Medienfreiheit in Russland und USA Wer ist "ausländischer Agent"?
Die russischen Sender RT und Sputnik haben sich in den USA als "ausländische Agenten" registrieren lassen. In Russland trifft eine Regelung über "ausländische Agenten" nun mehrere US-Medien. Doch die Gesetze haben unterschiedliche Auswirkungen.
Im November haben die vom russischen Staat finanzierten Auslandsmedien RT und Sputnik der Forderung der US-Regierung Folge geleistet: Sie ließen sich in den USA als "ausländische Agenten" registrieren. Russland reagierte mit der Verabschiedung von Änderungen am Mediengesetz stufte seinerseits neun US-Medien als "ausländische Agenten" ein, darunter "Voice of America" und "Radio Free Europe/Radio Liberty".
Russland vollzieht damit eine Ankündigung von Präsident Wladimir Putin aus dem Oktober: Beim internationalen Forum des Waldai-Clubs hatte er eine umgehende und symmetrische Reaktion angekündigt, sollte die Arbeit der russischen Medien in den USA eingeschränkt werden.
Beweispflicht liegt beim US-Justizministerium
In den USA ist Basis für die Einstufung als "ausländischer Agent" der seit 1938 geltende "Foreign Agent Registration Act" (FARA). Er betrifft "Agenten", die im Auftrag ausländischer Regierungen, Parteien oder Institutionen tätig sind - und politische oder wirtschaftliche Vorteile durch die Beeinflussung amerikanischer Entscheidungsprozesse anstreben. Das US-Justizministerium muss zunächst nachweisen, dass Personen oder Organisationen in diesem Sinne agieren, bevor sie als "ausländische Agenten" in die FARA-Datenbank aufgenommen werden.
RT und Sputnik gehören zur Medienholding "Rossija Sewodnja", die ihren Sitz im Zentrum Moskaus hat.
Bei FARA geht es vor allem um Transparenz
"Ausländische Agenten" sind verpflichtet, ihre Finanzquellen und Ausgaben regelmäßig offen zu legen. Wenn Informationsmaterialien verbreitet werden, müssen sie einen Hinweis enthalten, dass sie im Auftrag einer ausländischen Rechtsperson erstellt wurden.
Es gehe um Transparenz, erklärt Craig Holman von der Bürgerrechtsorganisation "Public Citizen" in Washington. "FARA war und ist schlicht ein Offenlegungsgesetz." Jede Person oder Organisation, die in den USA als "ausländischer Agent" gekennzeichnet werde, könne auch weiterhin in den USA lobbyieren und die öffentliche Meinung beeinflussen. Als Beispiel führt er die vom chinesischen Staat kontrollierte Zeitung "China Daily" an, die der chinesische Staat kontrolliert. Sie sei bereits vor Jahrzehnten als "ausländischer Agent" registriert worden und agiere weiter erfolgreich in den USA.
FARA und ein weiteres Gesetz namens "Lobbying Disclosure Act" spielten in den USA in den vergangenen Jahren vor allem eine Rolle hinsichtlich von Lobbyorganisationen, die in Washington Kongress und Administration zu beeinflussen versuchen. Nach einem US-Medienbericht gab es in den vergangenen 50 Jahren lediglich sieben Gerichtsfälle wegen Verstößen gegen FARA.
In Russland liegt Beweispflicht bei Medien und NGOs
Doch was bedeutet die Einstufung von US-Medien als "ausländischer Agent" in Russland? Laut den gerade verabschiedeten Gesetzesänderungen müssen die betroffenen Medien ihre Finanzquellen und ihre Ausgaben offenlegen. Die Regeln orientieren sich an einem Gesetz für "ausländische Agenten" für Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die Geld aus dem Ausland erhalten und "politisch aktiv" sind. Diese Registrierungspflicht beim Justizministerium besteht seit fünf Jahren.
Folge sind strenge Rechenschaftsregeln und eine Kennzeichnung ihrer Publikationen als "ausländischer Agent". Die Beweispflicht liegt jedoch nicht beim Justizministerium. Vielmehr müssen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) dagegen klagen, wenn sie gegen ihren Willen in die Liste aufgenommen wurden. Der Gang vor Gericht bedeutet hohen Aufwand und geringe Erfolgsaussichten, denn im NGO-Gesetz ist nur sehr vage festgehalten, was als "politische Aktivität" gilt.
Härtere Konsequenzen
Die Kennzeichnung als "ausländischer Agent" kommt einer Stigmatisierung gleich. Denn dieser Begriff stand schon zu Sowjetzeiten für den Feind. Behörden und öffentliche Einrichtungen ziehen sich aus der Zusammenarbeit mit betroffenen NGOs zurück, ehrenamtliche Mitarbeiter verlieren ihre Jobs.
Harte Maßnahmen gegen "unerwünschte Organisationen"
Zusätzlich zu den "ausländischen Agenten" wurde 2015 in Russland die Kennzeichnung als "unerwünschte Organisation" eingeführt. Sie gilt für ausländische und internationale Organisationen, die eine "Bedrohung für das Fundament der verfassungsrechtlichen Ordnung der Russischen Föderation, die Verteidigungsfähigkeit oder die Sicherheit des Staates darstellen". Welche Aktivitäten konkret darunter fallen, ist auch in diesem Fall nicht genau definiert.
Betroffene Organisationen dürfen in Russland nicht mehr aktiv sein, ihre Repräsentanzen müssen geschlossen werden. Russischen Bürgern und Institutionen ist unter Androhung von Geld- und Gefängnisstrafen eine Zusammenarbeit mit "unerwünschten Organisationen" verboten.
US-Organisationen in Russland "unerwünscht"
Bislang wurden mehrere US-amerikanische und eine in Großbritannien registrierte Organisation als "unerwünscht" erklärt. Dazu zählen die "Open Society Foundations" von George Soros und der "National Endowment for Democracy".
"Repressive FARA-Version"
Dass sich die russische Führung bei ihren Maßnahmen immer wieder auf die USA und im Besonderen auf FARA als Vorbild bezieht, sorgt für Widerspruch. "Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein", sagt Bürgerrechtsexperte Craig Holman. "Putin hat in irreführender Weise FARA als Modell für russische Gesetze benutzt, nach denen jede russische NGO, die auch nur eine kleine finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhält, als 'ausländischer Agent' schikaniert werden kann", so Holman.
Zu den betroffenen Organisationen zählt die russische Wahlbeobachtergruppe Golos.
Das gelte auch für "unerwünschte Organisationen", die ausgewiesen werden. "Russlands FARA-Version hat nichts mit Offenlegung zu tun. Es geht um staatliche Repression gegen jene, die Putin herausfordern." Holmans Meinung nach sollten Nachrichtenmedien dennoch von den FARA-Regeln ausgeklammert bleiben, solange sie über ein ausreichendes Maß an Unabhängigkeit verfügen, wie dies auf die BBC oder die Deutsche Welle zutreffe, die nicht FARA unterliegen.
Dass FARA nun auf RT und Sputnik angewendet wird, liegt an der Rolle, die ihnen im US-Präsidentschaftswahlkampf zugeschrieben wird. In den USA werden nun auch Forderungen laut, Internetfirmen wie Facebook zu Transparenz zu verpflichten - zum Beispiel darüber, wer wie viel politische Werbung gekauft hat. In Russland sollen US-Medien keine Akkreditierung mehr für beide Kammern der Duma in Moskau erhalten, nachdem RT die Akkreditierung für den US-Kongress entzogen wurde.