Gesundheitsminister Spahn.
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Maßnahmen gegen Corona Wann hat Spahn was gesagt?

Stand: 06.04.2020 13:42 Uhr

Gesundheitsminister Spahn steht in der Kritik, weil in Kliniken Schutzkleidung fehlt. Tatsächlich hatte er zu Beginn der Epidemie erklärt, Deutschland sei gut vorbereitet - und das Virus noch mit der Grippe verglichen.

Von Patrick Gensing, ARD-faktenfinder

Hat sich die Bundesregierung angemessen auf die Corona-Krise vorbereitet? Detlef Flitz vom WDR kommentierte in den tagesthemen, die Behörden hätten zu spät reagiert, um ausreichend Schutzkleidung für Krankenhäuser zu besorgen.

Tatsächlich hat Spahn immer wieder betont, Deutschland sei gut vorbereitet - und sogar behauptet, Corona verlaufe milder als die Grippe. Allerdings hatte der CDU-Politiker seine Einschätzungen stets auf den jeweiligen aktuellen Kenntnisstand bezogen. Ein Rückblick:

23. Januar: Spahn betont in den tagesthemen, anders als bei der großen SARS-Epidemie in Asien 2003 funktioniere der Austausch der internationalen Gemeinschaft. Und auch China gehe transparenter mit der Lage um als vor einigen Jahren. Daher könne man sich besser vorbereiten. Es sei wichtig, die Krankheit einzuordnen. Spahn verwies in diesem Zusammenhang auf die Grippe, an der in Deutschland jedes Jahr bis zu 20.000 Menschen sterben. "Auch das ist eben ein Risiko, das wir jeden Tag haben." Bei der neuen Lungenkrankheit sei das Infektionsgeschehen im Vergleich dazu milder.

28. Januar: Spahn mahnt zur "wachsamen Gelassenheit". Man sei gut vorbereitet. Die Pläne für solche Fälle funktionierten: Kontaktpersonen von Infizierten würden ermittelt und isoliert. Die Gefahr durch das neue Virus für die Gesundheit der Menschen bleibe weiterhin gering, sagte Spahn unter Berufung auf das Robert Koch-Institut (RKI).

3. Februar: Trotz anhaltender Klagen über Personalmangel im Gesundheitswesen sieht der Bundesgesundheitsminister Deutschland für einen etwaigen Anstieg der Coronavirus-Infektionen gut gerüstet. "Für diese Situation jetzt haben wir Intensivstationen, ausreichend Isolierstationen und -zimmer und die Ausstattung, die wir brauchen", sagte er dem ARD-Morgenmagazin. "Wir haben ja gelernt aus den letzten Jahren." Spahn verwies auf vorausgegangene Epidemien wie SARS und EHEC und betonte: "Selbst für eine Grippepandemie hätten wir Pläne in der Schublade." Angesichts von zehn Coronavirusinfizierten in Deutschland könne man aber "noch lange nicht" von einer Epidemie sprechen.

24. Februar: Spahn schließt weitere Schutzmaßnahmen nicht aus. Das Infektionsschutzgesetz sehe verschiedene Möglichkeiten vor, um ein Infektionsgeschehen zu begrenzen. Zwischen der Absage von Großveranstaltungen, der Schließung von Einrichtungen wie Schulen oder Kitas "bis hin zum Abriegeln ganzer Städte" gebe es zahlreiche Zwischenstufen. Es müsse "im Einzelfall" entschieden sowie "angemessen und verhältnismäßig" vorgegangen werden. Obwohl beispielsweise die Masern deutlich ansteckender seien als Corona, würden auch bei Maserninfektionen keine Städte gesperrt, sagte Spahn. Er zeigte sich aber nach wie vor überzeugt, dass Deutschland "bestmöglich" vorbereitet ist.

26. Februar: Spahn sieht Deutschland am Beginn einer Epidemie. In einer Telefonkonferenz habe er seine Ministerkollegen aus den Ländern gebeten, ihre Pandemiepläne zu aktualisieren und gegebenenfalls in Kraft zu setzen. Außerdem habe er sich mit Vertretern aus dem Gesundheitssektor - Ärzten, Krankenkassen, Kliniken, Apotheken und Pflegeeinrichtungen - getroffen, um über angemessene Reaktionen zu beraten.

Im Interview mit den tagesthemen wandte sich Spahn gegen das pauschale Absagen von Großveranstaltungen. Es sei immer auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme. So sei beispielsweise nicht abzusehen gewesen, dass sich ein Betroffener auf einer Karnevalsveranstaltung aufgehalten habe. Man könne nicht "das gesamte öffentliche Leben in Deutschland, Europa und der Welt beenden", so der Minister, zumal die Lage in China und Italien zeige, dass es "das Infektionsgeschehen nicht beendet", wenn man ganze Orte abriegele.

4. März: Spahn zieht in einer Regierungserklärung ein vorwiegend positives Fazit zur bisherigen Bewältigung der Coronavirus-Krise. Das neuartige Virus stelle für die Gesellschaft eine große Herausforderung dar, betonte er bei seiner Rede im Bundestag. "Die Folgen von Angst können weit größer sein als die durch das Virus selbst." Bislang aber reagiere die Bevölkerung bis auf wenige Ausnahmen sehr besonnen.

Mit Blick auf die knapp werdenden Vorräte von Atemmasken und Schutzkleidung wies Spahn auf das Exportverbot für solche Artikel hin, das die Bundesregierung am Vormittag erlassen hatte. Vor seiner Rede hatte Spahn auf Twitter bereits angekündigt, dass die Vorgaben zur Mindestbesetzung mit Pflegekräften in Krankenhäusern vorerst aufgeweicht werden. Um die Kliniken zu entlasten, würden die festen Personaluntergrenzen für bestimmte Stationen bis auf weiteres außer Kraft gesetzt.

9. März: Spahn appelliert an Veranstalter von großen Events mit mehr als 1000 Menschen, diese abzusagen. Er sprach sich aber dagegen aus, Kitas oder Schulen präventiv zu schließen. Jeder Bürger müsse sich fragen, worauf er verzichten könne.

10. März: Das RKI warnt vor Reisen nach Italien. Spahn schreibt in einem Gastbeitrag für die "Bild", nach den ersten beiden Todesfällen in Deutschland sei der Höhepunkt der Epidemie noch nicht erreicht. "Wir erwarten einen weiteren Anstieg der Infektionen", und es werde weitere Einschränkungen im Alltag geben. Flächendeckende Schulschließungen sehe er aber skeptisch.

14. März: Das Gesundheitsministerium warnt vor "Fake News". Es kursierten "Gerüchte im Netz", wonach die Bundesregierung weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens plane. Dies sei falsch. Wenige Tage später wird das öffentliche Leben in Deutschland massiv eingeschränkt.

19. März: Spahn ordnet konkrete Hilfen für Pflegeheime, Pflegedienste und das Pflegepersonal an, damit sie die Folgen der Corona-Krise bewältigen können. So soll es Sonderregeln für Pflegeheime geben. Pflegebedürftige und auch die Pflegekräfte selbst bräuchten nun besonderen Schutz und besondere Unterstützung, sagte Spahn. Mit Pflegekassen und Pflegeverbänden sei dafür ein Maßnahmenpaket vereinbart worden, das unter anderem eine befristete Aussetzung bürokratischer Anforderungen vorsieht.

23. März: Spahn sagt den Krankenhäusern, Ärzten und Pflegern breite finanzielle Unterstützung im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu. In Berlin stellte er dazu ein Gesetzespaket vor, das das Bundeskabinett zuvor gebilligt hatte. Es verspricht Kliniken zusätzliche Gelder, wenn sie planbare Operationen und Behandlungen verschieben und so mehr Kapazitäten schaffen für die Versorgung Covid-19-Kranker.

26. März: Spahn und der RKI-Präsident Lothar Wieler, betonen dass niemand derzeit seriöse Aussagen über die kommenden Wochen machen könne. Die derzeitigen Einschränkungen seien notwendig, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, sagte Spahn. Zugleich müsse überlegt werden, wie es danach weitergeht.

31. März: Gesundheitsminister Spahn strebt zunächst keine generelle Maskenpflicht in Deutschland an. Vielmehr sollen Beschäftigte in medizinischen Berufen besser mit Ausrüstung versorgt werden.

2. April: Bislang hatte das RKI nur Menschen mit einer Atemwegserkrankung geraten, in der Öffentlichkeit einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Auf den Internetseiten mit den Corona-Empfehlungen des RKI heißt es nun, eine solche einfache Schutzmaske könne das Risiko verringern, "eine andere Person durch Husten, Niesen oder Sprechen anzustecken". Es sei zu vermuten, dass auch "Behelfsmasken" eine Schutzwirkung hätten - also solche, die etwa in Heimarbeit genäht werden. Das RKI weist ausdrücklich darauf hin, dass solche Masken auch einen psychologischen Effekt haben können: Sie könnten "das Bewusstsein für 'physical distancing' und gesundheitsbewusstes Verhalten unterstützen". Gleichzeitig solle man sich durch einen solchen Mund-Nasen-Schutz nicht zu sicher fühlen.

3. April: Bundesweit herrscht ein eklatanter Mangel an Masken, Kitteln und Handschuhen, mit denen Patienten und Pflegepersonal vor einer Ansteckung geschützt werden sollen. Die bisher vom Bundesgesundheitsministerium beschafften Schutzmasken wurden über die Bundesländer an Kliniken, Alten- und Pflegeheime, aber auch Arztpraxen verteilt. Doch der Bedarf ist bei weitem nicht gedeckt. In einigen Bundesländern, wie etwa Baden-Württemberg, hatten die Landesregierungen mithilfe von international gut vernetzten, heimischen Unternehmen bereits größere Mengen an Schutzausrüstung besorgen können.

3. April: Spahn macht im Kampf gegen Covid-19 Hoffnung auf das Uralt-Medikament Resochin. Führende Mediziner halten aber eine solche Aussage zumindest für voreilig. Tatsächlich ist die Basis für diese Hoffnung dünn. Resochin, dessen Wirkstoff Chloroquin ist, wurde bereits in den 1930er-Jahren entwickelt und ist in Deutschland nur nach der Verordnung durch einen Arzt erhältlich.

6. April: Ein Verordnungsentwurf Spahns sieht vor, dass angesichts der Corona-Krise Kliniken freie Intensivbetten künftig verpflichtend und täglich an ein zentrales Register melden müssen. "Wir brauchen einen genauen Überblick über belegte und freie Intensivbetten in Deutschland", sagte er. Die allermeisten Kliniken meldeten bereits freiwillig ihre aktuelle Kapazität, aber leider immer noch nicht alle.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 03. April 2020 um 22:10 Uhr.