Neues Hochschulgesetz EU leitet Verfahren gegen Ungarn ein
Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen des neuen Hochschulgesetzes eingeleitet. Mit dem Gesetz wird die Befugnis von Universitäten mit Hauptsitz außerhalb der EU eingeschränkt, ungarische Abschlüsse zu verleihen.
Wegen des umstrittenen neuen Hochschulgesetzes hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Ein entsprechendes Schreiben sei an die Regierung in Budapest gesandt worden, erklärte Vizepräsident Valdis Dombrovskis. Darauf müsse die ungarische Regierung nun binnen eines Monats antworten. Dieser Schritt ist der erste in einem mehrstufigen und oft mehrjährigen Verfahren.
Die EU-Kommission kam zu dem Schluss, dass das Gesetz Binnenmarkt-Regeln ebenso verletze wie die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, die akademische Freiheit sowie das Recht auf Bildung. Außerdem beeinträchtige das Gesetz die in der europäischen Grundrechte-Charta verankerte unternehmerische Freiheit und verstoße gegen internationale Handelsabkommen.
Das Ende der Zentraleuropäischen Universität?
Das Hochschulgesetz könnte das Aus für die vom US-Milliardär George Soros gegründete Zentraleuropäische Universität (CEU) in Budapest bedeuten und war auch international auf Kritik gestoßen. Mit dem Gesetz wird die Befugnis von Universitäten mit Hauptsitz außerhalb der EU eingeschränkt, ungarische Abschlüsse zu verleihen. Zudem wird vorgeschrieben, dass ausländische Universitäten, die in Ungarn agieren, auch einen Campus in ihrem Heimatland haben müssen - was auf die CEU nicht zutrifft.
Der aus Ungarn stammende Soros hatte die Universität 1991 gegründet. An der angesehenen Hochschule studieren rund 1500 Studenten und unterrichten etwa 370 Lehrkräfte aus etwa 130 Ländern. Diese Vielfalt schaffe nach eigener Aussage ein ideales Umfeld, um über Themen wie Junge Demokratien, Wirtschaftssysteme im Wandel, Pressefreiheit oder Menschenrechte zu forschen.
Die Universität sieht durch das neue Gesetz ihre Existenz bedroht. Kritik an dem Gesetz kam unter anderem aus Washington und Brüssel. Auch mehr als 900 Akademiker aus aller Welt unterzeichneten einen Protestbrief an die rechtsgerichtete Regierung.
EU-Kommission will erneut Soros treffen
Der erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, hatte die Eröffnung eines Verfahrens vorige Woche in Aussicht gestellt. Er will seine Position heute vor dem EU-Parlament erläutern und trifft dabei voraussichtlich auf Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Orban hatte seine Teilnahme an der Debatte im Brüsseler Plenum angekündigt. Für Donnerstag ist wiederum ein Treffen zwischen der Spitze der EU-Kommission und Soros in Brüssel geplant.
Verfahren "überfällig"
Die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Ska Keller, nannte das Verfahren gegen Ungarn "dringend notwendig". Vor konkreten Maßnahmen sei die EU-Kommission bei früheren Verfahren aber immer zurückgeschreckt. Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff bezeichnete den Schritt der Brüsseler Behörde als "überfällig". Als Folge des neuen Gesetzes "würde zum ersten Mal seit 1945 eine Universität in der EU aufgrund von politischem Druck geschlossen", erklärte der FDP-Politiker.
Weitere Streitthemen
Neben der Auseinandersetzung um die Hochschulpolitik schwelen noch weitere Streitfälle zwischen der EU-Kommission und Orbans rechtskonservativer Regierung. Über die Asylpolitik wolle die Brüsseler Behörde weiter mit Budapest reden, sagte Vizepräsident Dombrovskis. Einen umstrittenen Gesetzentwurf zu nichtstaatlichen Organisation werde man genau verfolgen.
"Nicht nur die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit durch die nationalkonservative Regierung in Ungarn, auch der Umgang mit Schutzsuchenden und Minderheiten ist völlig inakzeptabel", sagte die SPD-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann.