Entlassung aus Haft Freiheit für Deniz Yücel
Ein Jahr lang saß Deniz Yücel in türkischer Untersuchungshaft, nun ist er frei. Die Staatsanwaltschaft legte zugleich ihre Anklageschrift vor: Bis zu 18 Jahre Haft fordert sie für den Journalisten.
Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel ist aus türkischer Haft entlassen worden. Sein Anwalt twitterte ein Bild des Korrespondenten, auf dem er seine Ehefrau umarmt. Wie die "Welt" unter Berufung auf Yücels Anwalt meldet, wurde keine Ausreisesperre verhängt.
Die Freilassung wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte. Sie fordert 18 Jahre Haft für den Reporter. Das meldet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Ähnlich war es im Fall des deutschen Menschenrechtlers Peter Steudtner. Da gab es kurz nach der Anklageschrift den Prozessauftakt. Am ersten Verhandlungstag kam er aus der Untersuchungshaft frei und durfte ausreisen.
Gabriel: "Es gab keinen Deal"
Mittlerweile sei Yücel auf dem Weg zum Flughafen in Istanbul, sagte Außenminister Sigmar Gabriel am Nachmittag. Er stehe kurz vor der Ausreise aus der Türkei. Es habe keine Deals mit der türkischen Führung gegeben: "Ich kann Ihnen versichern, es gibt keine Verabredungen, Gegenleistungen oder, wie manche das nennen, Deals in dem Zusammenhang".
Große Freude
Bundeskanzlerin Merkel lobte die Entscheidung und sagte, sie freue sich, "wie viele, viele andere". Zudem hoffe sie, dass nun auch in weniger prominente Fälle Bewegung komme und weitere Deutsche aus türkischer Haft freikommen. Dies habe sie auch dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim bei dessen Besuch gesagt.
"Das ist eine gute Nachricht", sagte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er hoffe, die Freilassung Yücels führe zu einer Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen.
Zuvor sagte Gabriel: "Es ist ein guter Tag für uns alle." Er danke ausdrücklich der türkischen Regierung für ihre Unterstützung bei der Verfahrensbeschleunigung. Dazu habe er selbst viele direkte Gespräche mit türkischen Regierungsvertretern geführt, in zwei Fällen auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er hob hervor, in den Gesprächen habe "die türkische Regierung immer Wert darauf gelegt, dass sie keinen politischen Einfluss auf die Gerichtsentscheidung nehmen werde".
Nach der Entlassung von Deniz Yücel verbleiben fünf Deutsche in türkischer Haft, die dort aus politischen Gründen festgehalten werden. Vier von ihnen haben neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit.
Laut Auswärtigem Amt sind zudem 31 Deutsche in der Türkei von einer Ausreisesperre betroffen, unter ihnen die deutsch-türkische Journalistin Mesale Tolu, die kurz vor Weihnachten 2017 aus türkischer Untersuchungshaft entlassen worden.
Anders als Tolu durfte der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner die Türkei verlassen, nachdem er im Oktober nach mehr als dreimonatiger türkischer Untersuchungshaft entlassen worden.
Erfreut zeigte sich auch Justizminister Heiko Maas: "Das ist eine großartige und überfällige Nachricht. Jeder Tag, den Deniz Yücel im Gefängnis verbracht hat, war einer zu viel. Wir freuen uns sehr für Deniz Yücel, seine Familie und seine Freunde. Wir werden weiter alles dafür tun, dass alle in der Türkei zu Unrecht inhaftierten Deutschen so schnell wie möglich freigelassen werden", schrieb er in einer Mitteilung.
"Sieg der Pressefreiheit"
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) feierte die Freilassung als "Sieg für die Pressefreiheit". Der Korrespondent habe sich in der Haft nicht unterkriegen lassen. Als "absurd" bezeichnete er die Forderung der Anklage nach 18 Jahren Haft.
Amnesty International mahnte an, die verbliebenen inhaftierten Reporter in der Türkei nicht zu vergessen. Bei "aller Freude und Erleichterung" über die Freilassung des Journalisten aus der Untersuchungshaft "bleibt die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei massiv eingeschränkt". Mehr als 100 Jounalistinnen und Journalisten blieben in Haft.
Straßburger Verfahren geht weiter
Ungeachtet dessen geht das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiter. Yücel hatte am 6. April 2017 vor dem Gericht in Straßburg wegen der Inhaftierung eine Klage in Ankara eingereicht. Er machte vor allem eine Verletzung seiner Rechte auf Freiheit und Sicherheit sowie auf Meinungsfreiheit geltend.
Der Fall war zuletzt der größte Streitpunkt im Verhältnis zur Türkei. Yücel saß wegen Terrorvorwürfen ein Jahr ohne Anklage in der Türkei im Gefängnis, die meiste Zeit davon im Hochsicherheitsgefängnis Silivri.