Fragen und Antworten zu Flüchtlingen Jeder zweite Syrer ist auf der Flucht
Etwa 3,6 Milliarden Euro an Hilfszusagen sind bei der UN-Geberkonferenz in Kuwait für die Menschen in Syrien zusammengekommen. Aber reicht das? Millionen Syrer sind auf der Flucht. Wer nimmt die Flüchtlinge auf? Wie hilft Deutschland? Und wie viel Geld fehlt? Antworten von tagessch
Wie viele Syrer sind auf der Flucht?
Viele Millionen Syrer sind infolge des Konflikts in ihrem Land aus ihrer Heimat geflohen. Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR beziffert allein die Zahl syrischer Flüchtlinge, die sich in einen der Nachbarstaaten gerettet haben, aktuell auf 3,96 Millionen. Die größte Zahl der syrischen Flüchtlinge lebt nach bisherigen Erkenntnissen aber im Land selbst. Schätzungen des UNHCR zufolge haben 6,5 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen, um in anderen Landesteilen Unterschlupf zu finden. Insgesamt wurde demnach etwa die Hälfte der syrischen Bevölkerung infolge der Kämpfe vertrieben - mehr als Hälfte der Betroffenen sind Kinder.
Wer nimmt die Flüchtlinge auf?
Von den Syrern, die ins Ausland geflohen sind, retteten sich die meisten in die Nachbarstaaten und leben dort vielfach in Flüchtlingslagern. Die Türkei hat mehr als 1,7 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen, der Libanon fast 1,2 Millionen und Jordanien knapp 630.000. Auch der Irak mit rund 250.000 und Ägypten mit mehr als 130.000 syrischen Flüchtlingen spielen eine wichtige Rolle bei der Aufnahme der betroffenen Menschen.
Land | Aufgenommene Flüchtlinge |
---|---|
Türkei | 1.738.448 |
Libanon | 1.191.451 |
Jordanien | 627.295 |
Irak | 246.836 |
Ägypten | 133.619 |
Nordafrikanische Staaten | 24.055 |
GESAMT | 3.961.704 |
Quelle: UNHCR; Stand: 26. März 2015 |
Im Vergleich dazu ist der Beitrag Europas, Nordamerikas und anderer Länder weltweit gering. Die EU-Statistikbehörde Eurostat gibt an, dass zwischen März 2011 und Februar 2015 rund 220.000 Syrer Asyl in einem der 28 EU-Staaten beantragt haben. Hinzu kommen unter anderem rund 7900 Asylanträge von Syrern in der Schweiz und weitere 3600 in Norwegen.
Neben dem Weg der Asylverfahren erklärten sich verschiedene Staaten aber auch bereit, über humanitäre Sonderprogramme (vor allem Resettlement-Programme) Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Dabei geht es in den meisten Fällen um Menschen, die nach Durchlaufen eines Registrierungs- und Anerkennungsverfahrens beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR als besonders schutzbedürftig gelten und weitere Kriterien erfüllen. Die genaue Ausgestaltung der speziellen Aufnahmeprogramme unterscheidet sich aber von Land zu Land.
Land | Aufnahme über Sonderprogramme |
---|---|
Deutschland | 31.000 |
Schweiz | 3.500 |
Schweden | 2.700 |
Norwegen | 2.500 |
Österreich | 1.500 |
Frankreich | 1.000 |
Norwegen | 1.000 |
Finnland | 850 |
Niederlande | 500 |
Italien | 450 |
Dänemark | 390 |
Irland | 310 |
Belgien | 300 |
Spanien | 130 |
Polen | 100 |
Tschechien | 70 |
Luxemburg | 60 |
Ungarn | 30 |
Liechtenstein | 25 |
Portugal | 23 |
Quellen: UNHCR, Bundesregierung, European Resettlement Network |
Wie viele Syrer hat Deutschland aufgenommen?
Nach neuesten Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière fanden seit Beginn des Syrien-Konflikts 2011 insgesamt etwa 105.000 Flüchtlinge aus dem Land Zuflucht in Deutschland. Etwa zwei Drittel von ihnen beantragten Asyl in der Bundesrepublik. Mehr als 30.000 Flüchtlinge profitieren aber auch von humanitären Aufnahmeprogrammen des Bundes und der Länder.
Der Bund verpflichtete sich bislang zur Aufnahme von 20.000 syrischen Flüchtlingen. Das erste Programm, beschlossen im Mai 2013, und das zweite Programm, beschlossen im Dezember 2013, versprachen jeweils 5000 Syrern Schutz in Deutschland. Beide Programm sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums inzwischen abgeschlossen. Das dritte Programm vom Juli 2014 sah die Aufnahme von 10.000 besonders schutzbedürftigen Syrern vor. Dieses Programm endet nun ebenfalls - die ausgewählten Flüchtlinge sollen im Laufe des ersten Halbjahres 2015 in die Bundesrepublik eingereist sein.
Die Programme kamen aber teilweise vergleichsweise schleppend voran. Die Statistiken zur Auswahl und Einreise der Flüchtlinge seien durch Probleme bei den Meldeverfahren und durch die Gültigkeitsdauer von erteilten Visa verzerrt, erklärte die Bundesregierung. Dennoch waren im Dezember 2014 aus dem ersten Programm zwar alle 5000 Zusagen erteilt worden, aber erst knapp 4800 der Betroffenen nachweislich in Deutschland angekommen. Aus dem zweiten Programm hatten zur selben Zeit 4845 Syrer eine Aufnahmezusage erhalten - eingereist waren davon knapp 3400. Im Zuge des dritten Programms sei bis Ende 2014 laut Bundesregierung 6338 Syrern die Aufnahme zugesichert worden - nach Deutschland gekommen waren bis dahin etwas mehr als 1000.
Neben dem Bund beschlossen alle Bundesländer - mit Ausnahme Bayerns - eigene Sonderprogramme zur Aufnahme von Flüchtlinge aus Syrien. Viele davon liefen mittlerweile aus. In Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen enden die Landesprogramme im Sommer, in Berlin Ende 2015. Bis November 2014 wurden mehr als 10.700 Syrern auf dieser Basis ein Visum erteilt.
Seit Ausbruch des Konflikts in Syrien im März 2011 stellten knapp 70.000 syrische Staatsbürger in Deutschland einen Antrag auf Asyl - mehr als die Hälfte davon 2014. Die Zahlen stiegen Jahr für Jahr deutlich an - auch die Monatszahlen für Januar und Februar 2015 übertrafen die Vergleichswerte des Vorjahres wieder bei weitem. Die Schutzquote für Antragsteller aus Syrien habe 2014 bei nahezu 100 Prozent gelegen, erklärte der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt. Das bedeutet, dass Deutschland nahezu allen syrischen Antragstellern einen Schutzstatus (Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz) gewährt. Seit 2011 gilt in Deutschland bereits ein Abschiebestopp für Syrien gilt, sodass die betroffenen Syrer nach der Entscheidung über ihren Asylantrag in der Bundesrepublik zumindest geduldet werden.
Jahr | Zahl |
---|---|
2011 | 2.634 |
2012 | 6.201 |
2013 | 11.851 |
2014 | 39.332 |
2015 (bis 28.02.) | 9.363 |
GESAMT | 69.381 |
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Welchen Status haben die Flüchtlinge in Deutschland?
Syrische Flüchtlinge, die im Zuge der Sonderprogramme des Bundes oder der Länder aufgenommen werden, müssen kein Asylverfahren durchlaufen. Sie benötigen aber ein Visum, das sie zumeist in den deutschen Botschaften der syrischen Nachbarstaaten beantragen können. Sie erhalten mit dem Visum sofort für zunächst zwei Jahre eine Aufenthaltserlaubnis, die später verlängert werden kann. Sie dürfen auch sofort in Deutschland arbeiten, an Integrationskursen teilnehmen und Sozialleistungen beziehen.
Ein Asylantrag hingegen muss persönlich in Deutschland gestellt werden. Vom Ausland aus ist dies nicht möglich. Über den Antrag entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Für syrische Asylbewerber gilt seit November 2014 dabei ein beschleunigtes Verfahren. Das bedeutet, dass die persönliche Anhörung der Betroffenen entfällt. Es genügt in der Regel, wenn sie ihre Fluchtgründe schriftlich darlegen. Somit kann rasch nach Aktenlage entschieden werden - wobei aufgrund der Lage in Syrien grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass die Betroffenen Flüchtlinge im Sinne des Asylverfahrensgesetzes sind. Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine zunächst auf drei Jahre befristete Erlaubnis zum Aufenthalt in Deutschland, dürfen arbeiten und an Integrationskursen teilnehmen.
Will Deutschland weitere syrische Flüchtlinge aufnehmen?
Nach Auslaufen des dritten Sonderprogramms zur Aufnahme von Flüchtlingen plant die Bundesregierung bislang kein weiteres Programm. Bundesinnenminister de Maizière machte kürzlich deutlich, dass er als nächsten Schritt eine europäische Initiative für notwendig hält. Er verweist dabei darauf, dass sich bislang verschiedene EU-Staaten nicht an der Aufnahme der Flüchtlinge beteiligt haben. Deutschland sei allerdings grundsätzlich zur weiteren Hilfe für schutzbedürftige Syrer bereit. Die Bundesländer haben ihre eigenen Programme teilweise verlängert, vielerorts sind sie aber inzwischen ausgelaufen. Grundsätzlich besteht aber für Syrer die Möglichkeit, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen und hier als Flüchtling anerkannt zu werden.
Wie groß ist der Finanzbedarf für die syrischen Flüchtlinge?
Nach UNHCR-Angaben kostet allein die Versorgung der knapp vier Millionen Flüchtlinge, die in den Nachbarländern Syriens Zuflucht gefunden haben, im Jahr 2015 etwa 4,5 Milliarden US-Dollar. Bis März haben die internationalen Geldgeber nicht einmal zehn Prozent dieser Summe bereitgestellt. Bei der Geberkonferenz am 31. März 2015 kamen Hilfszusagen in Höhe von insgesamt 3,8 Milliarden Dollar zusammen.
Der Bedarf betrifft aber nicht allein die Flüchtlinge im Ausland, sondern auch die Menschen in Syrien. Dort sind Schätzungen zufolge inzwischen mehr als zwölf Millionen Bürger auf Hilfe zum Überleben angewiesen. Fast fünf Millionen von ihnen sind für Hilfsorganisationen nur schwer zu erreichen - vor allem, wenn sie in umkämpften Gebieten leben.
Mit wie viel Geld hilft Deutschland?
Deutschland unterstützte die Menschen in Syrien und die Flüchtlinge in den Nachbarländern laut Bundesregierung seit 2012 mit etwa 800 Millionen Euro. 397 Millionen Euro flossen demnach in humanitäre Hilfe, 318 Millionen Euro in strukturbildende Übergangshilfe und 84 Millionen Euro in die Krisenbewältigung. Das Technische Hilfswerk (THW) engagiert sich unter anderem in Flüchtlingslagern in Jordanien und im Irak und kümmert sich dort um die Wasserversorgung und -entsorgung.
Auf der Geberkonferenz am 31. März 2015 sagte die Bundesregierung 255 Millionen Euro an Unterstützung für die syrischen Flüchtlinge zu. 155 Millionen Euro stellt das Bundesentwicklungsministerium bereit, 100 Millionen Euro für humantitäre Hilfen kommen aus dem Etat des Auswärtigen Amtes.
Wie viel Geld stellt die EU bereit?
Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten haben nach eigenen Angaben bislang 3,35 Milliarden Euro für die Unterstützung syrischer Flüchtlinge im Land selbst sowie in den Nachbarländern bereitgestellt. Auf der Geberkonferenz im März 2015 kündigte die EU Hilfsgelder in Höhe von 1,1 Milliarden Euro an. Darin enthalten sind neben Mitteln aus dem EU-Haushalt aber auch bereits die Zusagen der einzelnen Mitgliedsstaaten - darunter 255 Millionen Euro aus Deutschland.