Analyse zur Vorratsdatenspeicherung Neuregelung juristisch haltbar?
Das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung war vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden, ebenso die zugrundeliegende EU-Richtlinie durch den Europäischen Gerichtshof. Nun will die Regierung es wieder versuchen. Diesmal mit Erfolg?
Von Gigi Deppe, ARD-Hörfunk-Rechtsredaktion Karlsruhe
Bislang liegen die genauen Gesetzespläne nicht vor - das heißt: eine exakte juristische Prüfung ist noch nicht möglich. Trotzdem ist interessant, inwieweit die Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichthofs (EuGH) in den Plänen zur neuen Vorratsdatenspeicherung berücksichtigt wurden.
Und da zeigt sich: Grundsätzlich hat das Justizministerium versucht, die Vorgaben der Richter zu befolgen. Sowohl Verfassungsgericht als auch EuGH haben ja die Vorratsdatenspeicherung für möglich gehalten, jedenfalls zur Bekämpfung von schwerer Kriminalität. Entsprechend listet der Bundesjustizminister auf, bei welchen Delikten die Daten verwendet werden können.
Die Liste sieht auf den ersten Blick plausibel aus - wer würde nicht wollen, dass bei Mord und Totschlag oder bei schwerem Bandendiebstahl der Staat gründlich ermittelt? Im Detail kann man bei der Gewichtung allerdings streiten, ob zum Beispiel die Vorbereitung von Schleuserdelikten tatsächlich schon als schwere Kriminalität anzusehen ist.
Speicherfristen und Informierung der Bürger
Ein weiterer Punkt: Es dürfen keine Bewegungsprofile erstellt werden. Die Gerichte haben das sehr kritisch gesehen, weil damit bei allen Bürgern ein diffus bedrohliches Gefühl entstehe. Deswegen will Justizminister Maas die Daten nur einige Wochen speichern. Nun gibt es zur Speicherungsfrist keine konkreten Vorgaben der Richter. Der EuGH hat lediglich ausgeführt: Sechs Monate wären für alle Daten zu lang. Die Speicherung müsse auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Gut möglich also, dass die Wochenfristen von den Gerichten abgesegnet würden.
Außerdem haben sowohl Karlsruhe als auch Luxemburg verlangt, dass die Bürger grundsätzlich über die Verwendung der Daten informiert werden. Auch darauf geht der Entwurf des Bundesjustizministers ein. Sogar vor dem Abruf sollten die Bürger teilweise Bescheid bekommen - oder wenigstens nachträglich. Es sei denn, ein Richter hat genehmigt, dass ausdrücklich nicht informiert wird. Da wäre später in der Praxis zu beobachten, ob die Ausnahme nicht zur Regel wird, ob also wirklich in den meisten Fällen informiert wird. Erst dann würden die obersten Gerichte vermutlich Bedenken entwickeln.
Schutz von Berufen mit Schweigepflicht
Auch viele andere Kritikpunkte sind in dem neuen Entwurf aufgegriffen: Die Daten sollen nur in Deutschland gespeichert werden. Es sind, so wie das Verfassungsgericht vorgeschrieben hat, diverse technische Sicherungsmechanismen geplant. Und bei Pfarrern. Ärzten und Beratungsstellen werden die Daten zwar gespeichert, dürfen aber nicht abgerufen werden. Einen Schutz dieser Berufsgruppen hatten beide Gerichte verlangt. Vermutlich hätte die Regelung Bestand, es sei denn, es käme heraus, dass trotzdem die Daten von Menschen mit Schweigepflicht benutzt werden.
Insgesamt also wurden die Vorgaben der Gerichte in die neuen Vorschläge ersichtlich eingearbeitet. Allerdings bleibt es bei der grundsätzlichen Frage, inwieweit faktisch nicht doch massenhaft Profile der Bürger ohne Anlass erstellt werden. Das hat gerade der Europäische Gerichtshof sehr kritisch gesehen. Da aber so viele Details in den neuen Gesetzesplänen aufgegriffen wurden, wäre es für Verfassungsgericht und EuGH vermutlich deutlich schwieriger, die angekündigte Vorratsdatenspeicherung zu kippen.