Erwartung an Beratungen mit EU Türkei will Gipfel für ihre Zwecke nutzen
Der türkische Ministerpräsident Davutoglu bezeichnet den Flüchtlingsgipfel als möglichen Wendepunkt der Beziehungen mit der EU. Man sei zur Zusammenarbeit bereit und wolle EU-Mitglied werden. Kritik kommt von der türkischen Opposition: Kanzlerin Merkel schweige beim Thema Menschenrechte.
Die Türkei setzt vor dem gemeinsamen Flüchtlingsgipfel mit den EU-Staaten auf eine enge Zusammenarbeit mit der EU. Das Treffen könne zu einem Wendepunkt in den EU-Türkei-Beziehungen werden, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu vor Beginn der Beratungen in Brüssel.
Bei dem Gipfel gehe es aber nicht nur darum, die illegale Migration in den Griff zu bekommen. "Es gibt heute ein größeres Bewusstein für die türkischen Anliegen", sagte er. "Die Türkei ist bereit, mit der EU zusammenzuarbeiten und auch Mitglied der EU zu werden." Die türkische Regierung möchte zudem möglichst schnell von der EU in Aussicht gestellte Visa-Erleichterungen für türkische Staatsbürger erreichen.
Davutoglu bezeichnete sein mehr als fünfstündiges Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in der Nacht zu Montag als "sehr fruchtbar". Bei den Beratungen sei das Thema Pressefreiheit angesprochen worden, sagte die stellvertretende Sprechering der Bundesregierung, Christiane Wirtz. Zu Einzelheiten wollte sie sich auf Nachfrage aber nicht äußern. "Ich denke, da ist es sinnvoller, Gespräche bilateral zu führen."
Die türkische Oppositionspartei HDP warf Merkel vor, bei den Verhandlungen mit der Regierung in Ankara europäische Werte zu verraten. Seit es die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise gebe, schweige die deutsche Regierung zu Menschenrechtsverletzungen und zum Druck auf die Medien, sagte der Ko-Vorsitzende Selahattin Demirtas. Offensichtlich gehe es darum, die türkische Regierung nicht zu verärgern. "Wir denken nicht, dass Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage in Übereinstimmung mit europäischen Werten handelt", sagte Demirtas.
Pressefreiheit soll Thema bleiben
Am Freitag hatten Polizisten das Redaktionsgebäude der größten türkischen Oppositionszeitung "Zaman" in Istanbul gestürmt. Am Sonntag erschien das Blatt mit einem Foto von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan auf der Titelseite. Frankreichs Präsident François Hollande erklärte vor diesem Hintergrund, man werde ein Auge auf die Pressefreiheit in der Türkei haben. Dies werde trotz der Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise geschehen, sagt er.
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz beschwerte sich bei Davutoglu über das Vorgehen der Regierung gegen "Zaman". "Ich habe ihm für das Europäische Parlament gesagt, dass die Medienfreiheit ein Kernelement der Identität der EU ist", sagte Schulz vor Beginn des Gipfels.
Der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel warnte vor unkritischen Zugeständnissen an die türkische Regierung: "Es kann nicht sein, dass wegen der Flüchtlingsfrage andere Werte wie die Pressefreiheit, die für Europa wichtig sind, einfach über Bord geworfen werden." Deswegen müsse bei dem Gipfeltreffen ein "ehrlicher Austausch mit der türkischen Seite" stattfinden.