Tötungsdelikt in Idar-Oberstein Reale Gewalt aus einer alternativen Welt
Die Tötung eines 20-Jährigen in Idar-Oberstein durch einen Maskengegner hat viele Menschen erschüttert. Im faktenfinder-Podcast erklären die Fachleute Anetta Kahane und Miro Dittrich, wieso Desinformation und Verschwörungsmythen zu solchen Taten führen können.
Wie konnte es zu der Tat von Idar-Oberstein kommen, wo ein Mann einen 20-Jährigen in einer Tankstelle erschossen hat, weil er eine Maske tragen sollte? Der Analyst Miro Dittrich hat das Twitter-Profil des mutmaßlichen Täters identifiziert und ausgewertet. Im faktenfinder-Podcast berichtet er über die Erkenntnisse.
Demnach hatte der mutmaßliche Täter dort rechtsextreme Verschwörungserzählungen verbreitet und auch Gewaltfantasien geäußert. Bemerkenswert sei, dass sich der Mann bereits vor der Pandemie so geäußert hatte. Es sei eine Person, die schon länger in einer Welt voller Verschwörungserzählungen unterwegs sei.
Alternative Wirklichkeiten im digitalen Raum
Es werde dadurch deutlich, dass es Konsequenzen habe, wenn Menschen in alternative Wirklichkeiten im digitalen Raum abrutschten, sagt Dittrich: "Diese sind sehr oft geprägt von einem drohenden Untergang", von Vorstellungen, man würde in einer Diktatur leben und es gäbe gar keine demokratischen Möglichkeiten mehr, dagegen etwas zu tun.
Wenn man sich nun die Tat von Idar-Oberstein anschaue, sei es ja konkret lediglich darum gegangen, dass der Mann kurz eine Maske tragen sollte - was kein rationaler Grund sein könne, einen Menschen anzugreifen. Doch durch diese alternativen Wirklichkeiten, in der sich die Person solange befunden habe, schien diese Schlussfolgerung hingegen richtig.
Stochastischer Terrorismus
Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung wird selbst seit Jahren bedroht, es gab bereits Anschlagspläne auf ihre Person durch Rechtsextreme, ihr Name findet sich auf zahlreichen "Feindeslisten". Kahane spricht bei der Gewalttat von Idar-Oberstein von einem stochastischen Terrorismus. Das heißt, diese resultiere aus einer aufgeheizten Stimmung, die weit verbreitet sei und die sehr eskalierend wirke.
Fachleute hätten schon lange vor möglichen Gewalttaten gewarnt, es habe auch bereits viele aggressive Vorfälle auf der Straße oder in Läden gegeben. "Man kann fast darauf warten, dass dann einer die Waffe zieht und so eine Tat begeht", meint Kahane. Das könne "dann passieren, wenn jemand so sehr als Feindbild markiert wird oder eine eine Sache so sehr mit Aggression behaftet wird, dass dann tatsächlich jemand mal zuschlägt oder eben jemanden umbringt". Der mutmaßliche Täter sei zwar nicht organisiert, aber es sei eine Form von Terrorismus, "der sozusagen aus dem Augenblick heraus entsteht. Der ist natürlich sehr gefährlich", so Kahane.
Tat wird verharmlost und glorifiziert
Im Gespräch mit tagesschau-Moderator Michail Paweletz diskutieren Kahane und Dittrich, warum einige Milieus die Tat verharmlosen, glorifizieren oder entpolitisieren - und aus dem mutmaßlichen Täter ein Opfer machen wollen.
Den faktenfinder-Podcast gibt es in der ARD-Audiothek, auf tagesschau.de sowie auf großen Plattformen, die Podcasts anbieten.