnam-Krieg nicht mehr geschehen, schrieb der russische Ex-Diplomat und Außenpolitik-Experte Wladimir Frolow. Es sei ein Skandal und Grund für eine akute internationale Krise. Radikalere Stimmen in Russland spekulierten über unvorhersehbare Konsequenzen bis hin zu einem Krieg mit den USA.
Medien und Experten versuchen, den Fall zu rekonstruieren. Doch was im Detail geschah, ist bislang nicht klar. "Wir kennen nicht das ganze Bild und werden es womöglich nie erfahren", sagt Andrej Kortunow vom regierungsnahen russischen Rat für internationale Angelegenheiten in Moskau im Interview mit dem ARD-faktenfinder.
Angriff auf US-Alliierte
Die russische Zeitung "Kommersant" beschrieb den Vorfall mit Bezug auf eine Quelle beim russischen Militär. Demnach wollten syrische Geschäftsleute, die loyal zu Präsident Baschar al-Assad stehen, Gas- und Ölfelder in der Provinz Deir al-Sor unter Kontrolle bringen. Sie hätten dafür lokale syrische Milizen, eine Kämpfergruppe namens "IS Hunters" und Söldner des russischen Militärunternehmens "Wagner" angeheuert. Der Zeitung zufolge genehmigte das russische Oberkommando in Syrien den Einsatz nicht, unterband ihn aber auch nicht.
Das attackierte Gebiet östlich des Flusses Euphrat steht unter Kontrolle der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die mit den USA gegen den "Islamischen Staat" (IS) kämpfen. Auch US-Militärberater sind dort stationiert.
Um den Angriff abzuwehren, wurden US-Streitkräfte zu Hilfe gerufen. Diese setzten Fluggerät und Artillerie ein, so ein Sprecher des US-Militärs. Das russische Militär sei während des gesamten Einsatzes auf dem Laufenden gehalten worden.
Russische Medien berichteten über Tote
In den Tagen danach tauchten Medienberichte über getötete Kämpfer russischer Staatsbürgerschaft auf. Von mehr als 300 getöteten und verletzten Kämpfern berichtete etwa die Agentur Reuters. Die Zeitung "Nowaja Gaseta" schrieb von 13 russischen Toten und zahlreichen Verletzten. "Moskowski Komsomolez" druckte die Namen von fünf "Wagner"-Kämpfern mit deren Fotos. Das russische Portal "Znak" interviewte die Witwe eines Kämpfers, der auch im ukrainischen Donbass im Einsatz gewesen war.
Die Regierung in Moskau reagierte zögerlich. So sagte Präsidentensprecher Dimitri Peskow zunächst, Russen hielten sich in vielen Ländern auf. Es falle daher schwer, detaillierte Informationen über sie zu erlangen. Das Verteidigungsministerium teilte mit, es habe Aktivitäten pro-syrischer Kräfte gegeben, die nicht mit dem russischen Oberkommando abgestimmt worden seien. Diese Kräfte seien auch von der Organisation "Wagner" unterstützt worden.
Schließlich räumte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Donnerstag ein, es seien vermutlich fünf russische Bürger getötet worden. Es seien aber keine Armeeangehörigen. Berichte über Hunderte russische Opfer bezeichnete sie als Desinformation. Ähnlich äußerte sich nun Außenminister Sergej Lawrow: Berichte über hunderte getötete Söldner seien ein Versuch, den Krieg in Syrien auszunutzen.
"Stillschweigendes Einverständnis"
Auch die US-Regierung hält sich bedeckt. Verteidigungsminister James Mattis zeigte sich im Gespräch mit Journalisten auf dem Rückflug von der Sicherheitskonferenz unsicher darüber, wer den Angriff auf die US-Alliierten angeordnet hatte. Seinem Verständnis nach hatte Moskau bestätigt, dass russische Auftragnehmer involviert waren, sagte er ausweichend.
Auf die Frage des ARD-faktenfinder, warum sich Vertreter der US-Regierung so zurückhalten, sagte der Ex-US-Botschafter in Russland, Michael McFaul: "Ich bin nicht sicher, ob sie wussten, dass es Russen waren." Er sei "sehr betroffen darüber, wie wenig Wladimir Putin über das Geschehene gesagt hat. Es ist klar, dass er keine Eskalation wegen dieses Ereignisses wolle."
Der ehemalige US-Botschafter in Russland, McFaul. (Archivbild aus dem Jahr 2014)
Kortunow vom Rat für internationale Angelegenheiten in Moskau interpretiert es so: "Ich denke, es gibt eine Art stillschweigendes Verständnis, dass dieser tragische und beklagenswerte Vorfall nicht öffentlich besprochen werden sollte." Er lobt, dass die US-Regierung so umsichtig sei, nicht von einem Sieg ihrerseits und einem Verlust oder einer Lektion für die Russen zu sprechen.
Wer befehligt die russischen Kämpfer?
Kortunow wirft die Frage auf, auf wessen Befehl russische Kämpfer in Syrien handeln: "Wenn wir davon ausgehen, dass diese privaten Armeen direkt im Auftrag der syrischen Regierung und nicht des russischen Verteidigungsministeriums agieren, dann sind es Söldner, die entsprechend behandelt werden müssen. Russland hat Gesetze gegen Söldner."
Wenn sich aber herausstelle, dass "Wagner"-Söldner mit dem russischen Verteidigungsministerium verbunden seien, sei dies ebenfalls ein Problem, so Kortunow. Denn dann hätte das russische Militär einer Operation zugestimmt, die sie nicht abgesichert hätte. Seit Längerem gibt es Vermutungen über Konflikte zwischen der russischen Armee und privat organisierten Milizen. Manche Spekulationen gehen so weit anzunehmen, dass das russische Militär die Kämpfer in Syrien ins Messer habe laufen lassen.
Trauerfeier in Moskau zu Ehren eines in Syrien abgeschossenen russischen Kampffliegers.
Der Einsatz von Privatarmeen nach dem Vorbild US-amerikanischer Firmen wie Blackwater dient unter anderem dazu, Kriegskosten zu verdecken und Opfer zu verschweigen. Ein Gesetz zu deren Legalisierung wurde zwar in Russland diskutiert, aber bislang nicht umgesetzt.
Moskau und Washington wollen keinen Krieg
Vor der russischen Präsidentschaftswahl am 18. März könnte der Vorfall ein schwer einzudämmendes Problem für Putin werden. Deutlich wird, dass die Führung um Putin keine vollständige Kontrolle über die Medien und über nationalistische Kräfte hat, die jetzt von einem möglichen Krieg mit den USA reden.
McFaul ist sich sicher, dass weder die Regierungen noch die Mehrheit der Menschen in beiden Ländern einen Krieg gegeneinander wollen. Doch er warnt, sollte es erneut einen solchen Vorfall geben und würde es reguläre russische Soldaten treffen, "dann wäre es eine sehr gravierende Angelegenheit". Der Umstand, dass Anfang Februar privat verpflichtete Soldaten betroffen waren, "eröffnet allen einen Ausweg".
Kortunow hofft, dass der Vorfall keine schwerwiegenden Folgen für die russisch-amerikanische Kooperation in Syrien haben wird. Es gebe dort viele Gefahren unbeabsichtigter Eskalation. Wäre Kortunow Berater Putins, würde er ihm eine Untersuchung empfehlen: "Wir müssen das in Ordnung bringen."