Wolfsgruß-Debatte in der Türkei Empört über die Empörung
In Deutschland ist man über den Wolfsgruß des türkischen Spielers Demiral empört, die Türkei wiederum hat wenig Verständnis für die Kritik. Nicht nur die Regierung, auch viele Menschen dort reagieren gereizt.
Das erste Mal seit 2008 steht die türkische Nationalmannschaft im Viertelfinale einer EM. Das Match findet am Samstag in Berlin gegen die Niederlande statt, auch Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich angekündigt. Doch die Stimmung ist getrübt: Denn der Doppeltorschütze im Achtelfinale gegen Österreich, Merih Demiral, hatte den Sieg mit dem sogenannten Wolfsgruß gefeiert - einer nationalistischen Geste, und das auf der größtmöglichen Bühne.
Die UEFA will den Vorfall nun untersuchen, Strafen könnten verhängt werden. Viele Menschen in der Türkei können das nicht nachvollziehen und sind empört.
Der "Man of the Match" war Mittelpunkt einer großen Party: Demiral feierte ausgelassen den Sieg der Türken gegen Österreich mit seinen Anhängern auf dem Rasen des Leipziger Stadions. Dann zeigte er den Wolfsgruß, das Erkennungszeichen der rechtsextremen "Grauen Wölfe". Anschließend postete er die Bilder in den sozialen Medien.
Der Verteidiger, der in Saudi-Arabien kickt, konnte daran nichts Schlimmes feststellen. "Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun (….) Da steckt keine politische Botschaft dahinter“ sagte der 26-jährige Verteidiger auf einer Pressekonferenz.
Scharfe Kritik in Deutschland
Vor allem deutsche Politiker reagierten empört auf Demirals Zeichen. Von "skandalös" bis "inakzeptabel" war die Rede. Ein Verbot des Wolfsgrußes forderte die kurdische Gemeinde. "Fans übernehmen solche Zeichen, unter türkischen Jugendlichen auch in Deutschland gilt es als cool, rechtsextrem zu sein", erklärte der Vorsitzende Ali Toprak. Vor allem Kurden und andere Minderheiten hatten in der Vergangenheit immer wieder unter brutalen Angriffen der "Grauen Wölfe" zu leiden.
Das türkische Außenministerium zeigte sich am Mittwoch empört über die Reaktionen. Die Untersuchung der UEFA sei "inakzeptabel, niemand werde angegriffen", hieß es in einer Erklärung. Zudem werde lediglich ein "historisches und kulturelles Symbol" beim Feiern eines Sportereignisses verwendet. Vor allem übte man deutliche Kritik an der Bundesinnenministerin - Nancy Faeser hatte die Geste als "inakzeptabel" bezeichnet und die UEFA zum Handeln aufgefordert.
Viele reagieren gereizt
Türkische Diplomaten verweisen darauf, dass weder der Wolfsgruß noch die Mitgliedschaft in der extrem nationalistischen Bewegung der "Grauen Wölfe" in Deutschland verboten sind. Deshalb der Vorwurf: Die deutschen Behörden seien "fremdenfeindlich". Der deutsche Botschafter in Ankara wurde einbestellt und nun auch sein türkischer Kollege in Berlin.
Der Sprecher der Regierungspartei AKP, Ömer Çelik, startete daraufhin einen Frontalangriff. "Wer nach Rassismus und Faschismus sucht, soll sich auf die jüngsten Wahlergebnisse in verschiedenen Ländern Europas konzentrieren", sagte er.
Gereizt reagieren auch viele Menschen in der Türkei. Viele glauben, dass man, vor allem in Deutschland, neidisch auf den Erfolg der türkischen Mannschaft ist. "Jetzt werde ich erst recht den Wolfsgruß zeigen", sagt eine Frau, die aber betont, nichts mit den Nationalisten gemein zu haben.
Auch die Reaktionen in den türkischen sozialen Medien sind eindeutig: "Demiral, wir stehen an deiner Seite", der Wolfsgruß sei "das Symbol der Türken" und "nur die Feinde der Türken stört das", kann man da lesen. Selten wird differenziert, wie bei einem User, der schreibt, dass "keine faschistischen Symbole in den Fußball" gebracht werden sollten.
Strafe droht
Nun ermittelt die UEFA. Eine Geldstrafe und eine Sperre des Spielers könnten drohen. Das wäre wohl eine Demütigung für viele Türken und eine große Schwächung der türkischen Mannschaft. Bei einem ähnlichen Vorfall wurde Albaniens Stürmer Mirlind Daku für zwei Spiele gesperrt, sein Verband mit einer Geldstrafe belegt.
Daku hatte nach dem EM-Vorrunden-Spiel gegen Kroatien anti-mazedonische und -serbische Gesänge vor den Fans angestimmt. Begründung der Strafe damals: Verbreitung von provokanten Botschaften, die nicht zu einer Sportveranstaltung passten.
Eine Bestrafung des türkischen Teams könnte die Debatte weiter anheizen. Denn viele türkische Fans in Berlin und in der Heimat könnten dann erst recht den Wolfsgruß zeigen. Merih Demiral hat auf alle Fälle angekündigt, dass er die Geste gerne noch öfter zeigen würde.