Impfstoff und Propaganda Russland rechnet sich an die Spitze
Der Impfstoff Sputnik V soll zum Exportschlager werden, doch derzeit ist das Vakzin auch in Russland noch knapp. Mit einem einfachen Trick soll das offenbar kaschiert werden.
"Im Vergleich zu den EU-Ländern ist Russland führend in der Zahl der vollständig Geimpften" - das verkündet das Twitter-Profil Sputnik V, das Teil der russischen Medienkampagne für den gleichnamigen Impfstoff ist.
Eine Grafik zeigt Russland an der Spitze - mit 5,2 Millionen vollständig Geimpften, vor Deutschland mit 4,3, Italien mit 3,4, Frankreich mit drei Millionen sowie weiteren EU-Staaten wie Griechenland, Belgien und Dänemark.
Neben Konten von russischen Botschaften teilte auch "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt den Tweet und kommentierte, das "EU-Impfdesaster hat auch einen geopolitischen Kollateralschaden". Nach Kritik löschte er den Tweet wieder.
Relation zur Bevölkerung
Denn die russische Grafik stellt absolute Zahlen dar und berücksichtigt nicht, dass Russland rund 144 Millionen Einwohner hat - also ungefähr so viele wie Deutschland und Italien zusammen. Um eine Vergleichbarkeit zumindest ansatzweise zu ermöglichen, werden solche Angaben daher in Relation zur Bevölkerungszahl angegeben.
Setzt man die Zahl der vollständig geimpften Personen in Beziehung zur Bevölkerung der einzelnen Staaten, kommt Russland auf einen Anteil von 3,1 Prozent, Frankreich auf 4,5, Belgien auf 4,9, Deutschland auf 5,2, Italien auf 5,7 und Dänemark auf sieben Prozent.
Bei der Zahl der insgesamt verabreichten Impfdosen in Relation zur Bevölkerung fällt Russland noch weiter zurück: Die EU liegt im Durchschnitt bei knapp 18 Impfdosen pro 100 Einwohnern, Russland bei 8,3.
Nimmt man - so wie auf dem Profil von Sputnik V geschehen - die absolute Zahl der insgesamt verabreichten Impfdosen, liegt die EU mit ihren etwa 448 Millionen Einwohnern bei knapp 80 Millionen Dosen, Russland bei zwölf - etwa gleichauf mit Frankreich und hinter Deutschland. All diese Angaben lassen sich auf der Seite "Our World in Data" nachvollziehen.
Umfangreiche Medienkampagne
Russland begleitet die Entwicklung und den internationalen Vertrieb von Sputnik V mit einer umfangreichen Medienkampagne. So gibt es neben einem Konto und Anzeigen auf Twitter auch auf Facebook, Instagram, YouTube und VK entsprechende Seiten, zudem eine Web-Seite sowie ein Online-Gewinnspiel, bei dem eine Reise nach Russland verlost wird.
Die Partnerschaften mit zahlreichen Staaten werden als Meilensteine in der Bekämpfung der Pandemie gefeiert, mehrere Staaten verfügen auch bereits über größere Mengen des russischen Impfstoffs, den viele Fachleute durchaus positiv bewerten.
Viele Staaten warten aber weiter auf Lieferungen. In der EU ist Sputnik V noch nicht zugelassen, bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA läuft die Prüfung noch. Italien teilte bereits mit, dass von Juli an die Firma Adienne Srl. in der Lombardei Sputnik V herstellen wolle. Auch in Deutschland solle Sputnik V hergestellt werden, teilte der Chef des staatlichen Direktinvestmentfonds RDIF, Kirill Dmitrijew, mit.
Die Nachfrage nach dem russischen Impfstoff ist international groß; kritisiert wird hingegen, dass Russland die Entwicklung und den Vertrieb offenkundig zu Propaganda-Zwecken nutzen will. So hatte Russland seinen Corona-Impfstoff im Sommer vergangenen Jahres zugelassen - noch bevor die klinischen Studien abgeschlossen waren. Später behaupteten russische Medien dann, Sputnik V sei lediglich registriert worden, nicht zugelassen.
Sputnik V sei ein wichtiges Symbol nach innen und nach außen, so der russische Politologe Alexej Lewinson in einem Interview mit "Radio Swoboda": "Insbesondere hier, in diesem Bereich, möchten wir dem Rest des Planeten voraus sein. Hier lässt sich erkennen, warum Putin wollte, dass der Impfstoff der allererste und wichtigste wird. Dies gilt nicht nur dafür, wo Russland jetzt steht, sondern auch dafür, dass Russland an glorreiche Zeiten der Sowjetunion anknüpfen möchte."
Impfstoff fast überall noch knapp
Russland bewirbt Sputnik V mit dem Slogan "Ein Impfstoff für die ganze Menschheit" - doch bislang bleibt das Vakzin knapp - auch und gerade in Russland. Die Darstellung, Russland liege besser als die EU, ist irreführend. Genauso, wie es zuvor Darstellungen von selektiven Daten waren, die Deutschland international bei der Impfquote entweder an der Spitze oder am Ende zeigten.