Nach Kritik an Abschiebung Frankreich gibt Roma-Problem an EU weiter
Frankreich steht seit der Abschiebung von Roma in der Kritik - auch von der EU. Nun ist die französische Regierung in die Offensive gegangen: Die EU solle Rumänien dazu zwingen, die Auswanderung von Roma zu stoppen, so Ministerpräsident Fillon. Dies sei ein europäisches Problem.
Frankreich nimmt Europa in die Pflicht: Die Europäische Kommission sollte nach Ansicht der französischen Regierung Rumänien dazu zwingen, die Auswanderung von Roma aus dem osteuropäischen Land zu stoppen. Die EU müsse sicherstellen, dass die vier Milliarden Euro europäischer Hilfen pro Jahr für Rumänien dort auch für die Eingliederung der Roma eingesetzt würden, schrieb Ministerpräsident Francois Fillon in einem Brief an Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Frankreich hatte wiederholt erklärt, die Massenauswanderung aus Rumänien sei zu einem europäischen Problem geworden.
Scharfe Kritik des Europarats
Damit reagierte die französische Regierung auf die scharfe Kritik des Europarats an den Massenabschiebungen von Roma aus Frankreich. Man sei "tief besorgt über die Stigmatisierung der Einwanderer", hatte die zum Europarat gehörende Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) am Dienstag erklärt. Diese würden für Verbrechen verantwortlich gemacht. Roma seien EU-Bürger und hätten damit das Recht, sich für eine bestimmte Zeit in Frankreich aufzuhalten und in das Land zurückzukehren.
Vereinbar mit EU-Recht?
Die Europäische Kommission will nächste Woche erstmals über die Abschiebung von Hunderten von Roma aus Frankreich nach Bulgarien und Rumänien beraten. Die für Justiz und Grundrechte zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding werde dann "eine politische und rechtliche Analyse" des französischen Vorgehens vorlegen, sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel. Dabei gehe es insbesondere um die Frage, ob das massenhafte Zurückschicken von EU-Bürgern mit dem EU-Recht vereinbar sei.
Das Pariser Innenministerium hatte in der vergangenen Woche mit der Abschiebung hunderter Roma begonnen und Dutzende ihrer nicht angemeldeten Siedlungen aufgelöst. Präsident Nicolas Sarkozy hatte die Schließung im ganzen Land angeordnet, nachdem es im vergangenen Monat zu Konflikten zwischen Polizei und Einwanderern sowie schweren Ausschreitungen in zwei französischen Städten gekommen war. Seitdem seien rund 630 Roma in ihre Heimat zurückgeschickt worden, sagte der französische Einwanderungsminister Eric Besson. Bis Ende des Monats sollten es etwa 950 Roma sein. Seit Jahresbeginn wurden mehr als 5000 Roma nach Rumänien und Bulgarien zurückgeschickt, vergangenes Jahr waren es etwa 10.000. Die französische Regierung zahlt jedem erwachsenen Roma, der das Land verlässt, 300 Euro; für jedes Kind kommen noch einmal 100 Euro dazu.
Frankreich weist auf steigende Kriminalität
Menschenrechtsgruppen und Oppositionspolitiker kritisieren das Vorgehen der Regierung scharf. Sie sehen darin den Versuch Sarkozys, seine schwindende Popularität vor den 2012 anstehenden Wahlen zu verbessern. "Es geht nicht darum Roma auszuweisen, weil sie Roma sind", rechtfertigte Innenminister Brice Hortefeux das Vorgehen in einem Interview. Die Regierung führe Statistiken über die Kriminalität je nach Staatsangehörigkeit, und es habe sich gezeigt, "dass die Straffälligkeit von Rumänen in Paris im vergangenen Jahr um 138 Prozent gestiegen ist", erklärte Hortefeux. Der Minister äußerte sich unmittelbar vor zweitägigen Gesprächen mit der rumänischen Regierung. Europaminister Francois Lellouche drohte gar: Sollten das Treffen ergebnislos bleiben, könne dies Auswirkungen auf die rumänische Absicht haben, dem Schengen-Abkommen über Reisefreiheit beizutreten.