Zeitzeugenberichte Zeitzeugen: "Männer, stöhnend und brüllend"
Sie erinnern sich an den 6. Juni 1944, als wäre er gestern gewesen: Ehemalige amerikanische Infanteristen, frühere deutsche Wehrmachtssoldaten, französische Zivilisten und britische Piloten - die Beteiligten sind noch 60 Jahre später durch ihre Erlebnisse tief geprägt.
Den 6. Juni 1944 werden sie nie vergessen. Manche erinnern sich an die Landung der Alliierten in der Normandie, als wäre er gestern gewesen. Gleich, ob sie damals amerikanische GIs, deutsche Wehrmachtssoldaten oder Zivilisten im besetzten Frankreich waren, noch 60 Jahre später sind die Zeitzeugen durch ihre Erinnerungen tief geprägt.
Die Zeitzeugen sind gefragte Interviewpartner für die Medien und Historiker. Andere haben ihre Erinnerungen aufgeschrieben, für sich und die Nachwelt. Wer damals ein junger Soldat war, ist heute um die 80. Lange werden die Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Im Landungsboot am "Omaha Beach"
Die Bibliothek des US-Kongresses sammelt Zeitzeugenberichte wie den des Veteranen Kenneth T. Delaney. Der US-Soldat gehörte zu den ersten Landungstruppen. Kurz nach sechs Uhr morgens fuhr er am D-Day in einem Transportboot auf die Landezone "Omaha Beach" zu: "Ich guckte zur Seite und sah, wie einige Landungsboote explodierten. Schiffe wurden getroffen und Männer wurden getötet, das war ein Anblick. Ich war nicht nervös, ich war nur seekrank." Neben Gewehr und Handgranaten trug Delaney Spezialsprengstoff, um deutsche Stacheldrahtverhaue aus dem Weg zu räumen.
Soweit kam es für ihn nicht: "Wir näherten uns dem Strand, sie ließen die Klappe des Landungsschiffs herunter, und wir liefen los. Als ich herauskam, fühlte ich einen Stich. Es war ungeheuer heiß. Ich wusste, dass ich in den linken Fuß getroffen worden war. Der Schmerz kroch mein Bein hinauf. Ich robbte über den Strand auf eine Mauer zu. Dahinter hockte schon ein ganzer Haufen Männer, stöhnend und brüllend. Alle waren verwundet."
MG-Schütze: "Schiffe, Schiffe und nochmals Schiffe"
Der ehemalige deutsche Wehrmachtssoldat Franz Gockel stand am "Omaha Beach" auf der anderen Seite: "Ich war in einem MG-Stand, der aus Holzbalken bestand. Ich hatte einen Überblick über den gesamten Landungsabschnitt auf etwa fünf Kilometer", erzählt er im ARD-Morgenmagazin. "Im Morgengrauen sah ich die Schiffe, wie von Geisterhand am Horizont aufgestellt. Schiffe, Schiffe und nochmals Schiffe. Und ich war alleine in meinem Bunker, ich konnte mit niemanden darüber sprechen und habe gewartet. Was kommt jetzt? Und dann schossen die Schiffe beim Näherkommen. Dabei habe ich unaufhörlich kurze Stoßgebete gesprochen. Mit den Gebeten habe ich mich da eben irgendwie abgelenkt."
Als die alliierten Soldaten aus den Schiffen an den Strand gelangen, feuert Gockel auf sie: "Wir waren hier um die Heimat zu verteidigen. Das war uns als jungen Soldaten beigebracht worden. Wenn die Amerikaner kommen, müsst ihr die Heimat verteidigen. Stundenlang habe ich um mein Leben geschossen, um die Heimat zu verteidigen." Gockel glaubte, das Richtige zu tun. Aber die Bilder der Getöteten verfolgen ihn bis heute: "Eine grauenhafte Erinnerung. Besonders der Moment, als die im Wasser Liegenden mit den Wellen immer näher an den Strand getrieben wurden. Ich sah auch, wie einige versuchten, aufzustehen und zu laufen."
Zivilisten zwischen den Fronten
Die Französin Yvonne Lemaire erlebte den D-Day auf dem Bauernhof ihrer Eltern. Die Familie schwankte zwischen Hoffnung und Verzweifelung: "Wir waren zu fünft in einem Graben, den wir uns gegraben hatten, um uns zu schützen. Wir hatten sehr große Angst. Wir haben uns gefragt, ob das wirklich der Tag der Befreiung ist, ob wir überleben werden. Jeder kann in einer solchen Schlacht sterben. Wir haben gebetet", berichtet Lemaire im ARD-Morgenmagazin. Heute ist sie mit Franz Gockel befreundet.