Aussagen auf Kirchentag Hat Käßmann alle Deutschen als Nazis bezeichnet?
Die prominente evangelische Theologin Margot Käßmann ist Opfer einer Falschdarstellung geworden. Sie hatte beim Kirchentag die Forderung der AfD nach einer höheren Geburtenrate kritisiert. Diese Äußerung wurde in den Sozialen Netzwerken aus dem Kontext gerissen.
Die Theologin Margot Käßmann ist Ziel einer Kampagne in den Sozialen Medien geworden. Käßmann hatte in einer Bibelarbeit auf dem Kirchentag in Berlin die AfD scharf angegriffen. Deren Forderung nach einer "Erhöhung der Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung" entspreche dem "kleinen Arierparagrafen der Nationalsozialisten: Zwei deutsche Eltern, vier deutsche Großeltern - da weiß man, woher der braune Wind wirklich weht", so Käßmann auf der Veranstaltung. Diese Aussagen waren demnach direkt auf das familienpolitische Programm der AfD bezogen.
"Linksfaschistische Ergüsse"
Auf Twitter und von vielen AfD-Seiten wurden hingegen oft nur die beiden letzten Sätze ohne den Zusammenhang zu den Nürnberger Rassegesetzen der Nazis zitiert. Dadurch entstand der Eindruck, Käßmann habe alle Deutschen ohne Migrationshintergrund zu Neonazis erklärt. Ganz vorn auf der Empörungswelle ritt unter anderem die kürzlich aus der CDU ausgetretene AfD-Sympathisantin Erika Steinbach, die von "linksfaschistischen Ergüssen" sprach.
Auch AfD-Parteichef Jörg Meuthen twitterte das Käßmann-Zitat ohne Kontext:
Insbesondere auf AfD-nahen Profilen und Accounts der sozialen Netzwerke war die Empörung daraufhin groß. Dabei wurde die Formulierung von "zwei deutschen Eltern, vier deutschen Großeltern" von einem Politiker der AfD benutzt. Der AfD-Landtagsabgeordnete Ralph Weber hatte im April auf Facebook geschrieben:
Wir müssen und werden dafür sorgen, dass unsere Heimat auch in 30 Jahren noch von deutscher Kultur, deutschen Traditionen, unserer deutschen Sprache und einer deutschen Leitkultur geprägt und geformt wird. Wir "Biodeutsche" mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern müssen hierfür sorgen: Dies sind wir unserer Heimat, unseren Kindern und zugleich unseren Vorfahren schuldig.
Der AfD-Landesvorstand Mecklenburg-Vorpommern hatte diesen Eintrag sogar selbst abgemahnt. So teilte der Vorstand am 27. April mit:
Die Bezugnahme auf "Biodeutsche", mit zwei deutschen Eltern und vier deutschen Großeltern, lässt Raum für Spekulationen auf rassistischen Hintergrund.
Weber hatte die Formulierung nach Kritik aus seinem Posting entfernt.
"Lächerlich und absurd"
Käßmann nannte die Unterstellungen, sie habe alle "Biodeutschen" als Nazis bezeichnet daher "lächerlich und absurd". Nach dieser Lesart "gehörte ich ja selbst auch dazu", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Obwohl die Sätze bereits am Donnerstag gefallen waren, folgte die Empörungswelle bei Twitter erst am Samstag.
Käßmann, die selbst keinen Twitter-Account hat, sagte, sie fühle sich zornig und hilflos. Sie wolle prüfen, inwieweit ihr rechtliche Schritte gegen die Falschdarstellung offen stünden.