Webb-Teleskop im All Suche nach den ganz großen Antworten
Mit einem Jahrzehnt Verspätung ist das Webb-Weltraumteleskop gestartet. Bis zur Geburt der ersten Galaxien soll der Blick gehen. Gesucht: Antworten auf die ganz großen Fragen.
Das James Webb Space Telescope ist eines der größten wissenschaftlichen Projekte der Geschichte. Mit einem 25 Quadratmeter großen Spiegel und hochsensiblen Infrarotoptiken wird dieses Teleskop tiefer ins Universum schauen als alle anderen vor ihm. Entwickelt wurde es in den USA und Europa. Das Infrarotteleskop soll Blicke bis weit zurück in die Vergangenheit des Universums ermöglichen: bis zur Geburt der ersten Sterne und Galaxien kurz nach dem Urknall.
Erste Arbeiten hatten bereits 1996 begonnen. Damals geschätzte Kosten: 300 Millionen Dollar. Damals geplanter Start: 2011. Daraus sind inzwischen, je nach Rechnung, mehr als zehn Milliarden Dollar geworden.
Teuerstes Instrument der Raumfahrtgeschichte
Das Teleskop ist so groß wie ein Tennisplatz und so hoch wie ein dreistöckiges Haus. Mit 6,5 Metern Durchmesser ist sein Hauptspiegel fast dreimal so groß wie jener seines legendären Vorgängers Hubble-Teleskop. Nur zusammengefaltet passt das Webb-Teleskop in die Spitze einer Ariane-5-Rakete. Und es dauert ganz schön lange, das wieder auseinanderzufalten. Das Weltraumteleskop gehört neben dem Space Shuttle und dem LHC Teilchenbeschleuniger zu den kompliziertesten Maschinen, die die Menschheit je gebaut hat.
Sehr viel teurer als geplant, sehr viel längere Bauzeit: Techniker heben im Goddard Space Flight Center der NASA die sogenannte Spiegelbaugruppe des Teleskops an. (Archivbild)
"James Webb" sieht auch hinter Staubwolken
Mehr als 30 Jahre lang lieferte das legendäre Hubble-Teleskop beeindruckende Bilder aus dem All. Im Gegensatz zu ihm arbeitet das Webb-Teleskop im Infrarotbereich, als mit Wärmebildtechnik. Damit kann das Teleskop bislang Verborgenes hinter Staubwolken sichtbar machen, Moleküle in der Atmosphäre anderer Welten erkennen und das Licht der allerersten Sterne und Galaxien empfangen, die sich nur 300 Millionen Jahre nach dem Urknall bildeten.
Das neue Weltraumteleskop wird auch Exoplaneten, die um ferne Sterne kreisen, entdecken und deren Atmosphäre untersuchen können. Die Suche nach der zweiten Erde kommt mit diesem Superteleskop sicher einen Schritt weiter.
Erst wie ein Schmetterling selbst entfalten
Um das neue Superteleskop in Betrieb zu nehmen, muss es sich nach dem Start vom Raumbahnhof Kourou von der Raketenspitze lösen und genau 33 Minuten nach dem Start damit beginnen, seine Solarzellen auszuklappen, um eigenen Strom zu produzieren. Sonst sind seine Batterien bereits nach wenigen Stunden leer - und die Mission gescheitert.
Nach dem Ausklappen der Solarzellen werden noch fast zwei Wochen lang Tag für Tag weitere Teile ausgeklappt. 130 Mechanismen müssen 300 Ausklappschritte vollführen, bis sich das Teleskop entfaltet hat - wie ein Schmetterling aus seiner Puppe. Das Ganze ist ein sehr komplexes und risikoreiches Manöver. Hier darf nichts schiefgehen.
Servicearbeiten unmöglich
Das Teleskop soll 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt stationiert werden, auf einer Kreisbahn um den "Lagrange-Punkt 2". Das ist fast viermal weiter als der Mond und 2500-mal weiter weg als das Hubble-Teleskop.
Servicemissionen dorthin sind unmöglich oder nahezu unmöglich. "James Webb ist an einem ganz anderen Ort, an dem es unglaublich kalt ist", sagt NASA-Wissenschaftsdirektor Thomas Zurbuchen. In dieser Kälte könnten Astronauten nicht operieren: "James Webb wurde so gebaut, dass es allein funktionieren muss und wird."
30 Tage des Schreckens
Noch nie gab es einen so komplexen Vorgang zur Inbetriebnahme einer Maschine im All, ohne Möglichkeit einer Korrektur. Angesichts des Risikos, das der ganzen Sache innewohnt, spricht man bei NASA und ESA auch gerne mal von "30 Days of Horror", bis das Teleskop voll ausgeklappt seinen Zielort erreicht haben wird.
Treibstoff für nur 15 Jahre
Ohne Servicemission von der Erde kann das Teleskop weit draußen im All ungefähr 15 Jahre lang arbeiten, bis der Treibstoff für seine Triebwerke, mit denen es seine Flugbahn gelegentlich korrigieren muss, zur Neige geht.
Nur 15 Jahre - das wäre deutlich weniger als beim Hubble-Teleskop. Doch Hubble fliegt so nah an der Erde, dass die Erdkugel die Hälfte des Tages Hubbles Blick ins All blockiert.
Das Webb-Teleskop hat jeden Tag volle 24 Stunden unverstellten Blick ins All. Genug Forschungszeit, um auf die Anfänge des Universums zurückzublicken und weitere Teile der Antwort auf die großen Fragen der Menschheit zu finden: Wie ist dieses verrückte Universum nur entstanden? Und sind wir darin wirklich allein?