EuGH prüft Rechtmäßigkeit der EU-Richtlinie Vorratsdatenspeicherung auf dem Prüfstand
Der Europäische Gerichtshof verhandelt heute die umstrittene Speicherung von Telefon- und Internetdaten in der EU. Geklagt hat Irland, das bezweifelt, dass die Speicher-Richtlinie der EU rechtmäßig zustande gekommen ist. Bis zu einer Entscheidung wird es noch dauern.
Von Fiete Stegers, tagesschau.de
Der EuGH in Luxemburg, dessen Aufgabe des Auslegung des Europarrechts ist, beschäftigt sich in einer mündlichen Verhandlung mit der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Die Richtlinie, die seit Anfang 2008 auch in deutsches Recht umgesetzt ist, schreibt die Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten aller Bürger in den EU-Mitgliedsstaaten vor, damit Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft darauf zurückgreifen können.
Irland, das die Klage eingereicht hat, bezweifelt das rechtmäßige Zustandekommen der 2005 beschlossenen Richtlinie. Es argumentiert: Zweck der Richtlinie sei eindeutig Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung. Gesetzliche Grundlage der Richtlinie sind aber Regelungen zum europäischen Binnenmarkt, die nicht einstimmig beschlossen werden müssen.
"Ich bin davon überzeugt, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wegen fehlender Rechtsgrundlage für nichtig erklärt wird", sagt Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, einem deutschen Bündnis von Speicher-Gegnern, gegenüber tagesschau.de. Der Europäische Gerichtshof habe schon in seiner Entscheidung zur Übermittlung von Fluggastdaten an die US-Behörden festgestellt, dass die Binnenmarkt-Regelungen nicht greifen könne, wenn die Datenverarbeitung "nicht für die Erbringung einer Dienstleistung erforderlich ist, sondern zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und zu Strafverfolgungszwecken als erforderlich angesehen wird."
Das Bundesjustiziministerium, das für die Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutsches Recht verantwortlich ist, wollte sich zum EuGH-Verfahren nicht äußern. Bis zu einem Urteil könnten nach der mündlichen Verhandlung noch Monate ins Land gehen. Sollte das Gericht Irlands Klage stattgeben, müssten EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten die Vorratsdatenspeicherung auf eine neue gesetzliche Grundlage stellen. Ähnlich sind sie bei der Fluggastdatenübermittlung vorgegangen, für die inzwischen eine Neuregelung in Kraft ist.
Verfassungsklage liegt in Karlsruhe
Parallel läuft allerdings noch eine von rund 30.000 Bundesbürgern unterstützen Verfassungsklage gegen die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland. Diese liegt zurzeit beim Bundesverfassungsgericht. In einer Eilentscheidung hatte das Gericht im März die Vorratsdatenspeicherung zeitweilig eingeschränkt und von der Bundesregierung bis September einen Bericht über Praxis und Erfolg der Speicherrichtlinie angefordert. Würde Irland vor dem Europäischen Gerichtshof Erfolg haben, "wäre Raum für eine umfassende Prüfung der angegriffenen Normen durch das Bundesverfassungsgericht am Maßstab der deutschen Grundrechte", hatten die Karlsruher Richter in ihrer Eilentscheidung ausdrücklich festgehalten.
Breyer ist davon überzeugt, dass die Speicherung nicht verfassungsgemäß ist: "Es ist vollkommen unverhältnismäßig, Kommunikations-, Bewegungs- und Internetdaten der gesamten Bevölkerung zu erfassen, nur um die polizeiliche Aufklärungsrate um 0,01% zu steigern. Zum Kfz-Kennzeichenscanning hat das Gericht gerade im März dieses Jahres entschieden, dass ein anlassloser, flächendeckender Grundrechtseingriff verfassungswidrig ist."