Muslime in den USA nach 9/11 "Sexy, schlecht über den Islam zu reden"
Zehn Jahre nach 9/11 nehmen amerikanische Muslime einen wachsenden Anti-Islamismus wahr. Dearborn, Michigan gilt als "Hauptstadt der Muslime", jeder dritte Bewohner ist arabischer Herkunft, hier steht die größte Moschee der USA. Rechte Gruppen warnen, hier entstehe eine "Scharia-Enklave".
Von Sabine Müller, HR, ARD-Hörfunkstudio Washington
Es ist einer der letzten Tage des Ramadan, im Restaurant Al Shalal haben sich etwa 200 Menschen zum Fastenbrechen versammelt. Sie sitzen an langen Tischen und reichen Linsensuppe und große Platten mit gebratenem Huhn und Reis mit Lamm herum. Es sind Muslime und Nicht-Muslime: der Imam begrüßt einen katholischen Pfarrer, der Bürgermeister ist gekommen und die neue muslimische Haftrichterin, Zenna ElHasan. Sie erzählt, dass nicht-muslimische Freunde von ihr schon mitgefastet haben, um diese Erfahrung mit ihr zu teilen.
"Das sagt viel darüber aus, in was für einer Gemeinschaft wir hier leben", sagt ElHasan, eine selbstbewusste Frau in schmalem Rock und hohen Absätzen. "In Dearborn gibt es Verständnis für mich und meine Religion." 30 Prozent der Einwohner von Dearborn sind arabisch-stämmig und größtenteils Muslime.
Im Supermarkt als Terroristin beschimpft
Der Filmemacher Mike Mosallam zeigt die Warren Avenue hinunter, eine der Hauptstraßen seiner Heimatstadt. Alle Geschäfte hier sind sowohl in Englisch als auch in Arabisch beschildert. "Ich sehe hier keine religiöse oder ethnische Kluft", sagt Mosallam. Die Gespräche in Dearborn bestätigen, was landesweite Umfragen zeigen: Amerikanische Muslime fühlen sich generell sehr wohl in ihren Gemeinden, aber sie nehmen trotzdem einen wachsenden Anti-Islamismus wahr.
"Heutzutage ist es in den USA sexy, schlecht über den Islam zu reden", sagt Imam Mohammed Ali Elahi. Was Muslime seit dem 11. September aushalten müssen, nennt er psychologischen Terror. Die Ereignisse dieses Tages wirken nach, auch bei denen, die ihn gar nicht bewusst erlebt haben.
Für viele in den USA lebende Muslime sind die im Land üblichen Maßnahmen zur Terrorabwehr ein Ärgernis. Laut einer jüngst vom US-Thinktank Pew Forum on Religion and Public Life veröffentlichten Umfrage fühlt sich mehr als die Hälfte dadurch benachteiligt. Die Befragten beklagten demnach eine Zunahme von Überwachung und berichteten von Beschimpfungen, Drohungen und Schikanen durch Personal der Flughafensicherheit und Polizei.
Dennoch bewerteten die meisten amerikanischen Muslime die Lebensqualität in ihren Gemeinden als hoch. Es gibt laut Umfrage keine Anzeichen für eine zunehmende Entfremdung oder Wut unter Amerikanern muslimischen Glaubens - trotz Warnungen der Regierung vor der Bedrohung durch heimischen Terrorismus und Kontroversen um den Bau von Moscheen.
Die Studie zum Nachlesen: http://bit.ly/orEwU5 (Englisch)
"Ich wünschte, die Leute würden uns Muslime besser kennenlernen, damit sie sehen, dass wir keine schlechten Menschen sind", sagt die 13-jährige Summer Maatouk. Sie will später Kopftuch tragen, ihre Zwillingsschwester Samira eher nicht: Es hat sie abgeschreckt, dass eine verschleierte Freundin ihrer Mutter im Supermarkt als Terroristin beschimpft wurde.
"Wie in der McCarthy-Ära"
Anan Ameri, die Direktorin des arabisch-amerikanischen Museums in Dearborn findet, die Stimmungsmache gegen den Islam sei heute schlimmer als vor zehn Jahren: "Die erste gedankenlose, unreflektierte Wut ist nicht mehr da, stattdessen etwas weit Gefährlicheres", sagt sie. "Wenn Bundesstaaten Anti-Scharia-Gesetze machen und im Kongress anti-islamische Anhörungen stattfinden, dann ist das wie in der McCarthy-Ära." Islamfeindliche amerikanische Gruppen nennen Dearborn gerne "Dearbornistan" oder "Scharia-Enklave".
Man hört dem 66-jährigen libanesisch-stämmigen Ron Amen an, dass er sich von solchen Vorwürfen persönlich angegriffen fühlt: "Ich habe in der US-Armee gedient und in Vietnam gekämpft, ich war 32 Jahre lang Polizist", erzählt er. "Ich habe mehr als einmal geschworen, die amerikanische Verfassung zu verteidigen." Die Scharia will die US-Verfassung nicht aushebeln, sagt er, "nirgendwo in den USA".