Neuer NATO-Generalsekretär Stoltenberg Von Merkel auf den Geschmack gebracht
Ein Anruf von Kanzlerin Merkel gab den Anstoß: Heute übernimmt Norwegens Ex-Premier Stoltenberg das Amt des NATO-Generalsekretärs. Als junger Mann hatte er noch gegen das Bündnis demonstriert. Seine Stärken: Er gilt als offen und besonnen gerade in Krisenzeiten.
Diesen Job hatte er ganz sicher nicht auf dem Zettel. Bücher schreiben, Vorträge halten, Parteikonzepte erarbeiten, alles Mögliche hätte er sich vorstellen können. Aber NATO-Generalsekretär? Ausgerechnet er?
"Das erste Mal, dass ich davon hörte, da saß ich gerade in meinem Büro und hab gegrübelt, wie es mit mir denn weiter gehen soll", sagt Jens Stoltenberg. "Da ruft mich plötzlich Angela Merkel an und fragt, ob ich denn zugänglich sei für eine mögliche internationale Aufgabe, zum Beispiel in der NATO.“
Merkels Vorschlag - Stoltenberg muss fast etwas grinsen, als er davon erzählt. Eine gewisse Ironie hat die Idee ja auch. Da macht die NATO einen zum Chef, der früher des öfteren mal lauthals gegen das Bündnis auf die Straße ging. Der Jungsozialist Stoltenberg änderte dann, nach dem Vietnamkrieg, langsam aber sicher seine Meinung.
Arne Grödal, ein alter Freund aus wilden Juso-Zeiten, erinnert sich an einen Riesenkrach: "Das war damals in etwa so, als wenn man jemand sagen würde, Martin Luther sei eigentlich katholisch. Hätten wir es gekonnt, wir hätten ihn sogar rausgeschmissen. Jens kann aber auf so viele Arten sozial und freundlich sein, wirklich einnehmend. Wir hatten nichts gegen ihn als Person, wirklich nicht.“
Der Gegenentwurf zum lauten Vorgänger
Wie soll man auch? Was lässt sich überhaupt sagen gegen diesen durch und durch freundlich wirkenden Mann? Stoltenberg kann zuhören, sich zurücknehmen. Seine Bescheidenheit und Nachdenklichkeit wirkt wie ein personifizierter Gegenentwurf zu seinem zuweilen brachial lauten Vorgänger im Amt, dem Dänen Anders Fogh Rasmussen.
"Ich hoffe, dass ich niemals hochmütig bin und dass ich genügend Selbstironie habe", sagt Stoltenberg. "Die Politiker, mit denen man verhandelt, das sind ja alles ganz normale Menschen, viel normaler als man denkt. Wenn man sie auch so behandelt, dann geht es meistens gut."
Eine Familie aus Diplomaten
Stoltenberg kann das. Sich nicht größer machen als die anderen: Dieses Mantra der norwegischen Politik hat der 55-Jährige von Kindesbeinen an verinnerlicht. Sein Vater Thorwald war Außenminister und Friedensschlichter auf dem Balkan. Seine Mutter, seine Frau, alle in seiner wohlhabenden Familie sind erfahrene Diplomaten.
Mit 41 Jahren wählten ihn die Norweger zum jüngsten Ministerpräsidenten ihrer Geschichte. Stoltenberg hielt sich zunächst für anderthalb Jahre, kam später zurück und blieb. Acht Jahre lang.
Utöya und ein wichtiger Satz
Dann kam der 22. Juli 2011. "Wir bleiben ein offenes Norwegen, ein demokratisches Norwegen“: Stoltenberg wiederholte und variierte diesen einen Satz immer wieder. Er war Norwegens Antwort auf die Anschläge von Oslo und Utöya.
Die ganze Welt wurde plötzlich aufmerksam auf diesen netten, schlanken Mann mit der randlosen Brille. Die Norweger wählten ihn später trotzdem ab.
Und da saß er dann nun, bis zu dem Anruf von Merkel. "Ich hatte ihr gesagt, dass das Angebot zu früh kommt und hab ihr erst einmal keine Antwort gegeben. Ich war auch sehr unsicher, ob bei der NATO nun wirklich ein Norweger Nachfolger eines Dänen werden kann. Aber naja, ... dann passiert´s halt doch. Da habe ich schließlich ja gesagt.“