US-Angriff auf den Irak 2003 Wie berichtete die ARD damals?

Stand: 02.06.2021 11:25 Uhr

Vor 15 Jahren begann im US-Senat die Anhörung zur Irak-Frage. Immer wieder wird behauptet, deutsche Medien und Politiker hätten 2003 für den Irakkrieg "getrommelt". Dabei war die öffentliche Meinung damals klar gegen einen amerikanischen Angriff auf den Irak. Auch die ARD berichtete sehr kritisch über die US-Pläne.

Von Patrick Gensing, tagesschau.de

Im Internet finden sich zahlreiche Blogs und Videos, die sich mit vermeintlicher "NATO-Kriegspropaganda" beschäftigen. Der Grundtenor ist quasi stets der gleiche: Während Russland einen friedlichen Kurs verfolge, betreibe "der Westen" eine imperialistische und aggressive Außenpolitik - begleitet von einem medialen "Kriegsgetrommel". So heißt es beispielsweise auf einem Blog: "ARD & Co." bereiten nach dem Irakkrieg "den nächsten 'humanitären' Raubzug der Nato-Mächte vor".

Auf einer anderen Seite heißt es:

Die Kriegspropaganda in den geopolitischen Konflikten um Vietnam, Afghanistan (ab 1979), Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien und der Ukraine - um nur einige Beispiele zu nennen - hat Abermillionen Tote und noch mehr verkrüppelte, verwaiste, vertriebene und traumatisierte Menschen produziert und verwüstete, verseuchte und verminte Landstriche hinterlassen. Wie schon die Nazis vor ihnen, wollen auch die Täter in ARD und ZDF von den eigenen Verbrechen hinterher nichts mehr wissen.

Und unter einem Video des russischen Senders "RT Deutsch" steht, Europa sei "nicht nur im Krieg ein Diener der USA, sondern auch wen es darum geht über ihn zu berichten. Man erinnere sich an die ABC-Waffen im Irak. Diese Lüge wurde vom Mainstream verbreitet und kostete am Ende des Tages unzähligen Zivilisten das Leben."

Stimmung deutlich gegen Irakkrieg

Was ist dran an diesen Behauptungen? Wie war die öffentliche Meinung zu den US-Plänen für einen Angriff auf den Irak? Im Jahr 2002 wurde diese Frage ein wichtiges Thema im Bundestagswahlkampf. Damals stellte sich SPD-Spitzenkandidat Gerhard Schröder gegen den sich abzeichnenden Krieg. Der "Spiegel" kommentierte damals:

Geschickt bedient Schröder in diesen Tagen die vorhandenen Vorbehalte in der Bevölkerung gegen einen Irak-Krieg. Eine Mehrheit der Deutschen ist gegen eine Beteiligung - und zwar quer durch alle politischen Lager. "Wer da reingeht, muss wissen, wo er reingeht und was er da will", hatte Schröder am Wochenende zum Wahlkampfauftakt in Hannover unter dem Applaus der Zuhörer erklärt.

Die Bundeszentrale für politische Bildung analysierte, Schröder habe bei seiner ersten Stellungnahme zum Thema Irak von einer überwältigenden Mehrheit ausgehen können, "die eine deutsche Beteiligung an einem Militäreinsatz im Irak ablehnt (Politbarometer 5. August 2002: 81%)". Mit seinem Nein zum Irakkrieg konnte Schröder bei den Wählern also punkten.

"USA haben Sicherheitsrat vorgeführt"

Vor 15 Jahren, am 29. Juli 2002, begann im US-Senat die Anhörung zur Irak-Frage. Joseph Biden, damals Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, sagte, es werde wahrscheinlich Krieg geben. Im Februar 2003 forderte US-Außenminister Colin Powell dann das Ende des Regimes von Saddam Hussein im Irak. Tina Hassel kritisierte in den tagesthemen, die von Powell vorgelegten Indizien gegen den Irak hätten nicht überprüft werden können. In jedem Provinzgericht sei dies undenkbar. Die USA hätten den UN-Sicherheitsrat vorgeführt.

Am 17. März 2003 sprach Immo Vogel in den tagesthemen angesichts des sich abzeichnenden Angriffs der USA von einer Großmacht, die den Colt zücke. Dies sei eine Katastrophe. US-Präsident George W. Bush verspiele starrsinnig die moralische Macht seines Landes, kommentierte Vogel.

Am 20. März 2003 griffen die USA den Irak dann an - und Jörg Schönenborn kritisierte diesen Schritt in den tagesthemen deutlich: Es gebe viele gute Argumente gegen diesen Krieg, so Schönenborn, unter anderem, dass die gesamte Region in Aufruhr versetzt werde und dass Terroristen sich in der ganzen Welt rächen könnten. Selbst wenn der Feldzug der USA erfolgreich sein würde, bliebe dieser Krieg völkerrechtlich und moralisch falsch.

In dem Jahresrückblick 2003 blickt ARD-Korrespondent Tom Buhrow dann auf den Angriff auf den Irak zurück - und thematisiert auch die mediale Inszenierung von US-Präsident Bush.

Fazit: Die Stimmung in Deutschland war ganz überwiegend gegen den Angriff gerichtet, Schröder holte als damaliger Kanzler mit seiner Ablehnung Stimmen im Wahlkampf.

In der ARD wurden die US-Begründungen für den Krieg und Vorwürfe gegen den Irak umgehend kritisiert und hinterfragt, sowie vor den Konsequenzen für die gesamte Region gewarnt. Von einem "Kriegsgetrommel" für den Irakkrieg konnte 2002 und 2003 keine Rede sein.