Gründe für das Referendum "Papandreou muss seine Politik legitimieren"
Ministerpräsident Papandreou wird von den Griechen heftig für seine Politik kritisiert. Durch die Volksbefragung verschaffe er sich Rückhalt für seine Sparpolitik, sagt der griechische Journalist Pappas im Interview mit tagesschau.de. Und er zwinge die Menschen zu einer Entscheidung über Zukunft des Landes - mit allen Konsequenzen.
tagesschau.de: Warum hat sich Papandreou zu diesem Schritt entschlossen?
Georgios Pappas: Papandreou hofft, dass sich die Griechen für das Hilfspaket und die damit verbundenen Sparmaßnahmen aussprechen. Er ist diesen Schritt gegangen, weil er in einer Sackgasse steckt. Er hat weder in seiner Partei, noch in der griechischen Bevölkerung eine Mehrheit für seinen Kurs. Und auch die ohnehin schon knappe Parlamentsmehrheit ist weiter geschmolzen. Nach dem Austritt einer Abgeordneten heute verfügt die sozialistische Partei von Papandreou nur noch über 152 von 300 Sitzen. Also nur noch zwei Sitze mehr, als die notwendige Mehrheit im Parlament. Angesichts der Herkules-Aufgaben aber, die er vor sich hat, braucht er eine Stütze und einen Schritt nach vorne. Das versucht er jetzt mit dieser Volksbefragung.
tagesschau.de: Papandreou will mit der Volksbefragung also seine Politik legitimieren?
Pappas: Natürlich braucht er eine Legitimation, denn die meisten Griechen und auch die meisten Oppositionsparteien sind gegen seine Politik. Im Wahlkampf vor zwei Jahren ist er mit ganz anderen Versprechen angetreten. Seither macht er gezwungenermaßen eine ganz andere Politik,als die, die er versprochen hat. Aber noch ist unklar, ob es überhaupt zu einem Referendum kommt. Zuvor muss er am Freitag eine Vertrauensabstimmung im Parlament überstehen und das könnte knapp werden.
Griechenland leidet unter "Realitätsverweigerung"
tagesschau.de: Warum hat sich Papandreou gerade jetzt zu diesem Schritt entschlossen?
Pappas: Die Entscheidung hat mich überrascht - ich weiß es nicht. Papandreou hat offenbar gehofft, dass das erste Hilfspaket ausreichen würde, um Griechenland zu stabilisieren. Nun ist es anders gekommen. Angesichts des innenpolitischen Drucks und mangelnder andere Koalitionsmöglichkeiten wusste er sich offenbar nicht anders zu helfen. In Griechenland herrscht eine paradoxe Situation, die wohl am besten mit Realitätsverweigerung zu beschreiben ist. Umfragen zeigen, dass die meisten Griechen einerseits im Euro-Raum bleiben wollen, andererseits aber die angebotenen Hilfen und das damit verbundene Sparprogramm nicht akzeptieren wollen. Das ist grotesk.
"Griechen fühlen sich unter Druck gesetzt"
tagesschau.de: Wie wurde die Entscheidung in Griechenland aufgenommen?
Pappas: Alle in Griechenland wurden von diesem Schritt überrascht - die Politiker, aber auch die Journalisten. Damit hat niemand gerechnet, obwohl Papandreou diesen Gedanken schon länger hatte. Wir haben ja auch keine Erfahrungen mit Volksbefragungen. Das gab es in Griechenland erst ein Mal in den siebziger Jahren. Die meisten Beobachter allerdings gehen davon aus, dass es nicht so weit kommt, weil Papandreou die Vertrauensabstimmung im Parlament verliert und es dann vorgezogenen Neuwahlen geben wird. In Griechenland gibt es viel Kritik an diesem Schritt. Alle sind nun in einer schwierigen Situation und fühlen sich unter Druck gesetzt. Die Menschen müssen sich jetzt entscheiden und können nicht einfach weiter kritisieren und zu allem "Nein" sagen. Auch die Journalisten müssen nun über die Konsequenzen ihrer kritischen Kommentare nachdenken. Bisher haben sie viel Kritik an der Regierung geübt - Konsequenzen waren dabei nicht zu befürchten. Das ist nun anders.
"Das wird die Stunde der Wahrheit"
tagesschau.de: Wie werden sich die Griechen bei der Volksabstimmung verhalten?
Pappas: Das wird die Stunde der Wahrheit für die Griechen. Jetzt müssen sich die Parteien und Bevölkerung entscheiden. Bin ich für den Euro und die damit verbundenen Programme oder nicht. Eine Alternative gibt es dann nicht mehr. Bis jetzt haben sie es sich bequem gemacht. Es gab eine Regierung und einen Ministerpräsidenten, der für die unpopulären Maßnahmen stand, die man kritisierte. Die Bevölkerung selbst stand nicht in der Verantwortung und konnte abwarten, was passiert.
Ein "Nein" wäre eine Katastrophe für Griechenland
tagesschau.de: Werden die Griechen mit "Ja" oder mit "Nein" stimmen?
Pappas: Ich kann es nicht vorhersagen und bin sehr gespannt. Das wird sehr sehr knapp. Ich hoffe, dass sie sich für den Euro entscheiden werden. Aber die Menschen leiden sehr unter der Perspektivlosigkeit, der hohen Arbeitslosigkeit und den Sparmaßnahmen in ihrem Land. Wenn ich also von der jetzigen Stimmung im Land ausgehe, dann werden sie wohl mit "Nein" stimmen. Das wäre eine Katastrophe. Sie würden sich selber aus der europäischen Gemeinschaft ausschließen und alle Mühen der vergangenen Jahre, den Anschluss an Europa und den Euro zu finden wären umsonst gewesen. Dann gibt es nur den Weg zurück zur Drachme.
Die Fragen stellte Rike Woelk, tagesschau.de