Europawahl 2024
Populisten bei der Europawahl Feindbild Europa
In mehreren Staaten zeichnen sich Erfolge von EU-skeptischen und rechtspopulistischen Parteien wie dem französischen Front National ab. Sie gehen mit ähnlichen Parolen auf Stimmenfang - doch ideologisch und strategisch bleiben Differenzen.
Besonders in Frankreich wird ein Erfolg der Rechtsradikalen befürchtet: Der Front National hat sich unter der Führung von Marine Le Pen deutlich modernisiert, vom Krawallimage verabschiedet und setzt thematisch auf die in Europa weit verbreitete Muslimfeindlichkeit.
Le Pen will dabei ein moderateres Auftreten, von rechtsextremen Splitterparteien wie der British National Party (BNP), der italienischen Forza Nuova (FN) oder der deutschen NPD distanziert sich der Front National deutlich. Dafür sucht man die Nähe zu Parteien wie der östereichischen FPÖ oder zur Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit) des Niederländers Geert Wilders sowie zur United Kingdom Independence Party (UKIP). Sie wollen im künftigen Europaparlament den Ton angeben.
Bündnis in Planung
Bislang sind mehrere euroskeptische und rechtspopulistische Parteien im Europaparlament in der Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie organisiert, der Front National ist allerdings nicht dabei. Nach der Wahl streben Le Pen, Wilders und weitere Rechtspopulisten ein neues Bündnis an, um die Privilegien einer Fraktion in Anspruch nehmen zu können - und aus dem Europaparlament heraus, auf Kosten der EU, gegen die EU polemisieren zu können.
Soweit die Theorie. Doch in der Praxis hat sich die Zusammenarbeit von Rechtsradikalen zumeist als sehr problematisch erwiesen. Ein Beispiel ist die Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie, die in vielen Abstimmungen überhaupt keine einheitliche Linie findet. Bereits in den vergangenen Jahren scheiterten rechtsradikale Bündnisse an ihrem eigenen Hass auf Fremde. Die Internationale der Nationalisten wurde mehrmals zur Lachnummer.
Gemeinsame Feindbilder
Das wollen Le Pen und Wilders nun besser machen. Sie setzen auf gemeinsame Feindbilder - und das sind vor allem Muslime und die EU. Gleichzeitig umwirbt Le Pen bereits die United Kingdom Independence Party (UKIP), die den großen Parteien in London bereits viele Sorgen bereitet hat. Denn die UKIP liegt bei Umfragen kontinuierlich bei mehr als 25 Prozent - teilweise sogar vor Labour und den Konservativen.
Die UKIP ist Mitglied der Partei "Europäische Allianz für Freiheit", die im Jahr 2010 gegründet wurde. Mitglieder sind neben der UKIP derzeit die FPÖ, der Vlaams Belang aus Belgien, die Schwedendemokraten sowie der Front National. Nach der Wahl sollen die italienische Lega Nord, die Slowakische Nationalpartei SNS sowie die Partei von Geert Wilders dazukommen.
Genau wie eine Fraktion bringt auch eine europäische Partei den Beteiligten diverse Vorteile. Hier zeigt sich aber ein Dilemma der rechten Europagegner: Einerseits kämpfen sie gegen die EU, andererseits wären sie ohne die EU wahrscheinlich weitestgehend bedeutungslos und würden auf Geld und Mandate verzichten müssen. Die Euroskeptiker sind selbst mit die größten Profiteure der EU.
Gemeinsame Ziele?
Und auch sonst gibt es innere Widersprüche und ideologische Differenzen im rechten Lager: So setzte sich Geert Wilders beispielsweise für die Rechte von Schwulen und Lesben ein, während der Front National in Frankreich Proteste gegen die Gleichstellung unterstützt. Auch die meisten anderen Rechtspopulisten halten herzlich wenig von Ideen wie der Ehe für Alle.
Wilders agiert zumeist nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund - und so ist er auch klar prowestlich und proisraelisch orientiert, was ebenfalls eine Menge Konfliktpotenzial bei den Rechtspopulisten in sich birgt. Zudem vertreten die einzelnen Gruppierungen recht unterschiedliche Positionen, welche Rolle der Staat einzunehmen habe. Während einige, wie der Front National, mehr Sozialleistungen für ärmere Franzosen fordern, sind andere Parteien aus dem Spektrum eher rechtslibertär orientiert und auf Staatsferne bedacht.
"Das geht in Richtung Bonapartismus"
Gemein haben die europäischen Rechtsausleger hingegen, dass sie mehr direkte Demokratie fordern. Auch diese Parole soll den Gegensatz zum EU-Bürokratismus deutlich machen. Der Soziologe Andreas Kemper betonte in der "taz" allerdings, das habe "nichts mit Basisdemokratie zu tun, sondern geht in Richtung Bonapartismus, in Richtung einer Volk-Führer-Struktur". Doch mit solchen Forderungen stilisieren sich die Rechtspopulisten als Fürsprecher des kleines Mannes, der hilflos mit ansehen muss, wie die "EUdSSR" - wie die EU in diesen Kreisen gerne genannt wird - seine Gurken und Kaffeemaschine normiert.
Der EU wird zudem vorgeworfen, die Nationalstaaten auflösen zu wollen - die Union ist somit der Feind von Außen, während im Innern die Zuwanderer den Bestand der jeweiligen Nation bedrohen. Diese Feindbilder ergänzen sich in der Ideologie der Europagegner perfekt, denn durch die Freizügigkeit in der EU werde die Zuwanderung erst noch angekurbelt, so das gängige Argument, auf das auch die Alternative für Deutschland setzt. Doch will die AfD nichts mit den geplanten Bündnissen der Rechtspopulisten zu tun haben.
Die modernen Rechtsausleger haben sich in Europa formiert, sie werden wohl in Skandinavien, den Benelux-Staaten, Frankreich, Großbritannien, Österreich, Deutschland Erfolge einfahren können. Aber es gibt auch Staaten, wo die Begeisterung für die EU ungebrochen ist. Beispielsweise im Baltikum sind europafeindliche Parolen bedeutungslos. Auch in Irland oder Portugal spielen solche Strömungen kaum eine Rolle.
Vision für Europa?
Möglicherweise werden die abzusehenden Erfolge der Europaskeptiker die proeuropäischen Kräfte im Europaparlament dazu bringen, wieder stärker über eine Vision für die EU nachzudenken, die über den Euro hinausgeht. Die Rechtspopulisten haben auf jeden Fall eine klare Vorstellung: Sie wollen weg von Europa, hin zum Nationalismus. Ein Angebot, das in Europa einmal mehr auf fruchtbaren Boden fällt.