Imamoglu gewinnt in Istanbul Jubel über Sieg des Hoffnungsträgers
Weniger Bürokratie und Hochmut - diese Hoffnung verbinden viele Istanbuler mit CHP-Politiker Imamoglu. Entsprechend groß ist der Jubel über seinen Sieg bei der Bürgermeisterwahl.
So ausgelassen wurde in Istanbul seit Jahren nicht mehr gefeiert. Nachdem das Wahlergebnis relativ früh und eindeutig feststand, gab es für die Anhänger von Ekrem Imanoglu kein Halten mehr. Es war, als hätte der Wahlsieg die Stadt aus ihrer Lethargie gerissen.
54 Prozent der Stimmen für Imamoglu, der zuvor Bürgermeister des Istanbuler Stadtteils Beylikdüzü war. 45,1 Prozent für seinen Konkurrenten Binali Yildirim von der Regierungspartei AKP - mit einer Vita als Verkehrsminister, Ministerpräsident und Parlamentspräsident eigentlich ein politisches Schwergewicht.
Aber eben auch ein verbrauchtes politisches Gesicht. Dem Newcomer Imamoglu von der CHP gelang es, auch konservative Wähler und Stadtteile zu gewinnen. Doch seinen Sieg feierte er in Beylikdüzü vor Zehntausenden Anhängern: "Wir werden in dieser Stadt wahre Demokratie aufbauen. Wir werden in dieser Stadt Gerechtigkeit schaffen. Wir werden in dieser schönen Stadt - das verspreche ich Euch - die Zukunft gestalten."
Erdogan gratuliert
Zu diesem Zeitpunkt hatte auch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Imamoglu zum Sieg gratuliert, laut - so Erdogan - inoffiziellen Ergebnissen. Während Erdogan in der ersten Runde kämpfte, als ginge es um sein eigenes Amt, zog er sich nun immer mehr zurück, je schlechter die Umfragen wurden.
Am Wahlabend mied er jegliche Kameras und Mikrofone. Die Tausenden jungen Menschen, die im Stadtteil Besiktas feierten, haben ihn mit Sicherheit nicht vermisst: "Ich glaube an Imamoglu. Er macht nicht den Eindruck, dass es ihm um die eigene Macht geht, sondern vor allem um die jungen Leute, die Schüler und Studenten", sagt Emre.
"Diese Wahl zu gewinnen, war unglaublich wichtig. Wir haben einen großen Sieg errungen. Wir haben daran geglaubt, dass alles gut wird. Die Istanbuler haben daran geglaubt. Es ist für uns sehr wichtig, denn es ist erst der Anfang. Alles wird noch viel besser werden", sagt eine junge Frau. Und Baran ergänzt:
Er ist ein Hoffnungsträger. Nicht nur für Istanbul, sondern für die ganze Türkei. Er hat uns gezeigt, dass man gewinnen kann. Wir sind sicher, dass er dieser Stadt gut tun wird. Wir wollen in dieser Stadt weniger Beton und mehr Grünflächen. Wir wollen keine Wolkenkratzer mehr. Ekrem Imamoglu hat uns das versprochen. Und wir sind zu 99 Prozent sicher, dass ihm das auch gelingen wird. Und wenn es ihm nicht gelingt, ist es auch okay - wir lieben ihn.
Nicht nur Grünflächen, mehr Kindergärten und neue Jobs will Imamoglu schaffen, sondern auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Stadt.
Diese Wahl bedeutet, dass in Istanbul alle gemeinsam ein neues Kapitel aufschlagen werden. In diesem neuen Kapitel wird es Gerechtigkeit, Gleichheit, Nächstenliebe und Toleranz geben; aber nicht mehr Verschwendung, Prunk, Hochmut und Diskriminierung".
Die deutsche Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, die sich gerade in Istanbul aufhält, hob hervor, dass es Imamoglu darum geht, die Gräben in der türkischen Gesellschaft zu überwinden.
AKP hält die Mehrheit im Stadtrat
Seine Ernennungsurkunde soll Imamoglu in einigen Tagen bekommen. Dann beginnt der Alltag als Oberbürgermeister. Einfach dürfte das nicht werden, denn die Mehrheit im Stadtrat stellt nach wie vor Erdogans AKP.
Imamoglu hat deshalb gleich am Wahlabend an Erdogan appelliert, zum Wohl der Bürger zusammenzuarbeiten. Eine Antwort hat er noch nicht erhalten.