Zweifel an Aussagekraft Wie genau ist die Impfquote?
Bei den Quoten der Corona-Impfungen gibt es Verwirrung darüber, ob diese das Impfgeschehen widerspiegeln. Betrachtet man die Zahlen genauer, so stellt man fest, dass die Zahlen trotz gewisser Unsicherheiten valide sind.
Eigentlich sollte es kein Problem sein, die Quoten der Impfungen gegen das Sars-CoV-2- Virus tagesgenau zu bestimmen, denn alle impfenden Praxen und Institutionen müssen diese regelmäßig an das Robert Koch-Institut (RKI) weitergeben. Die Meldung aller durchgeführten Impfungen ist vorgeschrieben - allerdings ab unterschiedlichen Stichtagen: Während diese bei Impfzentren bereits seit dem 27. Dezember 2020 erhoben werden, ist dies bei den Kassenarztpraxen erst seit dem 26. März 2021 und bei den Privat- und Betriebsarztpraxen seit dem 7. Juni 2021 der Fall.
Offizielle Datenbasis ungenau
Diese Zahlen werden vom RKI für das Digitale Impfquotenmonitoring (DIM) ausgewertet. Wie auch bei den Infektionsdaten gibt es jedoch Verzögerungen und Datenverluste: Das Institut geht von einer Unterschätzung von bis zu fünf Prozentpunkten für den Anteil mindestens einmal Geimpfter beziehungsweise vollständig Geimpfter aus. Die offiziell gemeldeten Daten sind daher laut RKI-Chef Lothar Wieler als Mindestimpfquote anzusehen.
Grundsätzlich muss man drei Gruppen unterscheiden: Für Kinder, die elf Jahre oder jünger sind, gibt es keine Impfempfehlung. Für die Gruppe der 12- bis 17-Jährigen empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die COVID-19-Impfung mit zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffs. Allen, die älter als 18 Jahre sind, rät die STIKO generell zur Impfung, sofern keine Gegenanzeigen vorliegen.
Daher gibt es den Vorschlag, diejenigen, die aus medizinischen Gründen keine Impfung erhalten können und alle, die elf Jahre und jünger sind, aus der Impfquote herauszurechnen, um ein realistischeres Bild zu erhalten.
Nicht Impfbare statistisch wohl nicht relevant
Über den Anteil der Personen, die aufgrund von gesundheitlichen Gegenanzeigen nicht geimpft werden können, liegen aber weder beim RKI noch bei dem für Impfstoffe zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI) Daten vor. Laut dem RKI ist diese Gruppe jedoch sehr klein: "In der Regel können Personen, die mit einem der Impfstofftypen nicht impfbar sind, mit dem anderen geimpft werden. Bei Allergien gegen Bestandteile von mRNA-Impfstoffen können Vektorimpfstoffe verwendet werden und umgekehrt", teilte eine Sprecherin dem ARD-faktenfinder mit. "Allergien gegen Bestandteile aus beiden Impfstoffen dürften eine Rarität sein."
Weitere Kontraindikationen des AstraZeneca-Impfstoffes Vaxzevria beträfen das vorbestehende Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS) oder Kapillarlecksyndrom. Beides sein jedoch sehr selten. In diesen Fällen könnten wiederum die mRNA-Impfstoffe eingesetzt werden, so die Sprecherin weiter.
Und was ist mit den Genesenen?
Zu der Zahl der von COVID-19 Genesenen gibt es allerdings keine genauen Statistiken. "Bei der Schätzung der Genesenen-Zahl werden die Angaben, ob ein COVID-19-Fall verstorben ist und ob Angaben zur Hospitalisierung vorliegen, berücksichtigt. Je nach Verfügbarkeit werden in Abhängigkeit von Erkrankungsbeginn bzw. Meldedatum feste Zeitintervalle addiert, wobei angenommen wird, dass der Großteil der Personen in diesem Zeitraum bereits wieder genesen ist", erklärte eine RKI-Sprecherin gegenüber dem ARD-faktenfinder.
Spielt die Altersstruktur eine Rolle?
Ein differenzierteres Bild erhält man, wenn man die Impfquoten der einzelnen Bundesländer mit deren Altersstruktur vergleicht. Diese sah laut Statistischem Bundesamt zum 3. Dezember 2020 wie folgt aus:
Bundesland | 1-11 Jahre | 12-17 Jahre | 18-59 Jahre | Über 60 Jahre | Gesamt |
---|---|---|---|---|---|
Baden-Württemberg | 1260623 | 625034 | 6178939 | 3038447 | 11103043 |
Bayern | 1470963 | 705319 | 7347407 | 3616494 | 13140183 |
Berlin | 429580 | 180642 | 2138015 | 915851 | 3664088 |
Brandenburg | 270984 | 132177 | 1279901 | 848009 | 2531071 |
Bremen | 76229 | 35896 | 380456 | 187549 | 680130 |
Hamburg | 218627 | 94864 | 1100517 | 438470 | 1852478 |
Hessen | 710481 | 349077 | 3490715 | 1742881 | 6293154 |
Mecklenburg-Vorpommern | 165341 | 80917 | 809958 | 554558 | 1610774 |
Niedersachsen | 886018 | 451469 | 4315394 | 2350540 | 8003421 |
Nordrhein-Westfalen | 2014762 | 1003074 | 9819730 | 5088004 | 17925570 |
Rheinland-Pfalz | 449865 | 220494 | 2209752 | 1218280 | 4098391 |
Saarland | 97074 | 49188 | 516603 | 321126 | 983991 |
Sachsen | 440548 | 205730 | 2037556 | 1373107 | 4056941 |
Sachsen-Anhalt | 216948 | 105713 | 1082502 | 775521 | 2180684 |
Schleswig-Holstein | 310472 | 161961 | 1556050 | 882392 | 2910875 |
Thüringen | 218365 | 105509 | 1057819 | 738544 | 2120237 |
Das RKI ermittelte am Stichtag 15. November die folgenden Quoten vollständig Geimpfter:
Bundesland | 12-17 Jahre | 18-59 Jahre | 60+ Jahre | Gesamt |
---|---|---|---|---|
Baden-Württemberg | 40,4 | 72,5 | 84,1 | 76,3 |
Bayern | 41,3 | 72,2 | 83,4 | 75,9 |
Berlin | 43,0 | 74,9 | 88,4 | 79,0 |
Brandenburg | 31,5 | 64,1 | 81,2 | 70,9 |
Bremen | 48,7 | 91,2 | 92,9 | 91,8 |
Hamburg | 46,0 | 84,3 | 87,0 | 85,1 |
Hessen | 43,7 | 73,7 | 84,4 | 77,3 |
Mecklenburg-Vorpommern | 30,5 | 69,5 | 85,4 | 76,0 |
Niedersachsen | 50,7 | 75,4 | 88,1 | 79,9 |
Nordrhein-Westfalen | 51,3 | 78,4 | 88,5 | 81,8 |
Rheinland-Pfalz | 44,4 | 72,9 | 86,2 | 77,6 |
Saarland | 47,4 | 80,5 | 90,1 | 84,2 |
Sachsen | 27,3 | 58,4 | 79,0 | 66,7 |
Sachsen-Anhalt | 28,3 | 65,6 | 84,3 | 73,4 |
Schleswig-Holstein | 56,9 | 80,8 | 89,7 | 84,0 |
Thüringen | 30,4 | 62,8 | 82,3 | 70,8 |
Daraus ergeben sich - mit einer gewissen Ungenauigkeit durch die unterschiedlichen Stichtage - die folgenden Diskrepanzen zwischen den gemeldeten Impfquoten und dem Anteil der Geimpften, die älter als zwölf Jahre sind und damit tatsächlich geimpft werden können:
Betrachtet man die beiden Quoten, so stellt man fest, dass sich die Verhältnisse - bezogen auf die einzelnen Bundesländer - trotzdem sehr ähnlich sind. Auch wenn man die altersbedingt nicht Impfbaren herausrechnet, ändert sich das Grundbild also nicht. Folgt man der Argumentation von RKI und PEI, spielen die aufgrund von medizinischen Indikationen von der Impfung ausgeschlossenen für die Statistik keine Rolle.