Tijuana in Mexiko An der Grenze zwischen Angst und Hoffnung
Große Ablehnung und Unterstützung - beides erleben Flüchtlinge in Mexikos Grenzstadt Tijuana. 300 Bewohner protestierten gegen die Migranten. Kaum ein Flüchtling hat Chance auf Asyl in den USA.
Demonstranten gegen die Migrantenkarawane aus Mittelamerika schmettern die Nationalhymne. Ihr Aufruf zum Protest hat kaum mobilisiert: Höchstens 300 sind am arbeitsfreien Sonntag gekommen. Einige schwenken Mexiko-Flaggen, die ein findiger Straßenverkäufer bereits anbietet, andere halten Schilder hoch: "Mexiko zuerst" oder: "Schluss mit unkontrollierter Einwanderung". Sie fühlten sich bedroht, sagen sie, fürchten um die Sicherheit ihrer Grenzstadt, in der es dieses Jahr schon 2300 Morde gegeben hat.
Tijuana, die Millionenstadt, die von Migranten aufgebaut wurde, lebt von der Grenze zu den USA und vom guten Verhältnis mit dem Nachbarn. Als die andere Seite in den vergangenen Tagen ihre Sicherheitsvorkehrungen verschärfte und Stacheldraht am Grenzzaun und den Übergängen ausrollte, wirkte das auf einige Einwohner Tijuanas bedrohlich.
Gefährliche Angst vor den Fremden
Besorgniserregend findet Padre Patrick Murphy allerdings vor allem die neue Fremdenfeindlichkeit. Der US-Amerikaner leitet die älteste der Migrantenherbergen, die vom Scalabrini-Orden finanziert wird: "Sogar der Bürgermeister hat gesagt, dass Tijuana diese Menschen hier nicht wolle. Das ist eine neue, gefährliche Haltung."
Tijuana sei eine Stadt der Migranten. Ihn beunruhige die Xenophobie, Diskriminierung und die Vorurteile in sozialen Netzwerken, so der Padre. Diese neue Einstellung wirke so, als sei US-Präsident Donald Trump in Mexiko präsent. Die Migrantenkarawane könnte die erste von vielen weiteren sein, meint der Geistliche.
Padre Patrick Murphy warnt vor einer "gefährlichen Haltung" gegen Flüchtlinge.
Dankbare Flüchtlinge
Um die 2500 Migranten, die im Sportzentrum untergebracht sind, vor Feinden zu schützen, sperren Polizisten die Zufahrtstraße. Der Honduraner Kevin Gonsalez geht an diesem Tag sowieso lieber nicht mehr raus, weil er von der Antimigrantendemo gehört hat. Gonzalez weiß die Hilfe der Mexikaner zu schätzen: "Angeblich haben einige von uns schlecht über das Essen geredet, das uns gespendet wird. Wenn das so war, war das ein Fehler. Hier ist niemand verpflichtet uns zu helfen." Die Mexikaner seien wunderbar und gäben so viel. "Wir haben Transparente gemalt, auf denen wir uns bedanken und wir haben im Viertel Müll eingesammelt. Wir versuchen, uns so gut wie möglich zu benehmen."
Der 20-Jährige steht auf dem Sportplatz, den nur eine Straße vom Grenzzaun trennt. Große Hoffnung auf Asyl in den USA hat er nicht, weil ihm bewusst ist, dass junge Männer von den US-Behörden meistens aussortiert werden. Der erste Schritt zum Asylantrag ist ein Platz auf einer Warteliste, die jetzt schon 2500 Migranten zählt.
"Interview der glaubhaften Angst"
Wer an die Reihe kommt, werde im so genannten "Interview der glaubhaften Angst" nach seinen Fluchtgründen gefragt, erklärt die Anwältin Soraya Vasquez, deren Nichtregierungsorganisation Migranten hilft: "Sie müssen die Behörde davon überzeugen, dass ihr Leben in Gefahr ist. Im Moment ist die Wahrscheinlichkeit Asyl zu bekommen, sehr gering, weil die akzeptierten Gründe weniger geworden sind."
Anwältin Soraya Vasquez sieht für die Flüchtlinge wenig Chancen auf Asyl.
Die Gewalt der Jugendbanden, der Maras, zähle beispielsweise nicht mehr. Die Helfer schlecht beurteilen, was zum Erfolg führt, weil das Verfahren kaum transparent sei. Klar scheine nur: Heute sei es viel schwieriger, Asyl zu bekommen.
Nur ein Bruchteil der Migranten, die überwiegend aus Honduras stammen, wird das "Interview der glaubhaften Angst" bestehen und überhaupt einen Asylantrag stellen dürfen. Im Sportzentrum richten sich die Menschen auf eine lange Wartezeit ein und trösten sich mit einem Gerücht, das die Runde macht: Kanada werde einige von ihnen aufnehmen.