Landesweiter Ausnahmezustand Präsident Ben Ali flieht aus Tunesien
Der tunesische Präsident Ben Ali hat die Macht verloren und fluchtartig das Land verlassen. Ministerpräsident Ghannouchi übernahm vorübergehend die Amtsgeschäfte in Tunesien. Landesweit gilt der Ausnahmezustand. Derweil durfte der gestürzte Präsident in Saudi-Arabien landen. Frankreich hatte zuvor die Aufnahme abgelehnt.
Nach wochenlangen Massenprotesten hat Tunesiens Präsident Zine al Abidine Ben Ali den Kampf um die Macht verloren. Er verließ fluchtartig das Land.
Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi kündigte im Staatsfernsehen an, er selbst werde vorübergehend die Amtsgeschäfte in dem Land übernehmen. "Der bisherige Präsident Zine el Abidine Ben Ali ist vorübergehend nicht in der Lage, seine Verantwortung wahrzunehmen", sagte Ghannouchi in einer Fernsehansprache am Abend. "Ab sofort übernehme ich damit die Funktionen des Präsidenten", fügte er hinzu und berief sich dabei auf die tunesische Verfassung. Diese sieht vor, dass der Ministerpräsident die Verantwortung übernimmt, wenn der Präsident "vorerst amtsunfähig" ist.
In Frankreich "unerwünscht", in Saudi Arabien gelandet?
Ben Ali versuchte offenbar, sich nach Frankreich abzusetzen. Das französische Außenministerium teilte aber mit, es gebe keinen Antrag Ben Alis auf Asyl. Aus französischen Regierungskreisen verlautete, der gestürzte Staatschef sei in Frankreich "unerwünscht". Das Land lehne eine Einreise ab, sagte ein hochrangiger französischer Regierungsvertreter. Die französischen TV-Sender LCI und i-Tele berichteten unter Berufung auf französische Regierungskreise, Präsident Nicolas Sarkozy habe Ben Ali die Einreise verweigert.
Offenbar konnte der gestürzte Präsident inzwischen in Saudi-Arabien landen. "Das Königreich begrüßt die Ankunft des Präsidenten Ben Ali und seiner Frau", berichtete die staatliche Nachrichtenagentur in der Nacht. Es wurde nicht mitgeteilt, wie lange Ben Ali in dem Land bleiben will. Zuvor hatte bereits der Fernsehsender "Al Arabiya" berichtet, das Flugzeug des Ex-Präsidenten sei in der Stadt Dschidda gelandet.
Zuvor hatte Ben Ali den Ausnahmezustand im ganzen Land verhängt, die Regierung abgesetzt und Neuwahlen ausgerufen. Er beauftragte Ghannouchi, eine Übergangsregierung bis zu Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten zu führen.
Armee kontrolliert Flughafen von Tunis
Die Behörden verhängten außerdem eine Ausgangssperre. Diese gelte zwischen 18 Uhr und 7 Uhr am Morgen. Armee und Polizei erhielten das Recht, auf "Verdächtige" zu schießen, die sich den staatlichen Anordnungen widersetzen. Die Armee übernahm die Kontrolle über den Flughafen der Hauptstadt. Panzer rollten vor das Gelände.
Die wichtigsten Flughäfen Tunesiens sind nach Angaben der französischen Luftfahrtbehörde DGAC gesperrt. Überflüge über das Land seien aber weiter möglich, hieß es.
Zuvor waren landesweit wieder Zehntausende Menschen gegen den Staatschef auf die Straße gegangen. Erneut gab es gewaltsame Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei. Vor dem Innenministerium in Tunis vertrieb die Polizei Demonstranten mit Tränengas. Zuvor hatten die Menschen versucht, das Gebäude zu stürmen. "Nein zu Ben Ali", skandierten die Protestierer.
Mehrere Tote bei Ausschreitungen
Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei waren in den vergangenen Wochen Dutzende Menschen getötet worden. Die Regierung spricht von 23 Toten, einer französischen Menschenrechtsorganisation zufolge wurden bislang 66 Menschen getötet. In der Nacht zu Freitag sollen allein 13 Menschen ums Leben gekommen sein.
Das Auswärtige Amt aktualisierte seine Reisehinweise für Tunesien. Weiterhin wird von "nicht unbedingt erforderlichen Reisen" in das Land abgeraten.
Die französische Fluggesellschaft Air France stoppte alle Flüge nach Tunis. Die Lufthansa hatte zuvor schon ihre jeweils zwei Flüge von und nach Tunis gestrichen.