Hintergrund Syrien-Krieg - vier Szenarien
Der US-Angriff in Syrien - eine Kehrtwende in der Syrien-Politik von Präsident Trump. Und nun? Kehren die USA dauerhaft als Akteur im Syrien-Krieg zurück und was hieße das für Russland? Oder geht es den USA vielleicht gar nicht um Syrien? Vier Szenarien.
Variante: Eskalation in Syrien
Deutsche Politiker wie Außenminister Sigmar Gabriel warnen vor einer Ausweitung des Konflikts. Denn anfangs hatte die US-Regierung noch von einem einmaligen Militärschlag gesprochen. Dann aber warnte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, dass die USA weitere Schritte gehen könnten, sollte es einen erneuten Giftgaseinsatz geben. Möglicherweise müsste Präsident Donald Trump tatsächlich erneut reagieren, sollte es einen neuen Zwischenfall geben.
Zu den Befürchtungen einer militärischen Eskalation passt die unmissverständliche Warnung der Assad-Unterstützer Iran und Russland. Sollten dessen Truppen Syrien erneut angreifen, werde es eine Antwort geben, warnte das Bündnis. Zuvor bereits hatte die russische Regierung auch die Kommunikation mit der US-Luftwaffe über Angriffe beider Länder auf Stellungen der islamistischen Extremistenmiliz IS ausgesetzt. Diese ist wichtig, um Kollisionen von Kampfjets beider Staaten zu verhindern. Zugleich kündigte Moskau an, die Luftabwehrfähigkeit der syrischen Armee aufzustocken und eine Fregatte mit Lenkwaffen vor die syrische Küste verlegt. Eine direkte Konfrontation der Atommächte - ein Alptraumszenario.
Variante: Ein Schlag muss reichen
Eine andere Annahme lautet, dass Trump sein politisches Ziel mit dem Angriff mit begrenzten Schäden für die syrische Luftwaffe bereits erreicht hat und es dabei belassen wird. Nach Ansicht des Direktors der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Volker Perthes, wollte Trump demonstrieren, dass harten Worten manchmal auch harte militärische Aktionen folgen - wenn Trump das Überschreiten einer roten Linie sieht, die er zuvor aber nicht klar definiert hat.
Innenpolitisch erntete Trump Zustimmung quer durch die politischen Reihen, weil er nach Meinung etwa von US-Senator John McCain eine entschlossene Haltung zeigte - und gerade keine Rücksicht etwa auf Russlands oder Chinas Meinung nahm. Und diese Unberechenbarkeit müssten seine internationalen Gegner ab jetzt ins Kalkül einbeziehen, meint Perthes im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters.
Kritiker glauben allerdings, dass hinter dem Angriff keine Strategie, sondern ein rein situatives Verhalten steckt: So schildert die "Washington Post", wie sehr sich Trump bei seiner Entscheidung zum Angriff von den Bildern der getöteten Kinder beeindrucken ließ. "Was Trump mit seinen Marschflugkörpern wirklich erreichen will, wissen wir nicht. Vielleicht weiß er es selber nicht", sagt Sönke Neitzel, Militärexperte der Universität Potsdam, in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Variante: Chance für eine politische Lösung
Es gibt allerdings auch EU-Diplomaten, die auf einen paradoxen Effekt setzen: Auch wenn die russische Regierung sehr kritisch reagiert habe, gebe es gerade jetzt die Chance auf eine politische Lösung. Denn Moskau habe sich schon 2013 unzufrieden mit dem Verbündeten Assad gezeigt, weil dieser in Verbindung mit Giftgaseinsätzen gebracht wurde. Damals sorgte der Druck vor allem aus Moskau dafür, dass Assad die meisten Chemiewaffenbestände vernichten ließ. Und Russland erhöhte zwar seit 2015 seine militärische Präsenz in Syrien und initiierte die Friedensgespräche in Astana. Aber letztlich scheiterten Moskaus diplomatische Bemühungen genauso wie zuvor der Westen. Mit dem US-Angriff meldeten sich die USA im Konflikt als Hauptakteur zurück. Damit ist für Putin klar, dass es keine echte Chance mehr auf einen militärischen Sieg des Assad-Regimes gebe - zumal Trump innerhalb einer Woche auch die Position zur politischen Zukunft Assads revidierte.
Variante: Es geht gar nicht um Syrien
Eine andere Interpretation des US-Angriffs geht davon aus, dass sich die US-Regierung in einem schnellen Lernprozess befindet und durchaus einen größeren strategischen Ansatz verfolgt. Für diese These sprechen etwa Personalentscheidungen wie der Rausschmiss des rechtskonservativen Ideologen Steven Bannon aus dem nationalen Sicherheitsrat zugunsten von Experten aus Geheimdiensten und dem Militär. Sein neuer nationaler Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster gilt zudem nicht als ideologischer Hasardeur wie sein Vorgänger Michael Flynn.
Die Trump-Außenpolitik ist nach dieser Deutung, die auch Anhänger unter deutschen Diplomaten hat, nach Wochen der Irritation auf den traditionellen US-Weg eingeschwenkt: Die Bedeutung der NATO wird wieder betont, Trump hat seine isolationistischen Äußerungen aus dem Wahlkampf korrigiert.
Dazu gehört auch, dass sich die neue härtere Sprache keineswegs nur auf Syrien bezieht: So beendete Trump in den Beziehungen zu Russland die eigentlich angestrebte Verbesserung vorläufig wieder - wohl auch aus innenpolitischen Gründen: Ihm wurde eine zu enge Verbindung zu Moskau vorgeworfen. Im Ukrainekonflikt hält Trump an den Sanktionen gegen Russland fest.
Zudem sieht SWP-Direktor Perthes eigentlich Nordkorea im Zentrum der amerikanischen Überlegungen. Denn das dortige Regime besitzt Atomwaffen und arbeitet daran, Raketen mit Reichweiten bis in die USA zu entwickeln - es sei also anders als der syrische Machthaber Assad eine direkte Bedrohung. Am Wochenende schickte die US-Marine einen Flugzeugträgerverband vor die koreanische Küste - eine indirekte Drohung an Pjöngjang, die Sorge vor einem erneuten Alleingang Trumps schürte.
(Quelle: Reuters, dpa)