Außenminister zu Antrittsbesuch in Ankara Westerwelle mahnt Türkei zu Reformen
EU-Beitritt oder "privilegierte Partnerschaft"? Auch in der Türkei-Frage gibt es in der Koalition unterschiedliche Auffassungen. Außenminister Westerwelle ist nun zum ersten Mal in Ankara. Er forderte faire Beitrittsverhandlungen, mahnte seine Gegenüber aber auch zu weiteren Reformen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat die Türkei zu weiteren Reformen im Bemühen um einen Beitritt in die EU aufgerufen. Der türkischen Regierung, dem Parlament und der türkischen Zivilgesellschaft wolle er seinen Respekt und seine ausdrückliche Anerkennung für das bis heute Geleistete aussprechen, sagte Westerwelle bei einer Konferenz mit türkischen Botschaftern in Ankara.
In seiner Rede machte Westerwelle zugleich deutlich, dass er die Türkei gegenwärtig noch nicht für EU-reif hält. Das "Reformwerk der Türkei auf ihrem Weg nach Europa" sei "noch unvollendet", so Westerwelle. "Ich möchte Sie ermutigen, damit fortzufahren."
Anspruch auf "faire Verhandlungen"
Der Außenminister sagte Ankara zudem die Unterstützung der Bundesregierung im Prozess um einen EU-Beitritt zu. Manche hätten die Frage gestellt, ob die neue Regierung "die Tür zu einer Mitgliedschaft der Türkei schließen will", sagte Westerwelle. "Ich sage es Ihnen ganz klar: Was die EU und die Türkei vereinbart haben, gilt. Es gilt auch für diese Bundesregierung. Dafür stehe ich ein." Die Türkei habe einen Anspruch auf "faire Verhandlungen und einen zuverlässigen Verhandlungspartner", sagte Westerwelle weiter.
Die bereits seit 2005 laufenden Beitrittsverhandlungen zwischen Europäischer Union (EU) und Türkei kommen nur noch sehr schleppend voran. Innerhalb der CDU/CSU mehren sich die Stimmen, anstelle der Mitgliedschaft nur noch eine "privilegierte Partnerschaft" anzubieten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel macht sich seit Längerem dafür stark. Westerwelle verwies jedoch auf den schwarz-gelben Koalitionsvertrag, wonach die Beitrittsverhandlungen "ergebnisoffen" geführt würden. Auf die Frage, ob er damit für die gesamte Bundesregierung spreche, entgegnete er: "Ich bin hier nicht als Tourist in kurzen Hosen unterwegs, sondern als deutscher Außenminister. Das, was ich sage, zählt."
"Wir wollen sämtliche Reformen erfüllen"
Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu sagte weitere Anstrengungen zu, um einen EU-Beitritt möglich zu machen. "Wir wollen sämtliche Reformen erfüllen. Alles, was dieser Prozess erfordert, werden wir tun." Ebenso wie Westerwelle plädierte auch er für einen "strategischen Dialog" zwischen Ankara und Berlin. In Deutschland leben mehr als 2,7 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. Die Türkei ist bereits NATO-Mitglied und gehört auch der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer an. Außerdem wird sie als Regionalmacht immer einflussreicher.
Auf dem Programm standen für Westerwelle auch Treffen mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und kurdischen Politikern. Ein Gespräch mit Staatschef Abdullah Gül wurde wegen dessen Erkrankung abgesagt. Der Besuch in Ankara ist der Auftakt für Westerwelles bislang längste Auslandsreise. Am Freitag hält er sich in Istanbul auf, eine von Europas Kulturhauptstädten 2010. Anschließend reist er nach Saudi-Arabien und andere Golfstaaten weiter. Erst am Montag kehrt er nach Berlin zurück.