Teilnehmerinnen einer Demonstration von Gegnern der Coronamaßnahmen der Bundesregierung in Leipzig halten Schilder mit der Aufschrift "Nein zum Impfzwang" und "Nehmt die Masken ab".
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Sender AUF1 Desinformationen ohne Lizenz?

Stand: 28.04.2023 10:11 Uhr

Der österreichische Sender AUF1 verbreitet Falschmeldungen und Verschwörungsmythen - und erreicht dabei auch in Deutschland viele Menschen. Die österreichische Medienbehörde hat nun ein Verfahren gegen AUF1 eingeleitet.

Von Carla Reveland und Pascal Siggelkow, Redaktion ARD-faktenfinder

"Man versucht auf allen Ebenen, uns jetzt fertigzumachen", sagt Stefan Magnet, Chefredakteur des österreichischen rechtsalternativen Online-Senders AUF1 in einem aktuellen Video. Das Narrativ, sich gegen eine vermeintliche Hetzkampagne der "Systemmedien" behaupten zu müssen, zieht sich zurzeit durch die Beiträge des Senders. "Die Systemmedien hassen AUF1, weil wir bei ihren Lügen nicht mitspielen", heißt es beispielsweise - verknüpft mit dem Aufruf einer Spende an den Sender.

Der Grund für die Aufregung: Die österreichische Medienbehörde KommAustria hat kürzlich bekannt gegeben, ein Verfahren gegen AUF1 wegen des Verdachts auf Senden ohne Zulassung eingeleitet zu haben, "da offensichtlich von AUF1 gestaltete Inhalte im Rahmen des terrestrisch im Raum Linz verbreiteten Programms RTV ausgestrahlt werden", schreibt KommAustria auf Anfrage des ARD-faktenfinders. Einen Lizenzantrag habe AUF1 aber wohl nie eingereicht.*

Auch österreichischen Sicherheitsbehörden bekannt

Im Februar 2022 hatte KommAustria bereits eine inhaltliche Prüfung von AUF1 eingeleitet. Dabei ging es um mögliche Verstöße gegen das Audiovisuelle-Mediendienste-Gesetz. Das Gesetz besagt unter anderem, dass Berichterstattung und Informationssendungen "in allen Fernsehprogrammen den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen" haben. Und weiter: "Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen." Die inhaltliche Frage ist laut KommAustria "noch Gegenstand der Prüfung".

Auch den österreichischen Sicherheitsbehörden ist AUF1 bereits bekannt, wie ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage des ARD-faktenfinders mitteilt. "Aufgrund der Themenwahl des Senders ist davon auszugehen, dass ein gewisser Einfluss auf extremistische oder verschwörungsideologische Kreise gegeben ist. Bis dato konnten allerdings keine verfassungswidrigen beziehungsweise strafbaren Inhalte wahrgenommen werden."

Verschwörungsideologisches Weltbild

AUF1 steht laut Selbstdarstellung als Abkürzung für "Alternatives Unabhängiges Fernsehen, Kanal 1", verbreitet über seinen Sender jedoch immer wieder Falschinformationen und Verschwörungserzählungen. In den Beiträgen ist von "Impf-Massentötung", der "tödlichen Transhumanismus-Agenda" oder einem "Asyl-Tsunami" die Rede.

Die Themen, die AUF1 behandelt, würden in große Weltverschwörungserzählungen eingeordnet, sagt Jan Rathje, Senior Researcher vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS). Auf einmal sei alles "Teil einer großen Verschwörung mit dem Ziel der Auslöschung der weißen Bevölkerung in Europa".

So sagt Magnet in einem Video beispielsweise, er habe zu Beginn der Corona-Pandemie nicht glauben können, dass "alles zentral gelenkt und gesteuert ist". AUF1 habe "den Schleier gelüftet. Wir wissen, dass die WHO und das World Economic Forum hier die Strippen gezogen haben, dass es einen Plan gab, um dieses Pandemie-Spiel abzuwickeln".

"Ägide der Angstvergrößerung"

Der rechtsalternative Sender hat sich während der Corona-Pandemie gegründet. Am 31. Mai 2021 ging AUF1 erstmals mit einem Beitrag online auf Sendung. Der Sender ist in Österreich beheimatet, wendet sich aber an den gesamten deutschsprachigen Raum. Die Reichweite ist seit der Gründung rasant gestiegen, so dass der Sender mittlerweile zu einem der größten "Alternativmedien" für die Querdenker-Szene und das verschwörungsideologische Milieu zählt.

Daten des CeMAS zeigen, dass AUF1 hinter der Präsenz von Reitschuster inzwischen auf Platz zwei in der Reichweite von "alternativen" Medien angekommen ist. Allein bei Telegram hat der Kanal von AUF1 knapp 230.000 Abonnenten. "Wenn man sich anschaut, wie viele Abonnenten ein Kanal besitzt, ist das doch durchaus außergewöhnlich, weil AUF1 damit auch an verschiedenen anderen 'alternativen' Medien vorbeigezogen ist", sagt Senior Researcher Rathje.

Der Zeitpunkt der AUF1-Gründung während der Corona-Krise überrascht Andreas Peham, Rechtsextremismus- und Antisemitismusforscher am Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), nicht. "Die Desinformation steht damals wie heute unter der Ägide der Angstvergrößerung. Weil Menschen, die übergroße Angst haben, eher bereit sind, extreme Ansichten zu unterstützen." Ohne Krisen würden die Inhalte nur wenig Anklang finden. "Wenn es keine Krise gibt, die man verstärkt, dann wird eine Krise erfunden."

Rasantes Wachstum des Senders

Für den schnellen Erfolg des Senders gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze. Zum einen liegt dies laut Peham an der hohen Nachfrage an Boulevardjournalismus, den die "alternativen" Medien mit ihrem Schüren von Ängsten bedienen würden.

Zum anderen nennt Peham den enormen finanziellen Aufwand und die damit einhergehende professionelle Aufmachung von AUF1. "Woher diese Mittel kommen, kann ich leider nicht klären." Offiziell finanziert sich der Sender über Spenden. Zudem gibt es den AUF1-Shop, wo unter anderem Aufkleber mit der Aufschrift "Nein zum Impfzwang" angeboten werden. Experten bezweifeln jedoch, dass dies der einzige Geldfluss ist.

Auch die Sozialen Medien spielen eine große Rolle für den Erfolg. Die Hauptplattform von AUF1 dabei ist Telegram - eine Plattform, die sich gerade in der AUF1-Zielgruppe während der Corona-Pandemie fest etabliert hat. "Es haben sich gerade die Leute, die auf Corona-Demonstrationen gehen und häufig auch offen für verschwörungsideologische Ansätze sind, an die Nutzung von Telegram gewöhnt", sagt Journalist und Soziologe Sören Musyal. Der Zeitpunkt zur Etablierung des neuen Kanals sei deshalb sehr gut aufgegangen.

Österreichisches Netzwerk aus "alternativen" Medien

Der schnelle Wachstum von AUF1 liege zudem auch daran, dass "ein Konglomerat aus 'alternativen' Medien aufeinander verweisen und so die Inhalte gegenseitig pushen", sagt Musyal. Denn neben AUF1 gibt es noch weitere "alternative" Medien in Österreich - zu den reichweitenstärksten zählen unter anderem der "Wochenblick", "Report24" und "Info-DIREKT".

In Oberösterreich habe sich seit einigen Jahren, verstärkt nochmal durch die Corona-Pandemie, "ein regelrechtes rechtes Medien-Netzwerk rund um die FPÖ, aber auch darüber hinaus, aufgebaut", sagt der österreichische Politiker und Betreiber des Blogs "Stoppt die Rechten", Karl Öllinger. Gemeinsam verfügen diese Medien über eine beachtliche Reichweite in Österreich und Deutschland.

Den Anfang machten die 2016 gegründete Wochenzeitung "Wochenblick", vor deren irreführender Berichterstattung auch der österreichische Presserat warnt, sowie die rechte Zeitschrift "Info-DIREKT". Das "Magazin für Patrioten", wie es sich selbst nennt, fällt mit rechtsextremen Inhalten wie beispielsweise zum angeblichen "Bevölkerunsgaustausch" auf.

Die unterschiedlichen Medien "teilen sich das gesamte rechtsextreme beziehungsweise rechtsoffene Spektrum sehr gut auf", sagt Öllinger. So konzentriere sich Report24 primär auf die Szene der Corona-Leugner und Corona-Maßnahmen-Kritiker. Unterstützt werde Report24 dabei von der österreichischen Partei "MFG", was für Menschen, Freiheit, Grundrechte steht. AUF1 sei wiederum lange Zeit sehr nahe bei der rechtspopulistischen FPÖ zu verorten gewesen.

Rechtsextreme Vergangenheit

"Es sind natürlich keine 'alternativen' Medien, sondern es handelt sich um Desinformation", sagt Peham vom DÖW. "Viele dieser Akteure, die sich heute ein journalistisches oder seriöses Mäntelchen umzuhängen versuchen, haben ihre ersten politischen Gehversuche im organisierten Neonazismus gemacht."

So auch AUF1-Chef Magnet. Er war ein Führungskader beim "Bund freier Jugend" (BfJ), einer rechtsextremen Jugendorganisation aus Österreich - zusammen mit Michael Scharfmüller, Chef von "Info-DIREKT". Vor der Gründung von AUF1 war Magnet bereits beim "Wochenblick" tätig, zudem leitet er eine Medienagentur, zu deren Kunden auch die FPÖ zählte. Die Chefredakteurin vom "Wochenblick", Elsa Mittmannsgruber, hat wiederum eine eigene Sendung bei AUF1.

Auch Andreas Retschitzegger, Programmleiter für AUF1 in Deutschland, ist ein ehemaliger BfJ-Kader, der auch in der FPÖ-Jugendorganisation, im Ring Freiheitlicher Jugend, tätig war.

* Update: Wie aus einem Bescheid der österreichischen Medienbehörde KommAustria hervorgeht, hat AUF1 rechtswidrig im österreichischen Privatfernsehen gesendet. Die KommAustria ist nun zuständig dafür, ein Strafverfahren einzuleiten. Dem Sender drohen bis zu 40.000 Euro Strafe. Zuerst hatte Correctiv darüber berichtet.