Medien fallen auf Fake herein Seehofer hat Bündnis nicht aufgekündigt
In der Regierungskrise hat ein Tweet für Aufsehen gesorgt, wonach die CSU das Bündnis mit der CDU aufgekündigt habe. Mehrere Medien verbreiteten die Nachricht. Es handelt sich aber um einen Fake.
Von Patrick Gensing, ARD-faktenfinder
"CSU-Chef Horst Seehofer hat nach einem Bericht des Hessischen Rundfunks das Unionsbündnis mit der CDU aufgekündigt." Das meldete die Nachrichtenagentur Reuters erst um 12:19 Uhr auf Englisch und um 12:21 Uhr auf Deutsch. Sie bezog sich dabei auf einen vermeintlichen Bericht des Senders, der sich wiederum auf eine interne E-Mail des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) berufen habe.
Basis für diese Eilmeldung war ein Tweet, in der Bouffier angeblich verkündet, man müsse sich darauf vorbereiten, bald eine Bayern-CDU aufzubauen. Veröffentlicht wurde dieser Tweet auf einem Profil, das sich zwischenzeitlich "hr Tagesgeschehen" nannte.
Sieben Minuten später folgt die Korrektur von Reuters: Der Tweet gehe auf das Satiremagazin "Titanic" zurück.
Dass das Profil nicht vom Hessischen Rundfunk stammt, legen ältere Tweets nahe. Bis zum Vortag waren dort Kommentare veröffentlicht worden, die nichts mit Nachrichten zu tun haben. Mittlerweile heißt der Account "Moritz Hürtgen / hr Tagesgeschehen". Hürtgen ist Redakteur der "Titanic".
Medien stellen falsche Berichte richtig
Mehrere Medien verbreiteten die falsche Nachricht weiter, beispielsweise der russische Staatssender RT Deutsch. Auch die "Bild"-Zeitung veröffentlichte eine "Breaking News", wonach Seehofer laut einem Bericht des Hessischen Rundfunks das Unionsbündnis aufgekündigt habe. Dieser Artikel wurde mittlerweile gelöscht.
Auch auf tagesschau24 wurde kurzzeitig in einem Crawl gemeldet, es gebe einen entsprechenden Bericht des Hessischen Rundfunks - mit umgehender Richtigstellung. Der Sender ntv meldete ebenfalls den angeblichen Bruch zwischen CSU und CDU - und entschuldigte sich wenig später dafür. "Focus Online" fiel auch auf die falsche Meldung herein, genau wie die österreichische Zeitung "Der Standard". Alle haben sich mittlerweile korrigiert.
Thema im Bundestag
Der falsche Tweet wurde sogar Thema im Bundestag. Beatrix von Storch von der AfD thematisierte den vermeintlichen Bruch im Plenum. Sie meldete sich bei einer Rede des SPD-Abgeordneten Helge Lindh zu Wort und merkte an, die "Bild"-Zeitung habe von einem Bruch des Unionsbündnisses berichtet. Lindh entgegnete, dies sei hier gerade nicht das Thema, sondern es gehe um den Familiennachzug.
Der Vizechef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans Michelbach, bekräftigte zudem, die Meldung über eine Aufkündigung der Regierungskoalition durch seine Partei sei "Quatsch". Gegenüber Reuters sagte er: "Wir wollen die Fraktionsgemeinschaft (mit der CDU) und die Koalition erhalten." Seiner Partei gehe es um Sachlösungen im Flüchtlingsstreit.
Aktion als Medienkritik
"Titanic"-Redakteur Moritz Hürtgen hatte die Falschmeldung in Umlauf gebracht. Im Gespräch mit dem BR sagte er, diese Aktion sei als Medienkritik gedacht: Bei "MioMioGate haben wir gezeigt wie die BILD arbeitet, jetzt haben wir gezeigt, wie Online-Journalismus funktioniert". Stolz sei er auf die Aktion nicht, sagte Hürtgen: "Eher entsetzt". Der Aufwand für den Fake habe sich in sehr engen Grenzen gehalten: "Ich kokettiere nicht, wenn ich sage das waren 30 Minuten Arbeit."