Gerüchte nach Auto-Attacke Kein Kurde namens "Jens R. Handeln"
Nach der Auto-Attacke von Münster hat die Polizei die Identität des Täters zweifelsfrei geklärt. Im Netz werden dennoch weiter Gerüchte verbreitet. Dazu kommen Fehler in der Berichterstattung.
Von Patrick Gensing, tagesschau.de
Zwei Tage nach der Auto-Attacke von Münster blühen im Netz weiter die Spekulationen. Zunächst hatte unter anderem die AfD-Politikerin Beatrix von Storch mit ihren Tweets für Aufsehen und viel Kritik gesorgt.
"Medien verschweigen"
Doch auch nachdem es keinerlei Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund gibt, wird weiter versucht, eine Verbindung zwischen Islam und Täter zu konstruieren. So twitterte der AfD-Politiker Andre Poggenburg, es gebe Berichte, der Täter sei zum Islam konvertiert. Dies würden die deutschen Medien verschweigen.
Quellen für seine Behauptungen lieferte Poggenburg nicht. Doch wird von verschiedenen rechtsradikalen Blogs auf einen rumänischen TV-Sender verwiesen. Dieser habe berichtet, der Täter sei ein deutscher Staatsbürger mit kurdischen Wurzeln.
Und tatsächlich hatte der Nachrichtensender B1 aus Bukarest dies am Samstag um 18:13 Uhr auf rumänisch gemeldet. Doch eine Quelle für diese Information wurde nicht genannt. Allerdings zitierte der Sender an anderer Stelle in dieser Meldung aus deutschen Medien - doch hier findet sich kein Hinweis auf einen kurdischen Hintergrund des Täters.
Der rumänische Sender B1 berichtete ohne Angaben von Quellen, es handele sich um einen Deutsch-Kurden.
Eine Anfrage des ARD-faktenfinders, auf welche Quelle man sich bezogen habe, beantwortete B1 bislang nicht. Allerdings erscheint es eher unwahrscheinlich, dass ein rumänischer TV-Sender bessere Quellen aus Münster hat als die zahlreichen Journalisten vor Ort. Wahrscheinlich handelte es sich schlicht um einen Übersetzungsfehler oder ein Missverständnis. In der folgenden Berichterstattung wiederholte B1 die Behauptung, es handele sich um einen Kurden, nämlich nicht mehr.
Irreführender Screenshot
Als weiterer vermeintlicher Beweis dafür, der Täter sei Muslim oder Kurde gewesen, wird im Netz ein Screenshot von einem Nachrichtensender aus Österreich gehandelt. Darauf ist ein Ausschnitt vom Livestream auf Oe24.tv zu sehen, darunter eine Texttafel mit der Schlagzeile: "Münster: Auto rast in Menschenmenge - mehrere Tote". Der Mann, der dort gezeigt wird, soll der Täter von Münster sein, wird auf Twitter behauptet.
Im Netz wurde dieser Mann als angeblicher Täter beschuldigt. (Gesicht unkenntlich gemacht)
Hier handelt es sich um eine bewusst irreführende Darstellung - um Fake News. Um 18:04 Uhr, als der Screenshot angefertig wurde, hatte es noch keine Informationen zum Täter gegeben - geschweige denn ein Foto. In der Schlagzeile zu Münster wird auch gar nicht behauptet, es handele sich bei dem Mann um den Täter. Und Roland Daxenbichler, stellvertretender Chefredakteur von Oe24.tv, erklärte auf Anfrage des ARD-faktenfinders:
Wir sind auch über diesen Screenshot gestolpert. Es handelt sich dabei NICHT um den Attentäter von Münster. Es handelt sich um einen Münsteraner, der unserem Fernsehsender Auskunft über die Stadt gegeben hat. Der Screenshot wurde in der kurzen Zeit gemacht, in der das Insert, um wen es sich wirklich auf dem Bild handelt, nicht zu sehen war.
Zudem veröffentlichte OE24 mittlerweile eine Klarstellung, in dem es heißt, ein Screenshot werde für rechte Hetze missbraucht.
Übersetzungsfehler
Ein Fehler unterlief derweil mehreren großen Boulevard-Medien - darunter The Sun, Daily Mirror und Sunday Express. Sie berichteten, bei dem Täter handele es sich um einen Deutschen mit dem Namen "Jens R. Handeln" - oder nur "Jens Handeln". Offenkundig ein Übersetzungsfehler: Deutsche Medien hatten nämlich berichtet, bei dem Täter "soll es sich um Jens R. handeln". Aus dem abgekürzten Nachnamen R. wurde ein zweiter Vorname, "handeln" als Nachname missverstanden.
Mehrere Medien berichteten von einem Täter namens "Jens Handeln".
Identität zweifelsfrei geklärt
Die Polizei in Münster erklärte auf Anfrage des ARD-faktenfinders, man könne die Gerüchte überhaupt nicht bestätigen. Weder sei ein Foto eines mutmaßlichen Täters veröffentlicht worden, noch gebe es Zweifel an der Identität des 48-jährigen Deutschen Jens R., der unter psychischen Problemen gelitten haben soll.
Es gebe keine Hinweise, dass es sich um einen zum Islam konvertierten Kurden gehandelt habe. Die Polizei appellierte erneut, keine Spekulationen und Gerüchte zu verbreiten.